«Geldspielsüchtige sind sehr einfallsreich beim Anpumpen von Leuten»

Zürich, 12.7.18 (kath.ch) Die Spielschulden des früheren Pfarrers von Küssnacht am Rigi sind mit 1,4 Millionen Franken um ein Vielfaches höher als zunächst angenommen. Mancher Laie mag staunen über einen solchen Schuldenberg. Nicht so Franz Eidenbenz. Der Zürcher Spielsuchtspezialist sagt: «Praktisch alle Glückspielsüchtigen mit einer Abhängigkeit in fortgeschrittenem Stadium haben Schulden.»

Barbara Ludwig

Die Art der Verschuldung kann vielfältig sein. «Das können offene Rechnungen, Steuerschulden, aufgenommene Kredite und Schulden bei Kollegen oder im Familienkreis sein», erklärt Franz Eidenbenz, Leiter Behandlung des Zentrums für Spielsucht und andere Verhaltenssüchte, das von der Schweizerischen Gesundheitsstiftung Radix mit Sitz in Zürich betrieben wird, auf Anfrage.

Eidenbenz findet gleichwohl, dass es sich bei den Schulden des ehemaligen katholischen Pfarrers von Küssnacht am Rigi um einen «massiven Betrag» handle. Das bringe einen erheblichen Druck und eine Aussichtslosigkeit mit einem gewissen Suizidrisiko mit sich.

Bekannte finanzieren die Sucht

Der Ex-Pfarrer hat Bekannte um Geld gebeten. Laut Franz Eidenbenz ist das typisch. Zwar komme es auch vor, dass jemand – etwa wegen eines Erbes – reich sei und sein eigenes Geld verspiele. Aber: In den meisten Fällen stamme das Geld, das Spielsüchtige einsetzen – nachdem einmal der eigene Lohn verspielt sei – von Krediten und von Personen in ihrem persönlichen Umfeld.

«Es ist verblüffend, wie es ihnen gelingt, auch hohe Summen auszuleihen.»

«Geldspielsüchtige sind oft sehr einfallsreich, wenn es darum geht, Leute anzupumpen», sagt Eidenbenz. Und meint dabei, dass die Betroffenen ihre Bekannten mit vorgeschobenen Gründen um Geld angehen. Und hier kommt auch der Fachmann ins Staunen: «Es ist in der Tat verblüffend, wie es ihnen gelingt, auch hohe Summen auszuleihen.»

Im Internet lässt sich viel Geld verspielen

Viel Geld im Spiel zu verlieren ist laut Franz Eidenbenz an verschiedenen Orten möglich. An einem realen Ort, in einem der Casinos, von denen mehrere in der Schweiz existieren, aber auch in Online-Casinos. «Am Laptop, am Computer oder auch über das Handy kann man innert Stunden sehr grosse Beträge verspielen.»

Süchte kämen in allen Gesellschaftsschichten und Berufskategorien vor. Geistliche Berufe eingeschlossen. «Warum soll ausgerechnet ein katholischer Priester nicht spielsüchtig werden?»

«Ein hoher Gewinn vermittelt das Gefühl, man könne relativ schnell Geld machen.»

Allerdings wird längst nicht jeder, der einmal um Geld spielt, auch süchtig, stellt Eidenbenz klar. «Die meisten Glücksspieler entwickeln kein eigentliches Suchtproblem.» Zum einen müsse die Person eine gewisse Anfälligkeit aufweisen. Zum andern sei es auch oft so, dass ein relativ grosser Gewinn am Anfang einer Suchtkarriere stehe. «Ein hoher Gewinn vermittelt einem das Gefühl, man könne relativ schnell Geld machen. Das ist ein Erlebnis, das man wiederholen möchte.» Zudem könnten weitere Faktoren wie Stress und finanzielle Engpässe das Entstehen einer Glücksspielsucht begünstigen.

Nicht spielen, wenn man unzufrieden ist

Wie also können Glücksspieler vermeiden, in die Sucht abzugleiten? Zunächst müsse man sich dessen bewusst sein, dass das Glücksspiel ein echtes Abhängigkeitspotential beinhaltet. Dann empfiehlt Franz Eidenbenz ein kontrolliertes Spielen. So solle man im Voraus die Höhe des Einsatzes festlegen und nach diesem Betrag aufhören. Für gefährdete Spieler sei es auch besser, die Kreditkarte zu Hause zu lassen.

«Bei Problemen soll man sich Hilfe bei anderen Menschen holen.»

Wichtig sei auch nicht zu spielen, wenn man unzufrieden ist oder sich in einer Krise befindet, mahnt der Psychologe. «Hat man Probleme, soll man mit anderen Menschen darüber sprechen und sich bei ihnen Hilfe holen. Und nicht das Glück beim Spiel suchen.»

Ex-Pfarrer ist kein Einzelfall

Obschon also längst nicht alle Spieler eine Abhängigkeit entwickeln, sei der ehemalige Pfarrer keine Ausnahme, sagt Eidenbenz. «Wir haben jede Woche Anfragen zu dem Thema.» Das Zentrum könne nur Notfälle sofort behandeln. «Für weitere Betroffene bestehen Wartefristen.»

Die Geldspielsucht sei ein Problem hierzulande, auch wenn es nur eine Sucht neben den vielen anderen sei. Studien schätzten, dass es in der Schweiz zwischen 75’000 und 120’000 geldspielsüchtige Personen gibt, sagt Eidenbenz.


Pfarrer von Küssnacht am Rigi tritt wegen Spielschulden zurück

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