Erzbischof von Aleppo kritisiert westliche Syrien-Politik und hofft auf Trump

Wien, 16.11.16 (kath.ch) «Wenn Ihr uns wirklich helfen wollt, dann beendet endlich diesen Krieg und lasst uns Christen weiter in unserer Heimat Syrien leben»: Mit scharfen Worten hat der griechisch-katholische melkitische Erzbischof von Aleppo, Jean-Clement Jeanbart, den News-Portal «Kathpress» in Wien die westliche Syrien-Politik kritisiert.

Die Menschen in Syrien, vor allem auch in Aleppo, würden seit fünf Jahren unvorstellbar leiden. In Aleppo lebten einst 3,5 Millionen Menschen. Jetzt sind es laut Erzbischof Jeanbart noch 1,5 Millionen. Von den 160’000 Christen sind nur mehr 60’000 in der Stadt. Die Stadt ist geteilt in einen westlichen Teil, der von der Regierung und ihren Verbündeten gehalten wird, und den östlichen Teil, in dem die «Rebellen» ihre Stellungen halten. Christliches Leben gibt es nur noch im Westteil.

Die Menschen in der heftig umkämpften nordsyrischen Metropole lebten Tag und Nacht in Angst. Bomben und Granaten könnten jederzeit einschlagen und Tod und Verderben bringen. Die aus der ganzen Welt nach Syrien geströmten Terroristen würden überall, wo sie können, Terror verbreiten, so der Bischof: «Sie haben schon so viele Unschuldige getötet, Männer, Frauen und Kinder.» Die Christen fürchteten sich vor der Zukunft. Dass ihre Kinder unter der Herrschaft eines fundamentalistischen islamistischen Systems leben müssten, sei eine Horrorvorstellung für die Menschen.

Kirchen sollen ihre Stimme erheben

Sein Appell richte sich an die Politik, zugleich aber genauso an die kirchliche Verantwortlichen mit Papst Franziskus an der Spitze, betonte der Bischof. Diese müssten die in den Nahost-Konflikt involvierten Staaten endlich dazu drängen, ihre geopolitischen und wirtschaftlichen Interessen hintanzustellen und sich für die leidenden Menschen vor Ort einsetzen. «Der Westen spricht so oft von Freiheit, Gerechtigkeit, Menschenrechten, sogar für den Tierschutz wird so viel getan. Und uns hier in Syrien vergisst man», kritisierte der Erzbischof.

Warten auf Trump

Jeanbart erläuterte gegenüber «Kathpress», weshalb die Menschen im Nahen Osten den künftigen Präsidenten Donald Trump weit positiver sehen würden als viele im Westen: «Das Positive an Trump: Wir wissen noch nicht, was er zu tun gedenkt.» So gebe es möglicherweise die Chance auf eine künftig bessere Entwicklung. Mit Hillary Clinton wäre wohl klar gewesen, «dass sie die Politik der Zerstörung Syriens fortgesetzt hätte», sagte der Bischof.

Im Syrien-Krieg könne es keine militärische Lösung geben, zeigte sich Jeanbart einmal mehr überzeugt. Die Konfliktparteien müssen zurück an den Verhandlungstisch und Kompromisse eingehen. Freilich räumte der Bischof ein, dass es mit den fundamentalistisch-terroristischen Gruppierungen keine Verhandlungen geben könne, bzw. diese daran auch gar nicht interessiert seien. Moderate Rebellengruppen würde es zum Teil noch geben, diese würden aber kaum noch eine Rolle spielen. Die Situation sei extrem kompliziert und unübersichtlich – ein Dilemma.

Kritik an Aufnahme christlicher Flüchtlinge

Zur Aufnahme christlicher Flüchtlinge aus Syrien äusserte sich der Bischof zurückhaltend. Er sieht darin sichtlich keinen erstrebenswerten Weg. Wenn immer mehr Christen das Land verlassen, sei das ein schwerwiegender Verlust für das Christentum vor Ort und darüber hinaus für die gesamte syrische Gesellschaft, so Jeanbart. Gerade darum brauche es so dringend Frieden.

Die Christen im Land wollten nichts anderes, als mit ihren muslimischen Mitbürgern in Frieden leben. Und die Mehrheit der Muslime wolle das auch, so Erzbischof Jeanbart. So gebe es beispielsweise auch im von Regierungstruppen kontrollierten Westteil von Aleppo keine Auseinandersetzungen zwischen Christen und Muslimen, sagte der Bischof. Jeanbart: «Wir wollen alle in erster Linie Bürger Syriens sein und in einem freien pluralistischen Land leben, in dem Politik und Religion getrennt sind.» Jeder Bewohner, ob Christ, Muslim, Anhänger einer anderen Religion oder ohne Konfession müsse die gleichen Rechte und Pflichten als Bürger besitzen. Das sei die einzig mögliche positive politische Perspektive für Syrien.

Kirche in Aleppo aktiv

Die melkitische Kirche bemühe sich, auf vielfältige Weise zu helfen. So werden tausende Familien mit Nahrungsmitteln und Medikamenten versorgt, Familien aus zerbombten Häusern finden in kirchlichen Einrichtungen Unterschlupf. In Anbetracht des bevorstehenden Winters wird auch wieder ein Hilfsprogramm hochgefahren, mit dem tausende Menschen mit Heizmaterialien versorgt werden.

Die Kirche betreibt auch noch immer eine Reihe von Schulen. Das sei vielleicht das Wichtigste, so Jean-Clement Jeanbart, denn solange man den Menschen vor Ort Bildungsmöglichkeiten für ihre Kinder anbieten könne, bestehe Hoffnung. (kap)

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