500 Jahre Reformation sind kein Grund zum Feiern

Zürich, 18.4.17 (kath.ch) Endlich ist es soweit: 500 Jahre Reformation. So ein Jubiläum soll gefeiert werden. Das heisst es zumindest aus Sicht der reformierten Kirche, die ihrem 500-jährigen Bestehen gedenken. Wie stehen aber Katholiken zum Gedenken? Feiern sie die 500 Jahre alte Spaltung der christlichen Kirche ebenso?

Francesca Trento

Die Reformation ist für den vatikanischen Ökumeneverantwortlichen und Schweizer Kurienkardinal Kurt Koch kein Grund zu Feiern. Für ihn zeige die Entstehung protestantischer und reformierter Landeskirchen «nicht den Erfolg, sondern das Scheitern der Reformation».

Die Spaltung der Kirchen sei «das genaue Gegenteil von dem, auf das die Reformation eigentlich aus war», betonte Koch bei der Eröffnung der Vollversammlung des päpstlichen Einheitsrates am 12. November 2016. Und nicht nur das: Die Säkularisierung der Neuzeit sei «eine nicht gewollte, tragische Konsequenz der Spaltung der westlichen Kirche im 16. Jahrhundert».

Ökumene als Chance

Doch nicht alle Katholiken blicken mit Trauer auf das Reformationsjubiläum. Wie der Papst letztes Jahr bewies, steht das Jubiläum nicht für das Wachrufen der Spaltung, sondern für Ökumene und Versöhnung. Dass der Vatikan und der Lutherische Weltbund im schwedischen Lund am 31. Oktober 2016 gemeinsam zum Gedenken der Reformation einluden, war nicht nur eine Premiere, sondern ein starkes Zeichen für Verbindung und Versöhnung.

Papst Franziskus bekräftigte am Treffen in Lund, dass Ökumene nicht nur auf theologischer Ebene geschehen solle. «Oft denken wir, dass die ökumenische Arbeit nur Theologen betrifft», so der Papst. Es gebe aber auch noch eine Ökumene des Gebets und der Nächstenliebe.

Gemeinsamer Aufruf in der Schweiz

Dieser Meinung sind auch die Schweizer Bischofskonferenz (SBK) und der Schweizerische Evangelische Kirchenbund (SEK), die gemeinsam zu mutigen Schritten für mehr Einheit zwischen den Konfessionen aufrufen. Im Jahr 2017 gibt es nämlich neben der 500 Jahre Reformation auch noch etwas Katholisches zu feiern: Den 600. Geburtstag von Niklaus von Flüe. Im Zeichen der Ökumene haben die SBK und der SEK am 1. April zu einem nationalen ökumenischen Gedenk- und Feiertag nach Zug eingeladen.

In ihrer Einladung betonten sie ebenso wie der Papst, dass Ökumene über die theologische Ebene hinausgehe. Die Kirchen trügen die gemeinsame Verantwortung für die Gesellschaft, die sich in zahlreichen Engagements ausdrücke. Etwa in der Spital- und Gefängnisseelsorge, für Asylsuchende in Bundeszentren, in gemeinsamen Erklärungen zum Flüchtlingssonntag und zum Menschenrechtstag sowie in der gemeinsamen Kampagne während der Fastenzeit.

Berührende gegenseitige Entschuldigung

Locher und der Basler Bischof Felix Gmür leiteten den ökumenischen Gottesdienst am Nachmittag des 1. Aprils. Bei diesem kam es zu einer wohl historischen Entschuldigung der Konfessionen. Zu jenem Moment sagte Locher im Nachhinein: «Ob eine Entschuldigung echt ist, spürt man, wenn sie einem gesagt wird. Was mir Bischof Felix gesagt hat, war echt. Offenbar ging es ihm bei meinen Worten auch so. Nur deshalb konnten wir einander umarmen.» Das habe ihn gerührt, wie offenbar auch viele Anwesende.

Die gegenseitige Bitte um Entschuldigung und Umarmung waren «mehr als eine diplomatische Geste», sagte Bischof Felix Gmür auf Anfrage. Sie hätten eine Haltung zum Ausdruck gebracht, die im Dialog der beiden Konfessionen seit Jahren spürbar sei.

Nicht realistisch oder doch möglich?

Doch die Hoffnung auf zukünftige Überwindung der Grenzen zwischen den Konfessionen ist für manche Kirchenvertreter ein Trugschluss. Für Kardinal Kurt Koch ist diese Hoffnung «sicher nicht realistisch», wie er in einem Beitrag der vatikanischen Zeitung «Osservatore Romano» (18.1.2017) schrieb.

Anders sieht es Kochs Vorgänger, der deutsche Kardinal Walter Kasper. Er hält eine Wiedervereinigung der Christen auf absehbare Zeit für möglich. Es werde aber keine Einheitskirche entstehen, «in der alles gleichgestaltet wird, sondern eine Einheit in versöhnter Verschiedenheit», sagte er Ende Januar in Coburg.

Gedenken als Einladung zum Dialog

Kurt Koch sieht im gemeinsamen Reformationsgedenken trotz aller Vorbehalte eine Chance, «weitere Schritte hin zu einer bindenden kirchlichen Einheit» zu machen und den Dialog zu fördern.

Das sieht auch Urban Federer, Abt des Klosters Einsiedeln. Für ihn müssten die Kirchen heute das wiedergutmachen, was damals schiefgelaufen ist. «Für mich ist das Gedenken an die Reformation vor allem der Aufruf zu Dialog», wie er gegenüber kath.ch sagte. (rp)

Entschuldigung am Gedenken war «mehr als eine diplomatische Geste»

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