Namhafte Gläubige prangern Blindheit der Kirche in Geschlechterfragen an

Luzern/Basel, 3.12.18 (kath.ch) Über 300 Personen, die pastoral tätig sind, reagieren auf den Kirchenaustritt der sechs prominenten Feministinnen. In einem Schreiben, das auf eine Initiative der Theologinnen Jacqueline Keune und Monika Hungerbühler zurückgeht, fordern sie die Gleichwertigkeit der Geschlechter innerhalb der katholischen Kirche. Unterzeichnet haben unter anderem auch Luc Humbel und Daniel Kosch, Präsident und Generalsekretar der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz.

«Wir werden uns mit der Ungerechtigkeit in unserer Kirche nicht abfinden und an der Forderung umfassender Gleichwertigkeit festhalten», heisst es in der Medienmitteilung, die innerhalb von vier Tagen von über 300 Personen unterschrieben wurde, wie Jacqueline Keune auf Anfrage sagte.

Sie möchten mit dem Schreiben darauf hinweisen, dass es beim Austritt der sechs Frauen nicht bloss um die Worte des Papstes gehe, der Abtreibung mit Auftragsmord verglich. Sondern es gehe um die «Blindheit» der katholischen Kirche, «ihre kranken und krankmachenden Strukturen zu erkennen». Strukturen nämlich, die «Weisse, Reiche, Heterosexuelle und Männer bis heute als die wertvolleren Menschen erachtet als Farbige, Arme, LGTB (Englische Abkürzung für Lesben, Schwule, Transmenschen und Bisexuelle, d. Red.) und Frauen», heisst es im Schreiben.

Eine Frage der Gerechtigkeit

Die Gleichstellung von Männern und Frauen sei keine Frage der Sympathie oder päpstlicher Barmherzigkeit, «sondern ist eine Frage von Gerechtigkeit». Die Verwirklichung von Gerechtigkeit aber sei die Verwirklichung von Gottes Willen, der «Frau und Mann nach göttlichem Ebenbild geschaffen hat.»

Die Theologinnen und Theologen rufen die Kirche «zur Umkehr auf, jede Herabsetzung von Frauen, von Menschen, endlich aus all ihrem Denken, Glauben, Reden, Schreiben und Tun zu verbannen».

Beteiligt, nicht nur betroffen

Unterzeichnet ist das Schreiben von 312 Personen, darunter bekannte Namen wie Hildegard Aepli, Initiantin des Pilgerprojekts «Für eine Kirche mit den Frauen», Simone Curau-Aepli, Präsidentin des Schweizerischen Katholischen Frauenbunds, die Dominikanerin Ingrid Grave, die Theologin und Journalistin Jacqueline Straub, Silvia Schroer, Professorin für Altes Testament an der Universität Bern, Edmund Arens, emeritierter Professor für Fundamentaltheologie an der Universität Luzern, Leo Karrer, emeritierter Professor für Pastoraltheologie an der Universität Freiburg, Luc Humbel, Präsident der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz, ebenso deren Generalsekretär Daniel Kosch und viele andere.

Das Schreiben geht auf eine Initiative der beiden katholischen Theologinnen Jacqueline Keune, Theologin aus Luzern, und Monika Hungerbühler, Theologin an der Offenen Kirche Elisabethen in Basel, zurück. «Die Austritte der sechs Feministinnen machen uns nicht nur betroffen, wir sind auch selber beteiligt, weil es um die Unrechtsstrukturen innerhalb des Systems Kirche geht», erläutert Keune die Hintergründe, die zum Schreiben geführt haben.

«Sich gleichwertig machen»

Sie hätten zuerst Leute aus ihrem Bekanntenkreis, die in der Pastoral tätig seien, via Mail kontaktiert. Dies habe rasch eine Eigendynamik entwickelt, sodass innerhalb von vier Tagen über 300 Unterschriften zusammengekommen seien, sagte Keune gegenüber kath.ch. Die meisten der Unterzeichnenden seien Theologinnen und Theologen.

Das Schreiben ging an die Medien, so Keune. Sie hätten bisher noch keine Verantwortungsträger in der Kirche kontaktiert. Wie es weitergeht, sei derzeit noch offen. Keune appelliert aber an die Mitverantwortung aller: «Es ist Aufgabe jedes und jeder Einzelnen, sich gleichwertig zu machen in der Kirche.» Konkret nennt sie das Beispiel einer Pastoralassistentin aus dem Bistum Chur, die schreibe, sie dürfe trotz Theologiestudium und Missio nicht predigen. «Hier müssten Betroffene sich zusammentun und dem Bischof sagen: Das akzeptieren wir nicht. Da ist Solidarität unter uns gefragt», so Keune.

Viel Leiden am System

Die Namensliste an sich sei inzwischen abgeschlossen, dennoch erhalte sie laufend weitere Mails von Leuten die unterzeichnen möchten. Viele von ihnen schilderten in ihren Mails auch eigene Erfahrungen mit ungerechten Strukturen in der Kirche. «Das zeigt, wie viel Leiden am System und an den Unrechtsstrukturen der Kirche da ist», sagt Keune.

Im November gaben sechs namhafte Feministinnen ihren Austritt aus der katholischen Kirche bekannt: Die frühere grüne Nationalrätin Cécile Bühlmann, die ehemalige Direktorin des Hilfswerks Fastenopfer, Anne-Marie Holenstein, Monika Stocker, ehemalige Nationalrätin und Stadträtin von Zürich, Doris Strahm, feministische Theologin und Publizistin, Regula Strobel, auch sie feministische Theologin, sowie die ehemalige Nationalrätin und Mitglied des Europarats, Ruth-Gaby Vermot, wollen nicht mehr einer Institution angehören, die die Rechte der Frauen verneine und «Frauen aufgrund ihres Geschlechts aus der kirchlichen Hierarchie, der heiligen (Männer-)Herrschaft» ausschliesse, hiess es in der Mitteilung vom 19. November. (sys)


Feministinnen verlassen aus Protest die katholische Kirche

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https://www.kath.ch/newsd/namhafte-katholiken-prangern-blindheit-der-kirche-in-geschlechterfragen-an/