Theologinnen-Comic motiviert zu Offenheit gegenüber Geschlechterrollen

Bern, 8.3.17 (kath.ch) «Gender» sei für gewisse kirchliche Kreise und darüber hinaus ein Reizwort, finden fünf katholische und reformierte Theologinnen. Deshalb haben sie zum internationalen Frauentag am 8. März die Comic-Broschüre «Let’s talk about Gender» herausgegeben. Aufklärung und Diskussion zum Thema Gender und Religion sei das Ziel, erklärt Mitautorin Regula Grünenfelder gegenüber kath.ch.

Regula Pfeifer

Im ersten biblischen Schöpfungsbericht stehe «rein gar nichts von Frauenrollen und Männerrollen», sagt die junge Frau im Comic. Ihr Kollege fragt: «Und wieso ist das so wichtig für dich?» Sie antwortet: «Weil in Gottes Schöpfung nicht festgelegt ist, was weiblich und männlich ist! Und mir also niemand vorschreiben kann, wie ich als Frau sein soll.» Der Kollege reagiert begeistert: «Yeah». Ein anderer versprüht Herzen für die Kollegin und versieht ihr in Gedanken einen Heiligenschein.

Gender in offener christlicher Form

Die Szene stammt aus der Comic-Broschüre «Let’s talk about gender». Diese kommt zum Internationalen Frauentag vom 8. März heraus. Sie wurde von fünf bekannten Theologinnen initiiert, die in kirchlichen und feministisch-theologischen Organisationen engagiert sind: Regula Grünenfelder von der Frauenkirche Zentralschweiz, Regula Ott vom Schweizerischen Katholischen Frauenbund, Doris Strahm von der Interessengemeinschaft Feministische Theologinnen, Béatrice Bowald von der Feministisch-theologischen Zeitschrift Fama und Maria Oppermann von der Reformierten Kirche Kanton Zug. Den integrierten Comic zeichnete Kati Rickenbach.

«Über das Thema Religion und Gender wird zu wenig gesprochen und publiziert», erklärt Regula Grünenfelder gegenüber kath.ch. Und wenn, dann oft in ablehnender Art. Da werde die Gender-Theorie als «Genderismus» verunglimpft. «Wir aber wollen Gender in seiner offenen christlichen Form aufzeigen», so Grünenfelder.

Als hätte Gott einen Urmann und eine Urfrau geschaffen

Die beschriebene Comic-Szene illustriert, was die Theologinnen nebenan auch textlich kritisch beleuchten. «Die biblischen Schöpfungsgeschichten wurden bis in die Gegenwart zur Durchsetzung weiblicher und männlicher Geschlechterrollen verwendet», heisst es da. Viele Menschen glaubten, dass Frauen und Männer vom Wesen her verschieden seien. Sie interpretierten die Schöpfungsgeschichte so, «als habe Gott einen Urmann und eine Urfrau geschaffen, mit spezifischem Wesen, spezifischen Rollen und heterosexuell aufeinander bezogen.»

Auch die Gegnerinnen und Gegner des Gender-Ansatzes sähen in Adam und Eva nicht nur einen Urmann und eine Urfrau, sondern würden diesen beiden klare Zuschreibungen und Rollen anhängen. Ausserdem würde der Mann über die Frau gestellt – also eine Hierarchisierung zwischen den Geschlechtern vorgenommen.

Jede Form des Menschseins ist «gute Schöpfung»

Doch der erste biblische Schöpfungsbericht legt laut den Theologinnen keine Geschlechterrollen fest. «Aus heutiger Sicht lässt sich sagen, dass alle Ausprägungen des Menschseins auch als gute Schöpfung Gottes zu begreifen sind», schreiben sie und erwähnen dazu eine homosexuelle Neigung oder Menschen mit intersexuellen Merkmalen. Es gebe «die beiden Pole Mann – Frau und dazwischen eine Bandbreite von Ausprägungen», sind die Theologinnen überzeugt.

Die Schöpfungsgeschichte im Alten Testament nimmt eine wichtige Rolle in der Publikation ein. Sie sei für kirchlich geprägte Menschen ein «Schlüsselthema», um über Gender und die Vielfalt der Menschen zu sprechen, sagt Grünenfelder. Deren Interpretation durch Gender-Gegnerinnen und -Gegner mache viele offene und feministisch eingestellte Menschen «sprachlos», so Grünenfelder. Deshalb sei es wichtig, eine offene Interpretation dieser Geschichte bekannt zu machen.

Christliche Befreiungstradition liefert Basis

Die Theologinnen basieren ihren offenen Umgang mit dem weiblichen und männlichen Menschsein auf der christlichen Befreiungstradition. «Die Menschen sind nach jüdisch-christlicher Auffassung zur Freiheit berufen. Also haben sie ihr Menschsein, einschliesslich ihrer Geschlechtlichkeit, in Freiheit zu gestalten», schreiben sie in der Broschüre. Grünenfelder verweist in diesem Zusammenhang auf Bibelstellen, die zur Befreiung aufrufen. Sie nennt «Ihr seid zur Freiheit berufen, Geschwister» (Galaterbrief, Kapitel 5, Vers 13), die Entlassung einer Frau aus dem Sklavenstand (3. Buch Mose 19,20) und die Befreiung von Gefangenen (Lukasevangelium, 4,18).

«Let’s talk about Gender» verknüpft die christlichen mit gesellschaftlichen Anliegen. So kritisiert die Broschüre auch die stereotypen Farbcodes etwa für Mädchen- und Bubenkleider, Diskriminierungen am Arbeitsplatz und die ungleiche Verteilung der Betreuungsaufgaben.

Ausserdem nehmen die Theologinnen den Argumenten der Gender-Gegnerinnen und -Gegnern den Wind aus den Segeln. Die Behauptung etwa, es gehöre zur menschlichen Natur, dass es zwei Geschlechter gebe, kontern sie mit der Bemerkung, das sei ein Alltagsverständnis. Und solche könnten durchaus falsch sein – wie der lange vorherrschende Irrglaube, die Erde sei eine Scheibe, beweise.

Hinweis: Broschüre erhältlich auf www.aboutgender.net


Sex and Gender – Wer definiert Geschlechtlichkeit?

Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

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