«Es ist immer das gleiche Geheimnis, das in der Messe passiert»

Zürich, 7.8.18 (kath.ch) In der Polenmission in Zürich-Wiedikon findet Agnieszka Rychlewska (34) Menschen ihrer Kultur, die ebenfalls in der Schweiz leben. Sie hat in der Limmatstadt aber auch ein reichhaltiges spirituelles Angebot entdeckt. Dies ist ein Beitrag zur Sommerserie 2018 über die fremdsprachigen Missionen der römisch-katholischen Kirche in der Schweiz.

Barbara Ludwig

Agnieszka Rychlewska lebt seit 2011 in Zürich. Der Zufall wollte es, dass sie in der Nähe der Wiediker Pfarrei Herz Jesu eine Wohnung fand. Dort befindet sich der Sitz der polnischsprachigen Mission für die Kantone Zürich und Glarus. Und dort feiern polnischstämmige Katholikinnen und Katholiken aus der Region Zürich jeden Sonntag  die Eucharistie in polnischer Sprache.

Agnieszka Rychlewska ist oft dabei. «Es ist wichtig, einen Ort zu haben, wo man Leute treffen kann, die die gleiche Kultur haben und in der gleichen Schweizer Realität leben»,  sagt die 34-Jährige nach einem polnischen Sonntagsgottesdienst, der trotz Ferienzeit zahlreiche junge Menschen – Paare und Familien – anlockte.

Geburtstagsfeier in Pfarrei-Cafeteria

Rychlewska, helle Hose, blaues T-Shirt, Bast-Sandalen mit hohem Absatz, stammt aus der polnischen Region Oberschlesien. Sie verliess ihre Heimat mit 19, um in Göttingen «Internationale Wirtschaft» zu studieren. Später schickte sie ihr Arbeitgeber, ein weltweit tätiges Logistikunternehmen, als Projektleiterin nach Zürich. In der Polenmission hat sich Agnieszka Rychlewska, mit Landsleuten angefreundet. An diesem Sonntag wird sie sich nach dem Interview zum Mittagessen mit ihren Freundinnen treffen.

Aber auch in der Pfarrei Herz Jesu ist Rychlewska keine Unbekannte . «Hier habe ich meinen 30. Geburtstag gefeiert», sagt sie, als wir beim Rundgang durch das Pfarreizentrum einen Blick in die Cafeteria werfen. Sie besuche auch die deutschsprachigen Gottesdienste der Pfarrei.

«Es ist wichtig, bei der heiligen Messe nicht wählerisch zu sein.»

Auf die Frage, wie sie die Pfarreigottesdienste erlebe, antwortet Agnieszka Rychlewska zurückhaltend. Über mögliche Unterschiede zwischen den Pfarreigottesdiensten und den polnischen Messen will sie nicht sprechen.

«Wir reden über die Eucharistiefeier, die heilige Messe. Ich finde es ganz wichtig, da nicht wählerisch zu sein und nur dort hinzugehen, wo es einem gefällt. Es ist immer das gleiche Geheimnis, das da passiert.» Und immer sei es eindrücklich für sie, sagt die Frau, an deren Hals ein kleines Marienmedaillon hängt.

Workshops für Kinder

Die Gläubigen, die die Gottesdienste der Polenmission besuchen, bezeichnet Rychlewska als «lebendige Gemeinschaft». In dieser Gemeinschaft engagiert sie sich auf verschiedene Weise, als Lektorin in den Gottesdiensten und auch als ehrenamtliche Lehrerin. Die Mission biete nicht nur ergänzenden Religionsunterricht an, sondern versuche auch, Kindern die polnische Sprache und die polnische Kultur näherzubringen, sagt Agnieszka Rychlewska. Es gehe darum, sie mit der Heimat ihrer Eltern und Grosseltern vertraut zu machen.

Rychlewska betreut in dieser «Schule» hauptsächlich die ältesten Kinder. «Ich konzipiere workshop-mässige Unterrichtsstunden.» Die Kinder lernten zum Beispiel auf spielerische Weise eine berühmte polnische Persönlichkeit kennen oder ein bestimmtes Ereignis der polnischen Geschichte. Der Unterricht findet jeweils am Sonntagvormittag in einem Raum des Pfarreizentrums vor dem polnischen Gottesdienst statt. Dieser beginnt um Viertel nach zwölf.

«Ich hatte immer die Augen offen für vorhandene Möglichkeiten.»

Als Agnieszka Rychlewska von ihrer Auswanderung aus Polen in Richtung Westen erzählt, sagt sie: «Das war eine Entwicklung. Ich hatte immer die Augen offen für die Möglichkeiten, die gerade vorhanden sind.» Sie ergänzt, eigentlich sei sie schon als achtjähriges Kind so gewesen. In der jungen Polnischen Republik habe der offizielle Lehrplan für ihren Jahrgang damals noch die russische Sprache vorgesehen. Als eine Lehrerin Deutschunterricht ausserhalb des normalen Schulstoffes angebot, packte Agnieszka die Chance.

Später entdeckte sie in ihrer Heimatstadt ein Gymnasium, in dem die Fächer auf Polnisch und Deutsch unterrichtet wurden. Sie besuchte diese Schule, wo sie auch eine Deutschprüfung ablegen konnte. So war sie gerüstet für das Studium in Göttingen. «Die Chancen, die sich mir boten, habe ich einfach wahrgenommen. Das hat mich schliesslich nach Zürich geführt», sagt sie.

Agnieszka Rychlewska findet Zürich einen guten Ort zum Leben. «Man hat hier sehr viele Möglichkeiten, wenn man weiss, was man möchte.» Auf Nachfrage präzisiert sie, dass sie hierbei an die beruflichen Möglichkeiten denke. Seit 2015 ist sie selbständig. Unter anderem bietet sie Workshops für Firmen und Teams an, die «neue Wege» erarbeiten möchten, sowie «Coaching im Bereich Kreativität und Innovation».

Regelmässig beichten und zum Gottesdienst

Agnieszka Rychlewska nutzt viele Möglichkeiten, die die Limmatstadt im Bereich der Spiritualität bietet. Sie beichtet regelmässig. Mehrmals pro Woche geht sie zur Messe, in verschiedenen Kirchen. Jeden Tag an einem Gottesdienst teilzunehmen, wäre jedoch schwierig, sagt sie. «Man müsste durch ganz Zürich reisen.» In der Schweiz sei es nicht wie in Polen, wo jede Pfarrei täglich mehrere Gottesdienste anbiete.

Sie habe das Glück gehabt, nach ihrer Ankunft in Zürich ziemlich schnell auf die Polenmission gestossen zu sein. Mit der Zeit habe sie zudem zahlreiche religiöse Angebote ausserhalb der Mission entdeckt. «Die haben mir wirklich geholfen, meine Spiritualität zu vertiefen.»

Ewige Anbetung und Vorträge

Rychlewska erwähnt die Ewige Anbetung in der Oremus-Kapelle mitten im Niederdorf, wo Menschen vor dem Allerheiligsten verweilen können. Auch in Liebfrauen, der Hauptpfarrkirche der Stadt Zürich, gebe es viele Angebote, etwa die «Worship Wednesdays», die Jugendgottesdienste der Lobpreis-Bewegung Adoray. Dann habe sie auch die interreligiöse «Woche der Religionen» entdeckt. «Wenn man sucht, findet man viel.»

«Sind die Wurzeln fest, braucht man den Wind nicht zu fürchten.»

Dann und wann besucht Agnieszka Rychlewska auch Vorträge und andere einmalige Veranstaltungen zu religiösen Themen. Kürzlich zum Beispiel ein Referat des Wiener Dogmatikers Jan-Heiner Tück und ein Gesprächsabend mit dem prominenten Benediktinerpater Anselm Grün und dessen Bruder Michael, der Physiker ist. Bei der Vertiefung der Spiritualität gehe es auch um «konkretes Wissen», sagt sie.

Die Katholikin bezeichnet sich als sehr religiös. «Weil ich eine starke Beziehung zu Gott habe. Und weil ich immer versuche, mich nach ihm auszurichten.» Zwar habe es auch in ihrem Leben, als Jugendliche, eine Zeit gegeben, in der die tiefere Beziehung zu Gott verloren gegangen sei. Aber das Fundament blieb. Agnieszka Rychlewska erklärt das mit einem chinesischen Sprichwort: «Wenn die Wurzeln fest sind, braucht man den Wind nicht zu fürchten.» Dann lacht sie. So sei es auch bei ihr gewesen.

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