Westschweizer Kommission für Missbrauchsopfer gegründet

Lausanne, 22.6.16 (kath.ch) Personen, die durch einen Priester oder Seelsorger missbraucht wurden, können sich in der Westschweiz an eine neue Kommission wenden. Die Kommission mit dem Namen «Cecar» soll anhören, schlichten, urteilen und wiedergutmachen. Sie wurde am Dienstag, 21. Juni, in Lausanne den Medien vorgestellt. In der Kommission wird die katholische Kirche durch Bischof Charles Morerod und einen ehemaligen Freiburger Staatsrat vertreten. Gegebenenfalls kann sie auch in der Deutschschweiz aktiv werden.

Maurice Page

«Cecar»steht für «Commission d’écoute, de conciliation, d’arbitrage et de réparation» (Anhörung, Schlichtung, Urteil, Wiedergutmachung, die Red.) Opfer von sexuellem Missbrauch durch Vertreter der katholischen Kirche können sich künftig direkt an diese «neutrale und unabhängige» Kommission wenden. Der erste Kontakt kann über eine Internet-Site hergestellt werden. Nach einem belgischen Modell steht die Kommission auf drei Pfeilern. Ihr gehören zwei Vertreter der katholischen Kirche, zwei Vertreter von Opferorganisationen und drei Vertreter der Zivilgesellschaft an.

Die Kommission soll zuerst die Anerkennung eines Falls sicherstellen. Danach soll über eine Wiedergutmachung entschieden werden, sagte in Lausanne die Präsidentin von Cecar, die Neuenburger FDP-Nationalrätin Sylvie Perrinjaquet.

Vorgeschaltetes Komitee

Opfer sollen von einem dreiköpfigen «Komitee» angehört werden, dessen Mitglieder noch bestimmt werden müssen. Dabei gehe es darum, den Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Das Opfer muss keine Beweise vorlegen. Es muss für die Glaubwürdigkeit einstehen und kann auch über seine aktuelle Situation sprechen. Gegebenenfalls wird der Täter mit der Anschuldigung konfrontiert. Anschliessend kann das Komitee gemeinsam mit dem Opfer einen Lösungsvorschlag erarbeiten. Am Schluss wird der Fall der Cecar übergeben.

Eine finanzielle Gutmachung sei durchaus möglich, sagte in Lausanne Sylvie Perrinjaquet. Diese sei aber nicht der zentrale Punkt des Vorgehens. Die Schweizer Bischofskonferenz hat einen Fonds für Opfer sexueller Übergriffe bereitgestellt, der sich auf 500’000 Franken beläuft. Diese Summe kann angepasst werden, erklärte in Lausanne Bischof Morerod. Den Bischöfen und Ordensgemeinschaften gehe es zuallererst aber einmal darum zu zeigen, dass sie willens seien, das Thema anzugehen und für das entstandene Übel einzustehen.

Mädchen schweigen eher

Die Cecar weigerte sich, Opferzahlen zu nennen. Marie-Jo Aeby von der Westschweizer Vereinigung «Groupe Sapec», die Missbrauchsopfer von religiösen Würdenträgern unterstützt, erklärte, dass nicht nur Knaben zu den Opfern gehörten. Mädchen seien ebenso betroffen, aber zurückhaltender, wenn es darum gehe, den Fall anzuzeigen. Möglicherweise hindere sie ein Schuldkomplex daran.

Der Westschweizer Bischof Charles Morerod ist Opfern begegnet. Auch ein langer Zeitraum mildere die Auswirkungen der Tat nicht, sagte er. «Dieses Leiden geht zurück auf den Missbrauch selber, aber auch auf dessen Leugnung oder das Schweigen der Hierarchie.»

Wenn nötig auch Deutschschweiz

Die Gründung der Cecar hat einen langen Weg hinter sich. Im Jahr 2010 machte die Sapec publik, dass sie unzufrieden sei, wie die Kirche in der Westschweiz mit Missbrauchsopfern umgehe, und schlug darum vor, eine neutrale und unabhängige Kommission zu schaffen. 2012 nahm Bischof Morerod diesen Vorschlag auf und setze sich für dessen Realisierung ein. Heute vertritt er zusammen mit Pascal Corminboeuf, der von 1996 bis 2011 als Parteiloser der Regierung des Kantons Freiburg angehörte, die katholische Kirche in der Kommission.

Diese beschränkt ihre Arbeit auf die Westschweiz. Wenn nötig würde sie ihren Aktionsradius auch auf die Deutschschweiz ausweiten, sagte Cecar-Präsidentin Sylvie Perrinjaquet. Dem Gremium gehören unter anderem ein Arzt und eine Juristin an.

In der Deutschschweiz können Opfer sich an die Fachgremien für sexuelle Übergriffe im kirchlichen Umfeld wenden, welche es in den einzelnen Bistümern gibt (so genannte diözesane Fachgremien). Dies gilt auch für Fälle, bei denen der Täter einem Orden angehört hat.  Giorgio Prestele, Präsident des Fachgremiums sexuelle Übergriffe im kirchlichen Umfeld, sieht die Westschweizer Kommission nicht als Konkurrenz, sondern eine Alternative zum unabhängigen Angebot, das auch die Schweizer Bishofskonferenz unterbreite, wie er an früherer Stelle gegenüber kath.ch ausführte. (cath.ch/gs)

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https://www.kath.ch/newsd/westschweizer-kommission-fuer-kirchliche-missbrauchsopfer-gegruendet/