«Es lohnt sich, das bunte Gesicht der Kirche zu zeigen»

Aarau, 19.9.16 (kath.ch) Mit mehr als 8000 Besucherinnen und Besuchern hat die erste «Lange Nacht der Kirchen» im Kanton Aargau wohl sämtliche Erwartungen der Veranstalter übertroffen. Das bot den Kirchen auch die Möglichkeit zu zeigen, was unter ihren Dächern alles Platz hat. Für Esther Kuster von der römisch-katholischen Landeskirche Aargau und Projektleiterin Olivia Forrer ist diese Offenheit eine zentrale Botschaft des Anlasses.

Martin Spilker

Welches sind für Sie die bleibenden Eindrücke aus der «Langen Nacht der Kirchen»?

Esther Kuster: Sehr eindrücklich war die grosse Breite der verschiedenen Alters- und Anspruchsgruppen, die teilgenommen haben.

Hätten Sie je mit einer solch grossen Besucherzahl gerechnet?

Olivia Forrer: Nein, ich hätte nie mit einer solch grossen Besucherzahl gerechnet. Wir rechneten mit 4000 und hofften auf 6000. Und jetzt sind es mehr als 8000, also ein riesiger Erfolg.

Worauf führen Sie das zurück?

Kuster: Das lag bestimmt an der Vielfalt der Angebote. Wer das Programm studierte, konnte Anlässe finden, die bei uns eher ungewöhnlich sind, wie Filmvorführungen in der Kirche oder Bastel-Ateliers auch für Erwachsene. Kurz: Das vielfältige Programm war bunt und fröhlich. Das hat angesprochen.

Das Programm war bunt und fröhlich. Das hat angesprochen.

Konnten die Pfarreien den Ansturm gut bewältigen?

Forrer: Soweit ich bis jetzt gehört habe, ging alles gut. Da und dort mussten mehr Tische aufgestellt werden. Kirchturmbesteigungen mussten doppelt so oft angeboten werden, aber auch dann hat es noch nicht für alle gereicht. Und das Essen war teilweise früher ausverkauft als geplant. Aber unsere Kirchen sind ja meist sehr grosszügig gebaut, so dass es für alle überall einen Sitzplatz gab.

Welche Schlüsse ziehen Sie daraus für kirchliche Angebote überhaupt?

Kuster: Es lohnt sich, Neues mit Engagement anzupacken, selber eine offene Haltung zu zeigen und auch pointierte Aussagen zu machen. So stand Gottes Aussage «Ich bin da» über dem Startanlass. Wir haben das weitergeführt und gesagt: Auch die Kirche ist für die Menschen da und wir sind bereit zum Gespräch.

Nun, die Kirche sollte nicht nur bei Grossanlässen für die Menschen da sein…

Kuster: Natürlich, und das ist sie ja auch nicht. Aber in den Köpfen vieler Leute gilt die Kirche als «verstaubt». Hier hat aber ein grosser Wandel stattgefunden, der von vielen Leuten gar nicht wahrgenommen wurde. Das liess sich mit einem solchen Anlass sehr gut zeigen. Umgekehrt ist die Kirche auch immer wieder neu gefordert, offen zu sein.

In den Köpfen vieler Leute gilt die Kirche als «verstaubt».

Forrer: Und ich würde sagen, es lohnt sich die Mühe, das bunte Gesicht der Kirchen zu zeigen. Das festgefahrene und vielleicht schon lange nicht mehr zutreffende Bild der Kirche in den Köpfen einzelner Menschen kann so verändert werden. Es öffnet damit vielleicht dem einen oder andern die Tür, wieder vermehrt den Zugang zur Kirche zu finden und die Angebote zu nutzen.

Solche Anlässe kosten immer auch Geld. Hat sich diese Investition für die Kirchen gelohnt?

Kuster: Dazu muss ich vorausschicken, dass die römisch-katholische und die reformierte Landeskirche ausschliesslich die übergeordneten Projektkosten getragen haben.

Forrer: Die Projektkosten wurden mit 50’000 Franken budgetiert, wir werden diese aber etwas übersteigen. Darin enthalten sind grob gesagt die Projektleitung, die Werbung und die Homepage.

Kuster: Sämtliche Angebote in den Pfarreien und Kirchgemeinden wurden von diesen selber getragen. Und das war für uns die zweite grosse Überraschung: Nicht weniger als 80 Pfarreien und Kirchgemeinden beider Konfessionen haben eigene Angebote auf die Beine gestellt und die damit diese grosse Breite erst möglich gemacht. Das ist nicht selbstverständlich!

Die Pfarreien und Kirchgemeinden scheint also das Thema überzeugt zu haben.

Kuster: Das ist das eine. Dann müssen aber die vielfältigen Ideen auch umgesetzt werden. Und hier können Pfarreien und Kirchgemeinden auf etwas zählen, was im öffentlichen Leben immer mehr verschwindet: Freiwilligenarbeit. Ich behaupte: Ein solcher Anlass ist ohne freiwillige Helferinnen und Helfer gar nicht durchführbar. Und es zeigt mir, dass die vielen engagierten Leute in den Pfarreien selber auch Offenheit bewiesen und sich auf dieses ganz Neue eingelassen haben.

Ein solcher Anlass ist ohne Freiwillige gar nicht durchführbar.

Welches waren die für Sie bedeutendsten Rückmeldungen der Teilnehmenden?

Forrer: Es kamen durchwegs positive Rückmeldungen. Die meisten Kirchgemeinden waren überwältigt von der Anzahl der Teilnehmenden, dem Interesse und dem Engagement. Von daher bin ich mit allen Rückmeldungen zufrieden. Schön war zu lesen, dass es viele neue Gesichter gab, die man sonst weniger in der Kirche antrifft. Auch, dass es viele Jugendliche hatte und dass es gelang, treue und kirchennahe Mitglieder positiv zu überraschen und noch auf eine andere, weitere Art «für die Kirche» zu begeistern.

Dann gibt es auch nächstes Jahr eine «Lange Nacht der Kirchen»?

Kuster: Ich sage es so: Der Erfolg dieser ersten Ausgabe ruft geradezu nach einer Wiederholung. Ob wir schon nächstes Jahr wieder so weit sind, ist noch offen. Wir haben ja auch Anfragen aus anderen Kantonen erhalten. Das Ganze ist also ausbaufähig. Und selbstverständlich geben wir unsere Erfahrungen gerne weiter!

Esther Kuster ist Kommunikationsbeauftragte der römisch-katholischen Kirche im Kanton Aargau

Olivia Forrer hatte die Projektleitung der «Langen Nach der Kirchen»

Weitere Bilder auf der Webseite der «Langen Nacht der Kirchen»

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https://www.kath.ch/newsd/eine-lange-nacht-der-kirchen-oeffnete-viele-tueren/