Kirche hat ihre liebe Mühe mit der Social-Media-Jugend

Zürich, 20.6.17 (kath.ch) Die Kirche muss schnell und flexibel reagieren können, wenn sie über die sozialen Medien die Jugend erreichen will. Das ergab eine Spezialisten-Runde zu «Generation Smartphone» bei der Generalversammlung des Katholischen Medienzentrums (kath.ch) am Montag in Zürich. An der GV wurden Lösungsansätze diskutiert.

Georges Scherrer

Nicht einmal die Schweizer Armee wird den Surfgewohnheiten der heutigen Schweizer Jugend Herr. Armeechef Philippe Rebord erwägt, den Soldaten eine Viertelstunde pro Tag zu gewähren, um zu surfen. Nachts sollen sie dann, statt am Handy zu hängen, schlafen. Damit solle die Attraktivität der Armee gestärkt werden.

Dieses Attraktivitätsproblem hat auch die katholische Kirche Schweiz. Die Jugend surft an ihr vorbei. Diesem Sachverhalt nahm sich das Katholische Medienzentrum an seiner Generalversammlung von Montag an. Erstaunliche aber auch ernüchternde Zahlen liefert die aktuelle JAMES-Studie (Jugend, Aktivitäten, Medien – Erhebung Schweiz), die von Mitautor Gregor Waller, Co-Leiter der Fachgruppe Medienpsychologie an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW), vorgestellt wurde. Als Hauptaktivität in der Freizeit gaben von rund tausend befragten Jugendlichen 76 Prozent an, sie würden am Liebsten Freunde treffen, erklärte Waller. Sport, Ausruhen und Haustiere befinden sich ebenfalls über der 50-Prozent-Grenze. Religiöse Beschäftigungen liegen bei zwei Prozent, so Waller.

PewDiePie und keine Kirche

Ein Handy besitzen gemäss JAMES alle Jugendlichen. Die allermeisten haben auch Zugang zu einem Computer. Täglich verbringen Jugendliche 2 Stunden 30 Minuten mit Surfen. Am Wochenende 3 Stunden 40 Minuten. 74 Prozent nutzten Social Media. Beliebteste Webseite ist in diesem Alterssegement Youtube. Die beliebstesten Adressen auf Youtube heissen «BibisBeautyPalace», «PewDiePie» oder ganz aktuell: Cubanito und Diablox9. Kirchliche Bezugspunkte sind weit weg.

Ein Grossteil der Befragten liebe es, in den Social Media herumzustöbern. Die Jugend bewege sich aber heute weg von Facebook und SMS. Beliebt seien aktuell das Foto-lastige Instagram oder Snapchat, wo die Bilder und Filme nur kurz aufscheinen und dann gelöscht werden. Diese Welt der Jugend und Promis ist der Kirche Schweiz noch ziemlich fremd.

Betroffene Jugend muss mitentscheiden

Lilian Suter, Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der ZHAW, stellte eine Studie vor, die im Herbst veröffentlicht wird. Dreissig Jugendliche im Alter von 12 bis 19 Jahren wurden über ihre Handynutzung und ihrem Verhältnis zum Gerät befragt. Es fallen Worte wie «Best friend» und «unzertrennlich». Das Gerät wird zur Kontaktpflege, Information und Unterhaltung benützt. Die Jugendlichen merkten, dass sie zum Teil unter «Druck antworten» und sprechen auch von Zeitverschwendung. Die beliebten Klassenchats könnten auch dazu führen, dass unbeliebte Mitglieder ausgeschlossen werden.

Die Studie hat gemäss Suter eine sehr individuelle Smartphonenutzung bei den Jugendlichen ausgemacht. Suter riet dazu, die Jugend beim Entscheidungsprozess miteinzubinden und nicht über ihre Köpfe hinweg zu entscheiden.

Persönliche Kontakte wertvoll

Innerhalb der Schweizer Bischofskonferenz (SBK) beschäftigt sich die Kommission für Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit mit der medialen Einbettung der Jugendlichen. Die Kommission befürwortet bei einem künftigen Jugendprojekt eine Vernetzung von Jugendbischöfen, Jugendverbänden und privaten Initiativen. Pastoral und Kommunikation sollen Hand in Hand gehen.

Gemäss Encarnación Berger-Lobato, die als Leiterin Marketing und Kommunikation der SBK in Zürich die Kommissionsarbeit vorstellte, bleibe aber der persönliche Kontakt «sehr wichtig». Die Kommission befürworte einen gemeinsamen Weg mit den Katholischen Medienzentren (kath.ch cath.ch, catt.ch). Die «Zersprengtheit», die verschiedenen, bereits laufenden Projekte wie das St. Galler Jugendmagazin «d(ich)!»  oder Radio «fisherman» sollten gebündelt werden. Die Kommission könne den Bischöfen Vorschläge machen. Diese werden entscheiden, wie es in der kirchlichen Medien-Jugendarbeit weiter gehen soll. Dabei muss sie sich aber sputen. Was heute Rang und Namen hat und als Plattform dient, ist morgen wieder weg vom Fenster, verlautete am Rand der GV.

Diskussion im Kirchenbereich fördern

Auch das Katholische Medienzentrum selber, das zur Generalversammlung geladen hatte, macht sich Gedanken darüber, wie die Jugend medial erreicht werden kann. Gemeinsam mit den Deutschschweizer Jugendverbänden will es ein Projekt starten. Der Leiter der Fachstelle für offene Jugendarbeit, Viktor Diethelm, skizzierte erste Überlegungen. Die Kirche müsse dem Umstand Rechnung tragen, dass die Jugendlichen bei der Wahl der Kanäle schnell ihre Gewohnheiten wechseln.

Diethelm sieht in der Firmung einen Moment, in dem sich Jugendliche mit ihren Meinungen und Zeugnissen über Social Media an ihre Altersgenossen wenden können. Er sprach von einer «Postfirmphase», während der die Diskussionen über Werte und Inhalte weiter gezogen werden können. Heutige Web-Seiten von Jugendverbänden seien auf die Information der Mitglieder ausgerichtet und nicht auf eine breit angelegte Diskussion in den Social Media.

Kein Top-Down der Top-Shots

Wichtig sei jedenfalls, dass die «Kompetenzen» der Jugend erkannt und in eine derartige Kommunikation eingebunden werden – oder wie es der Generalsekretär der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ), Daniel Kosch, in die Gesprächsrunde einbrachte: Es darf kein «Top-Down»-System geben.

Vielmehr müssten die verschiedenen Player und Einzelinitiativen zusammengeführt werden. Nicht nur die «Top-Shots» der Kirche müssten ihre Verantwortung wahrnehmen, sondern auch beispielsweise die Jugendseelsorger.

Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

https://www.kath.ch/newsd/kirche-hat-ihre-muehe-mit-der-social-media-jugend/