Caritas Schweiz fordert Taten statt Worte für Syrer

Bern, 20.4.17 (kath.ch) Nach sechs Jahren Krieg in Syrien sieht Caritas Schweiz kein Ende der Not. Die humanitäre Situation der Menschen in und um Syrien sei immer schlimmer, warnt das Hilfswerk nach einem Besuch vor Ort. Es fordert von der Schweiz eine Verdoppelung der Hilfsgelder. Diese sollen für Schule und Ausbildung eingesetzt werden, um «eine weitere verlorene Generation» zu verhindern.

Regula Pfeifer

Ein junger, hagerer Mann streckt ihm ein grosses Stück Brot entgegen, ein Vater versucht mit Tragdiensten und anderen Gelegenheitsjobs seine Familie über Wasser zu halten. Eine Mutter kauert stundenlang am Boden und starrt ins Leere, eine Familie gibt inmitten von Ruinen ein Hauskonzert. All das hat Fabrice Boulé im kriegsversehrten Syrien erlebt.

Der Verantwortliche Kommunikation Westschweiz von Caritas Schweiz nahm mit der Fotografin Alexandra Wey einen Augenschein vor Ort und traf rund ein Dutzend Familien in Homs und in Jaramana, einer christlich geprägten Stadt unweit von Damaskus.

Sichtlich bewegt erzählt Boulé an der Medienkonferenz in Bern von seinen Erlebnissen. «Das sind unglaublich emotionale Begegnungen», sagt Hugo Fasel, Direktor von Caritas Schweiz. Die Organisation hat sich zum Ziel gesetzt, «eine Stimme zu sein» für die Menschen in Syrien und die Kriegsflüchtlinge aus Syrien.

Ganze Schweiz voller Flüchtlinge

Das Ausmass des Syrienkriegs sei «wahnsinnig», so Fasel. Man solle sich mal vorstellen: Sieben Millionen Menschen sind in Syrien als Flüchtlinge im eigenen Land unterwegs. Das würde heissen, so Fasel: «Die ganze Schweiz als Flüchtlinge unterwegs!»Hinzu kämen weitere rund 5 Millionen geflüchtete Syrer in den Nachbarländern, erklärt Anja Ebnöther, Leiterin Internationale Zusammenarbeit bei Caritas Schweiz.

Wie viele Tote und Verletzte der Krieg gefordert hat, ist seit einem Jahr nicht mehr bekannt. Damals hatten Nichtregierungsorganisationen die Anzahl Toter auf 470’000 und die der Verletzten auf 1,9 Millionen geschätzt.

Die Überlebenden in Syrien und den Nachbarländern befinden sich laut Ebnöther in einer prekären Lage. «Über 85 Prozent der Syrer leben unterhalb der Armutsgrenze», sagt sie. Hier setzt Caritas Schweiz an. Sie hat seit Kriegsbeginn über 34 Millionen Franken für die Syrienhilfe eingesetzt – und baue ihr Engagement weiter aus, so Ebnöther.

Arbeitsplätze geschaffen

In Syrien leistet Caritas Schweiz mit Hilfe von Partnerorganisationen vor allem Überlebenshilfe. Sie gibt gemeinsam mit dem «Jesuit Refugee Service» täglich rund 8000 warme Mahlzeiten aus und sorgt für frische Nahrungsmittel und andere Bedarfsartikel. in Jordanien überweist sie Bargeld-Zahlungen an bedürftige Familien. Zudem engagiert sich Caritas Schweiz im Libanon für die Schulbildung und in Griechenland für Integration. In Jordanien hat sie für die meist erwerbslosen Flüchtlinge Arbeitsplätze im Entsorgungsbereich geschaffen.

Rund 60’000 Personen profitierten im letzten Jahr von der Caritas-Hilfe, die einmal mehr aufgestockt wurde. Das ist einiges, aber doch nicht genug für die Krisenregion mit Millionen von Menschen in Not, wie aufgrund der Stellungnahme von Caritas Schweiz klar wird.

Politischer Vorstoss geplant

Caritas-Direktor Fasel ruft deshalb Politiker und verantwortliche Bundesämter dazu auf, mehr zu tun, um die vom Syrienkrieg betroffenen Menschen zu unterstützen. «Politische Parteien von rechts bis links betonten immer wieder, die humanitäre Hilfe vor Ort müsse oberste Priorität haben», so Fasel. Diesen Worten müssten nun Taten folgen.

Die humanitäre Hilfe für Syrien müsse von 40 Millionen auf 100 Millionen Franken aufgestockt werden, fordert Fasel. Das zusätzliche Geld solle hauptsächlich für Schulungs- und Ausbildungsprogramme zugunsten von Kindern und Jugendlichen im Nahen Osten eingesetzt werden. Dies, damit «im Nahen Osten nicht eine weitere verlorene Generation heranwächst», so das Hilfswerk. Einen parlamentarischen Vorstoss in diese Richtung wird CVP-Ständerätin Anne Seydoux-Christen in der kommenden Sommersession einreichen, weiss Fasel.

Syrer als Flüchtlinge anerkennen

Weiter fordert Caritas, dass «vorläufig Aufgenommene» aus Syrien als Flüchtlinge anerkannt werden sollen. Dies ermögliche den Syrern in der Schweiz, sich rasch zu integrieren und eine Existenz aufzubauen. Die Integrationsmassnahmen müssten in den Kantonen mit Ausbildungsmassnahmen ausgebaut werden. Und die versprochene Aufnahme von 5000 syrischen Flüchtlingen – im Rahmen des Resettlement-Programms der Uno-Flüchtlingsorganisation UNHCR – müsse endlich umgesetzt werden.

Caritas Schweiz ruft zur Aufnahme von mehr Flüchtlingen auf

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