Von der «Herzensmacht» von Popsongs im Gottesdienst

Zürich, 5.5.16 (kath.ch) Das neue Liederbuch «Rise up Plus» wartet mit 69 neuen Liedern auf, viele davon sind englische Popsongs oder solche zum Lobpreis Gottes, so genannte «Worship-Lieder». Soeben ist die CD mit den neuen Liedern erschienen. Wie klingen diese und wie kommen sie an? kath.ch war an einem «Offenen Singen» zu «Rise Up Plus», organisiert von der evangelisch-reformierten Fachkommission Popularmusik*, und hat sich im Publikum umgehört.

Sylvia Stam

Im Saal im Kirchgemeindehaus der Evangelisch-Reformierten Kirche des Kantons Zürich sitzen vor allem Kirchenmusiker und Organistinnen – Profis also, die sich mit dem neuen Liedgut bekannt machen wollen. Entsprechend voll klingt der Gesang, selbst wenn einige die Lieder zum ersten Mal singen. Flügel, Schlagzeug und E-Gitarre begleiten die Sängerinnen und Sänger abwechselnd oder gemeinsam. Die Lieder klingen mal nach Salsa, mal nach israelischem Volkstanz, dann wieder sind es lyrische Balladen. Füsse wippen im Takt, es wird im Off-Beat geklatscht und vor allem: aus voller Kehle gesungen!

Herzensmacht der Lieder

Kein Zweifel: Die neuen Lieder machen den Anwesenden Spass! Sie haben offensichtlich mit den oftmals englischen Texten ebenso wenig Mühe wie mit den synkopischen Rhythmen (Betonung unbetonter Schläge, Anm. d. Red.). Die Lieder leben oft von Kehrversen und Refrains, Repetitionen wie «Holy, holy, holy» erzeugen eine meditative Stimmung, es ist die Rede von der «Herzensmacht», die in diesen Liedern stecke, und tatsächlich, bei manch einer Ballade sieht man im Geiste beinahe die Feuerzeuge aufflammen.

Wie aber kommt die Musik bei den Menschen an, für die sie gedacht ist, nämlich die Gottesdienstbesucher einer Kirchgemeinde? Die Lieder rüberzubringen, sei nicht immer einfach, sagt Rolf Herter, Leiter eines katholischen Kirchenchors in Baselland, gegenüber kath.ch. «Die Leute singen die Lieder in der Regel gern, auch wenn sie die Rhythmen etwas schwierig finden.» Für ältere Sängerinnen und Sänger sei die englische Sprache allerdings etwas schwierig, weil sie diese nicht in der Schule gelernt hätten.

Zeit lassen

Aus diesem Grund hätten Gemeindemitglieder manchmal etwas «Hemmungen, die Lieder zu singen», bestätigt auch Caroline Marti, Organistin und Kirchenmusikerin in zwei reformierten Kirchgemeinden im Kanton Bern. Einig sind sich die beiden Kirchenmusiker auch darin, dass man den Leuten Zeit geben müsse, um sich an Synkopen und Sprache zu gewöhnen. Als hilfreich habe sich ein Projektwochenende erwiesen, an welchem auch kritische Stimmen von den fetzigeren Liedern hätten überzeugt werden können, sagt Marti. Und Herter ergänzt: «Für einen Rise-Up Gottesdienst braucht man etwa ebenso viel Vorbereitungszeit wie für eine Gounod-Messe!» Aber der Aufwand lohne sich, finden beide Kirchenmusiker, die Leuten hätten schliesslich Freude an den Liedern.

«Alte Klassiker»

Weniger Mühe mit Sprache und Rhythmus haben drei Studenten aus der Region Luzern, denen Popsongs und Worship-Lieder aus Adoray-Gottesdiensten bekannt sind. So lobt etwa Estelle Ehrenzeller (20) die Vielseitigkeit der Musikstile und anerkennt, «dass man sich bemüht hat, jugendlichen Schwung hineinzubringen». Sie bezweifelt allerdings, ob diese Lieder tatsächlich Jugendliche und junge Erwachsene «so richtig begeistern können», wie sie gegenüber kath.ch sagt. Dazu seien sie ihr zu wenig modern.

Ähnlich klingt es bei Johannes Tschudi (21), für den die Lieder der Neuauflage «nicht mehr dem heutigen Stil entsprechen». Dennoch haben ihn einige Lieder angesprochen, etwa jene aus der irischen Messe: «Zwischen urtümlichen Kirchengesangbuchversionen von Kyrie und Gloria oder aber Messen von Bach und Schubert gibt es nämlich bislang nicht sonderlich viel», sagt der Student gegenüber kath.ch. Auch für Lukas Robers (23) vermittelt diese Messe «ein Gefühl von Geborgenheit». Robers, der auch selber in der Kirche Klavier und Orgel spielt, hat sich auch sehr über ein paar schöne Lobpreislieder gefreut, selbst wenn es «schon alte Klassiker sind». Insgesamt bezweifelt er aber grundsätzlich, ob ein «starres Singbuch in unserer schnelllebigen Zeit mit den aktuellen Entwicklungen mithalten kann».

Nicht nur für junge Leute

Die Studenten bestätigen damit, was sich bereits im Titel der Neuauflage ausdrückt: War die erste Auflage von «Rise Up» noch als " Liederbuch für junge Leute» konzipiert, richtet sich die Neuauflage nicht mehr explizit an Junge. Dass auch «Rise up Plus» zum Erfolg werden könnte, zeigt der Verkauf von über 5000 Exemplaren seit November 2015. (sys)

Hinweis: Die Fachkommission Popularmusik bietet auch eine Internetplattform zum Austausch von musikalischen Materialien (Chor- und Klaviersätze, Leadsheets, Arrangements etc.) an.

Neuauflage von Rise up: Viel Pop und Lobpreis, aber kein Liebesgeflüster

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