Papst Franziskus gibt Europa «Mut und Zuversicht»

Rom, 6.5.16 (kath.ch) Papst Franziskus hat am Freitag den Internationalen Karlspreis zu Aachen entgegengenommen. Das Karlspreisdirektorium würdigte damit laut der Verleihungsurkunde sein «herausragendes Engagement für Frieden, Verständigung und Barmherzigkeit in einer europäischen Gesellschaft der Werte». An der Zeremonie im Vatikan nahmen unter anderem die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, der spanische König Felipe sowie die EU-Spitzen teil.

Der Vorsitzende des Karlspreis-Direktoriums, Jürgen Linden, sagte bei der Verlesung der Urkunde in der «Sala Regia» des Apostolischen Palasts, Franziskus gebe «Mut und Zuversicht, Europa wieder zu dem Traum zu machen, den wir seit mehr als 60 Jahren zu träumen gewagt haben». Marcel Philipp, Aachens Oberbürgermeister und Vertreter der Stadt, aus der der Karlspreis stammt, beklagte ein aufbrechen des kulturellen und moralischen Fundaments in Europa. Es sei ein «grosses Glück», dass Franziskus ohne einen «Wohlstandsschleier» auf den in Widersprüche verzerrten Kontinent schaue.

Neue Zäune gefährden europäischen Grundgedanken

Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, sagte in einem Grusswort, Europa durchlebe eine «Solidaritätskrise». Der Kontinent laufe Gefahr, das Erbe von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Meinungsfreiheit und grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zu verspielen. «Nationale Egoismen, Renationalisierung, Kleinstaaterei sind auf dem Vormarsch».

Jenen, die «25 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wieder Mauern und Zäune in Europa errichten» wollten, warf Schulz Geschichtsvergessenheit und Realitätsverweigerung vor. Damit gefährdeten sie «eine unserer grössten europäischen Errungenschaften – die Freizügigkeit». Die gemeinsame Wertebasis gerate ins Wanken, so der EU-Parlamentspräsident. «Jetzt ist es an der Zeit für Europa zu kämpfen.»

Papst als Vorbild gelebter Solidarität

Franziskus mache dafür Hoffnung und erteile jenen Regierungschefs eine Lektion in gelebter Solidarität, «die sich weigern, muslimische Flüchtlinge aufzunehmen mit der Begründung, man sei ein christliches Land», sagte Schulz unter Anspielung auf die Aufnahme muslimischer Familien im Vatikan.

Der Präsident der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, sagte, mit zwölf Flüchtlingen aus Lesbos habe der Vatikan gemessen an seiner Einwohnerzahl «mehr Menschen als jedes EU-Land» aufgenommen. Er rief die europäischen Regierenden auf, zum Mut ihrer Vorgänger zurückzufinden.

Den Papst hören und aufwachen

«Ein Rückzug in unsere eigene Behaglichkeitszone ist keine Lösung», so Juncker. Franziskus erinnere daran, «dass wir unsere Verantwortung und unser gewaltiges Potenzial besser ausschöpfen können und müssen – für Flüchtlinge, für soziale Gerechtigkeit, für den Ausgleich zwischen Menschen und Völkern». An die «alten Europäer» appellierte Juncker: «Hört die Stimme von Papst Franziskus, wacht auf!»

Europaratspräsident Donald Tusk lenkte den Blick auf das Kirchenprofil unter Papst Franziskus. Das letzte Ziel von Politik und Religion sei nicht Macht, sondern «die Linderung von Leid und Unheil». Gläubige wie Nichtglaubende brauchten eine Kirche, die niemanden ausschliesse; «eine Kirche, die auf Prunk verzichtet, um den Armen zu helfen; eine Kirche, in ihrer Liebe radikal ist und das Urteilen Gott überlässt». (cic)

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