In der Kirche Schweiz ist es «fünf nach zwölf»

Altstetten ZH, 6.2.18 (kath.ch) Ist es einmal «fünf vor zwölf», kommt Stress auf. Reagiert man dann, kann man die Kurve noch kriegen. In der Kirche Schweiz sieht es jedoch schwarz aus, meint Alt-Abt Martin Werlen in seinem neuen Buch «Zu spät», das am Montag vorgestellt wurde.

Arnold Landtwing*

«Es ist zu spät!» Mit diesen Worten begrüsste Martin Werlen, der von 2001 bis 2013 Abt der Benediktinerabtei Einsiedeln war, die zahlreichen Medienleute am Montag im Brockenhaus Altstetten. In seinem neuen Buch nimmt er eine schonungslose Diagnose der Kirche vor. Allen, die es noch nicht wahrgenommen haben, hält er deutlich vor Augen, dass es in der Kirche fünf nach zwölf ist. Ein Buch, das aufrüttelt und nachhallen wird.

Die Kirche hat sich entfernt – nicht umgekehrt.

Aus Erfahrung weiss Alt-Abt Martin Werlen, dass Anlässe ausserhalb von Kirchengebäuden viel mehr und andere Menschen ansprechen. Menschen, die der Kirche abhanden gekommen sind. Das Fatale: Die Kirche habe sich von diesen Menschen entfernt – nicht umgekehrt!

Sich an Altem festhalten

Im Gespräch mit dem prominenten Fernsehmann Florian Inhauser präsentierte Alt-Abt Martin Werlen seine Einsichten, weshalb es für die Kirche zu spät sei. Kirchenverantwortliche, die meinen, es sei fünf vor zwölf, gehörten zu denjenigen, welche alle Energie darin investierten, Altes zu bewahren und noch möglichst fest zu vermauern. Es gehe jetzt darum, hören zu können, «was Gott uns sagen will».

Der Karren steckt sowieso im Dreck.

Die Einsicht, dass es zu spät ist, schenke aber auch Gelassenheit, da der «Karren» sowieso im Dreck stecke. «Ich träume davon, dass einzelne Personen, Pfarreien und Gemeinschaften Dinge loslassen, die bisher einfach dazugehörten», führte er seine Vision aus. Die Kirche solle wieder als ein Ort der Hoffnung wahrgenommen werden, als Ort, wo Menschen aufatmen können und nicht zuerst verurteilt würden.

Kritik an Schweizer Bischöfen

Kritisch richtete er sich auch an die Schweizer Bischöfe: Sie sollten frei werden für Visionen und Entscheidungen treffen. Die Bischofskonferenz könne Impulse geben, Papst Franziskus spiele ihnen sogar den Ball dauernd zu.

Lieber vom Vatikan als von der SBK was hören.

Gleichzeitig bemerkte er aber auch, dass es ihm derzeit lieber sei, wenn von dieser Seite nichts komme, da «wir von Rom besser bedient sind» als von der Bischofskonferenz. Als Beispiel führte er die Umweltenzyklika «Laudato si» an, die von den Zürcher Verkehrsbetrieben umgehend in die Werbung integriert wurde: Mit einem Bild von Papst Franziskus unterwegs im Tram. So seien die Zürcher Verkehrsbetriebe die besseren Botschafter für diese Enzyklika als die Bischofskonferenz.

Als Skandal bezeichnete Werlen Aussagen des Apostolischen Nuntius Thomas Gullickson, welcher Gläubige, die sich um eine gute Bischofsnachfolge sorgten, als «dysfunktionale Familie» bezeichnete. Es sei gerade umgekehrt, gab sich Werlen kämpferisch: «Es ist eben genau die funktionale Familie, die sich sorgt. Deshalb widme ich dieses Buch den Menschen, die Kirche nicht in Ruhe lassen.»

Auch zu den Traditionalisten, zum Latein in der Kirche und der Weihe der Frauen nahm Alt-Abt Werlen dezidiert Stellung.

*Arnold Landtwing ist Informationsbeauftragter des Generalvikariates für die Kantone Zürich und Glarus.

Video der Redaktion Ferment zur Vernissage:

 

«Heute im Blick» – die Kirche und der Mensch

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