Identität der Kirchenväter an Decke der St. Galler Stiftsbibliothek gelüftet

St. Gallen, 19.12.17 (kath.ch) Die Kathedrale St. Gallen und die Stiftsbibliothek sind ein Kulturschatz erster Güte. Zur aktuellen Ausstellung «Barockes Universum – Religion und Geist in der Fürstabtei St. Gallen» weisen Fachleute auf kath.ch in einer Serie von Gastbeiträgen exklusiv auf Besonderheiten in diesem «Universum» hin. Hans Haselbach, Altphilologe und Führer in der Stiftsbibliothek, widmet seinen Beitrag der Bilderdecke des Barocksaals.

Die Krönung des prächtigen Barocksaals von St. Gallen bilden die Gemälde von Josef Wannenmacher aus den Jahren 1762 und 1763. Dargestellt sind die ersten vier allgemeinen Konzilien der Christenheit: Nicäa (325), Konstantinopel (381), Ephesus (431) und Chalcedon (451). Sie werden flankiert von den führenden Theologen der Zeit, den vier lateinischen und den vier griechischen Kirchenvätern.

Dieses Bildprogramm ist in doppelter Hinsicht einmalig. Zum einen wegen den Konzilsbildern, zum andern wegen den griechischen Kirchenvätern.

Die Konzilsbilder als Credo

Dass die Verantwortlichen des Klosters St. Gallen mitten in der Aufklärung lauter Ereignisse und Persönlichkeiten des 4. und 5. Jahrhunderts gemalt haben wollten, erklärt sich mit der eminenten Bedeutung dieser Zeit für die christliche Theologie. Damals wurde das christliche Glaubensbekenntnis, wie wir es in der Messe beten oder vom Konzertsaal kennen, definiert, und dieses Fundament, die gemeinsame Grundlage aller Christen, wollte der damalige Abt Cölestin an der Decke seiner Bibliothek verewigt haben.

Tatsächlich enthalten die Konzilsbilder einzelne Zitate aus dem lateinischen Credo. Auf dem Bild von Konstantinopel zum Beispiel zeigt ein Bischof den ganzen Abschnitt über den Heiligen Geist.

Kirchenväter sollten auf den Bildern gezeigt werden

Nachdem sich Abt Cölestin für die Konzilien als Hauptthema entschieden hatte, war es folgerichtig, dass auf den Seiten die führenden Theologen des 4. Jahrhunderts erscheinen sollten, die sogenannten Kirchenväter. Dabei ging es nicht an, sich wie üblich mit Augustinus, Ambrosius, Hieronymus und Papst Gregor zu begnügen, denn alle vier Konzilien fanden in Kleinasien auf dem Gebiet der heutigen Türkei statt und keiner der Lateiner, wohl aber zwei der Griechen nahmen an den Konzilien teil.

Kirchenväter bislang verwechselt

Während Augustinus und die andern Lateiner wie die Evangelisten in der Kunst schon lange ihre festen Kennzeichen hatten, gab es solche im Falle von Athanasius, Basilius, Gregor von Nazianz und Johannes Chrysostomus nicht. Wannenmacher schaffte es aber, mit seinen Mitteln die einzelnen Persönlichkeiten eindeutig zu charakterisieren. Allerdings wurden die Details bisher zu wenig ernst genommen.

Bilder von Schiffen stifteten Verwirrungen.

Das Benediktinerbrevier von 1758 ermöglichte nun den Beweis, dass nicht Gregor von Nazianz, sondern Athanasius die Reihe der östlichen Kirchenväter anführt. Der Grund, weshalb die beiden bisher verwechselt wurden, liegt darin, dass auf beiden Bildern ein Schiff zu sehen ist. Diese unterscheiden sich aber wesentlich.

Ein reales und ein gemaltes Schiff

Bei Athanasius, der wegen seines Kampfes für die Rechtgläubigkeit oft mit dem Schiff fliehen musste, ist es ein reales Schiff. Das Schiff des dritten Bildes hingegen befindet sich auf einem goldgerahmten Bild im Studierzimmer von Gregor und ist deshalb bildlich zu verstehen. Als Gregor durch den Kaiser auf den Bischofssitz von Konstantinopel berufen wurde, gab es bald Unruhen und er trat spontan zurück.

Dabei benutzte er das Wort des Propheten Jonas: «Wenn ich der Grund für diesen Sturm bin, werft mich ins Meer, damit wieder Ruhe einkehrt.» Weitere Details bestätigen die neue Zuordnung, mit der das gesamte Bildprogramm mehr Sinn ergibt: Athanasius befindet sich neben dem Bild von Nicäa, wo er tatsächlich zu sehen ist, und Gregor neben jenem von Konstantinopel, wo er als Vorsitzender erscheint.


Farbe, Feierlichkeit und Frömmigkeit im barocken St. Gallen

 

 

 

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