Was Experten von der Verlegung der Islamkonferenz halten

Freiburg/Luzern, 6.5.17 (kath.ch) Ende April verkündete der Verein «Islamischer Zentralrat Schweiz» (IZRS), er werde seine Jahrekonferenz vom 7. Mai in Istanbul abhalten. Hintergrund war eine Absage seitens der Besitzerin des World Trade Centers in Zürich, weil Auftritte radikaler Prediger befürchtet wurden. kath.ch hat zwei Fachleute gefragt, wie sie diese Ortsverlegung beurteilen.

Sylvia Stam

Die Frage, wie die Verlegung der Islamkonferenz «Islam Salam 2017» von Zürich nach Istanbul beurteilt werden soll, wird von Fachleuten unterschiedlich beantwortet. «Grundsätzlich ist es wünschenswert, dass Debatten, die Muslime in der Schweiz betreffen, auch hier geführt werden können», sagt Hansjörg Schmid, Direktor des Schweizerischen Zentrums für Islam und Gesellschaft an der Universität Freiburg, gegenüber kath.ch. Das Programm der Tagung spiegle aber in keiner Weise die Vielfalt muslimischer, geschweige denn gesellschaftlicher Diskurse in der Schweiz wider.

Entsprechend könne die Verlegung nach Istanbul zunächst «als Erleichterung für die Situation in der Schweiz» angesehen werden. «Der IZRS ist aus der Sicht vieler Muslime eine grosse Belastung, da dieser das mediale Islambild weit stärker prägt, als es seiner tatsächlichen Relevanz entspricht.» Hätte die Tagung in Zürich stattgefunden, hätte dies die Diskussionen über Islam in der Schweiz weiter polarisiert, so Schmid.

Negative Wirkung auch in Türkei möglich

Dennoch räumt er ein, dass die Streitpunkte durch die Verlegung nicht gelöst seien, denn auch in der Türkei könnten «derart polarisierende muslimische Stimmen eine negative Wirkung aufweisen.» Ausserdem werde in einer globalisierten Welt auch eine Tagung, die in Istanbul stattfinde, «in der Schweiz zeitgleich für intensiven Diskussionsstoff sorgen.» Auf letzteres hofft auch der IZRS selber, der durch die Übertragung via Livestream auch zeigen will, «wie sinnlos Veranstaltungs- und Redeverbote im Zeitalter von Social Media sind», so die Mitteilung des IZRS vom 28. April.

Anders beurteilt Andreas Tunger-Zanetti, Islamwissenschaftler am Zentrum Religionsforschung der Universität Luzern, die Situation. Er hält das Ausweichen nach Istanbul nicht für bedenklich. Im Gespräch mit kath.ch nennt er es ein «sprechendes Beispiel für die Situation des IZRS insgesamt». Dieser sei «ein Personenverein mit etwa 3800 passiven und 40 aktiven Mitgliedern (Stand Januar 2017) mit einem bestimmten politischen Ziel, aber kein Moscheeverein. «Der IZRS hat keinen eigenen Ort, weder für seine religiöse Praxis noch für öffentliche Anlässe», so Tunger gegenüber kath.ch. Das Ausweichen nach Istanbul und ins Internet veranschauliche letztlich lediglich diese Situation.

Eher Event als inhaltlich Botschaft

Ziel des Vereins ist aus seiner Sicht, «als massgebliches Sprachrohr für alles Muslimische in der Schweiz ernst- und wahrgenommen zu werden «. Davon sei der IZRS jedoch himmelweit entfernt. Entsprechend hält er den Medienwirbel um die radikalen Prediger für masslos übertrieben. «Niemand hat bisher dargelegt, welche Gefahr von dieser Tagung ausgehen soll», so Tunger. Der IZRS lade zwar Leute mit einem bestimmten Profil ein, weil die Chef-Etage des IZRS selber offensichtlich einer Form des Salafismus (ultrakonservative Strömung des Islam, die Red.) anhänge. «Doch Salafismus ist nicht Jihadismus» (Kampf der Muslime zur Verteidigung und Verbreitung des Islams, die Red.), so der Luzerner Islamwissenschaftler, «sonst wäre der IZRS längst verboten worden.»

Zwar liefen gegen einzelne Vereinsmitglieder Strafverfahren, aber diese seien nach wie vor hängig. Im Programm der Islamkonferenz erkennt er relativ wenige Redner, von denen eine vertiefte inhaltliche Botschaft zu erwarten sei. Schon der grosse Anteil von Sängern und Dichtern frommer Texte mache die Konferenz eher zu einem «Event, wo man hingeht, um gemeinsam Erbauung zu erleben».


Islamischer Zentralrat weicht für Konferenz auf Istanbul aus

 

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