Kirchen sollen sich jetzt in Service public-Debatte einbringen!

Zürich, 16.6.16 (kath.ch) Wie soll der Service public in Zukunft aussehen und wie können sich die Kirchen in dieser Debatte einbringen? Darüber diskutierten Medienfachleute und Kirchenvertreter am Mittwoch, 15. Juni, im Rahmen der GV des Katholischen Medienzentrums

«Wir stehen vor einer heftigen Debatte!», beginnt Hans-Peter Rohner sein Referat. Rohner ist Vizepräsident der Eidgenössischen Medienkommission (Emek). Es geht um die Frage, wie der Service public in Zukunft definiert und finanziert werden soll. Hintergrund der Debatte sind einerseits die No-Billag-Initiative, welche die Gebühren für die öffentlich-rechtlichen Sender ganz abschaffen will, andererseits steht Ende 2016 ein Entscheid über eine Verlängerung der Konzession der SRG an.

Hinzu kommen laut Rohner diverse Rahmenbedingungen, die sich verändert haben, was den Service public vor neue Herausforderungen stellt: «Etwa zwei Drittel der Tools, die uns im heutigen Alltag heilig sind, gab es vor zehn Jahren noch nicht», so etwa das Smartphone oder Facebook. Auch Google hatte laut Rohner 2006 noch eine wesentlich geringere Bedeutung. Man müsse also davon ausgehen, dass etwa zwei Drittel der Tools, welche die Menschen in zehn Jahren nutzen werden, heute noch nicht bekannt seien.

Veränderte Gewohnheiten der Nutzer

Verändert hätten sich auch die Gewohnheiten, wie Medien genutzt werden: Wo früher der Sendetermin der «Tagesschau» den Zeitpunkt fürs Nachtessen vorgab, bestimmten die Mediennutzer heute dank Internet, Tablet und Smartphone selber, wann sie eine Sendung sehen wollten.

Die heutige Mischfinanzierung des Service public von 75 Prozent Gebühren und 25 Prozent Werbeeinnahmen steht laut Rohner ebenfalls unter Druck: Etwa ein Sechstel der Werbegelder fliesse inzwischen zu internationalen Plattformen wie Google oder Facebook. «Das entspricht einer Milliarde Franken, die nicht mehr an Medien geht, die eine journalistische Leistung erbringen», so Rohner. Insbesondere deshalb schlägt die Emek dem Bundesrat vor, jetzt indirekte Förderungsmassnahmen für den Journalismus zu ergreifen.

Vor diesem Hintergrund stelle sich die Frage: Welches ist für die Schweiz, für alle Landesteile, das ausgewogenste Finanzierungsmodell, damit der Staat seine Aufgabe erfüllen kann, allen eine möglichst grosse Vielfalt an Informationen zur Meinungsbildung bereitzustellen?

Mischfinanzierung mit Begleitmassnahmen

Rohner skizzierte drei Modelle: ein rein duales Rundfunkmodell, das nur auf Gebühren setzt, die aktuell gültige Mischfinanzierung, und ein Modell, bei welchem die SRG demokratierelevante Inhalte produziert und sie interessierten Akteuren zur Verfügung stellt. Die Emek bevorzugt für die Schweiz das Mischmodell, «weil es für die Schweiz am vernünftigsten ist und die geringsten Nachteile aufweist», so Rohner.

Als Begleitmassnahmen müssten aber die Formen der Zusammenarbeit zwischen SRG und privaten Medien neu aufgegleist werden. Ausserdem wünscht die Emek, dass die SRG sich öffentlich an ihren publizistischen Zielen messen lässt.

In der späteren Diskussion wurde Rohner konkreter: «Wenn es bei der heutigen Gebührenordnung von 400 Franken pro Haushalt bleibt, soll die SRG so viel wie heute erhalten, aber keinen Franken mehr», so seine Meinung. Dadurch würde der Spielraum für andere Finanzierungsmöglichkeiten grösser.

Gemeinsamkeiten zwischen Kirchen und Service public

Wie sich die Kirche als öffentlich-rechtiche Organisation zur Frage des Service public stellt, war Thema des Referats von Luc Humbel, Präsident der römisch-katholischen Zentralkonferenz (RKZ). Humbel ging zuerst auf Gemeinsamkeiten von öffentlich-rechtlichen Medien und Kirchen ein: Beide hätten die Aufgabe, die gesamte Gesellschaft zu erreichen. «Dies schliesst eine Leistungserbringung ein, die auch abgelegene Regionen oder Minderheiten berücksichtigt», wofür Radio und Fernsehen ebenso wie der Online-Bereich besonders geeignet seien.

Aus Sicht der Kirchen sei es wünschenswert, dass die öffentlich-rechtlichen Sender ein gutes Angebot an Verkündigung und journalistischen Sendungen zu religiösen Themen anbieten würden, und zwar in allen Landessprachen.

Kirche und Service public stünden aber auch vor ähnlichen Herausforderungen, so Humbel: Beide hätten in den letzten Jahrzehnten ihre Monopolstellung eingebüsst, das Freizeitverhalten habe sich individualisiert, die rechtliche Stellung und die damit verbundene Finanzierung würden zunehmend kritisch hinterfragt. Daher müssten beide in die Qualität ihrer Arbeit und in eine glaubwürdige Kommunikation darüber investieren.

Service public als diakonisches Handeln

Ohne die Frage nach dem «goldenen Mittelweg» zwischen Service public und privater Finanzierung konkret zu beantworten, liess Humbel dennoch durchblicken, dass der Service public wichtig ist: Geografisch und sozial Randständige erreiche man nur, wenn andere bereit seien, dafür mehr zu leisten. «In der Kirche bezeichnet man dieses Wirken als diakonisches Handeln oder finanzielle Solidarität.»

Als «ethische Impulszentren für die Gesellschaft» sei die Kirche auch selber Teil des «Service public», indem sie etwa für Menschenrechte, Frieden oder Bewahrung der Schöpfung einstehe.

Zusammenfassend hielt Humbel fest, dass der Service public für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in der Schweiz unabdingbar sei, jedoch darauf bedacht sein müsse, dass der Anspruch an Qualität gewahrt bleibe. Die Kirchen seien selbst wichtige Leistungserbringer von Service public und gleichzeitig berechtigte «Besteller» solcher Leistungen.

Neue Sendegefässe

In der anschliessenden Diskussion rief Hans-Peter Rohner die anwesenden Kirchen- und Medienvertreter dazu auf, sich proaktiv mit Ideen für neue Sendegefässe einzubringen: «Jetzt ist die Zeit, neue Ideen einzubringen und nicht nur aus der Verteidigungshaltung zu argumentieren.» Das bedeute konkret, mit Politikern in Dialog zu treten, sie etwa zu einem Workshop zum Thema Service public einzuladen. Denn die Politiker seien in dieser Debatte die Entscheidungsträger, aber nicht unbedingt Medienexperten.

Aus dem Publikum meldete sich auch Mariano Tschuor, Mitglied der Medienkommission der Schweizer Bischofskonferenz und der Generaldirektion der SRG, zu Wort, der der Stossrichtung der beiden Referenten beipflichtete. Er outete sich als Befürworter von Gottesdienstübertragungen – «Das gehört zum Humus» – schlug aber eine Differenzierung der Themen vor, die über «Zölibat, Haas und Huonder» hinausgehen müssten. Die Kirchen rief er zu stärkerem Support der Medien auf, denn hier herrsche «grosse Ignoranz», was kirchliche Themen anbelange. (sys)

 

 

Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

https://www.kath.ch/newsd/kirchen-sollen-sich-jetzt-mit-neuen-ideen-in-service-public-debatte-einbringen/