Filmpreisträgerin Işik: «Die in ‹Köpek› erzählten Ereignisse sind Realität»

Zürich, 21.3.2016 (kath.ch) Mit dem Film «Köpek», der letzte Woche den Schweizer Filmpreis erhielt, hat die Regisseurin Esen Işik den Blick auf die türkische Gesellschaft eröffnet. Sie nimmt im Interview mit kath.ch Stellung zum Preis, zu ihrer Freude über die Filmförderung der katholischen Kirche und zur Flüchtlingswelle in der Türkei.

Charles Martig

Was bedeutet Ihnen der Schweizer Filmpreis für den besten Spielfilm und die beste Hauptdarstellerin?

Esen Işik: Ich bin stolz darauf. Allerdings ist dies nicht mein erster Filmpreis in der Schweiz. Bereits für zwei meiner Kurzfilme wurde ich in früheren Jahren ausgezeichnet. Dass nun aber gerade «Köpek» ausgezeichnet wurde, der in der Türkei spielt, gibt mir Hoffnung für die Zukunft.

Sind Sie sich bewusst, dass Ihr Film auch von der katholischen Kirche gefördert wurde?

Işik: Natürlich, bereits mein Kurzfilm «Vaterdiebe» wurde von der Katholischen Kirche im Kanton Zürich unterstützt. Es bedeutet mir sehr viel, dass auch «Köpek» einen finanziellen Beitrag bekommen hat. Für uns Filmschaffende kann ich sagen, dass jeder Rappen zählt. Für mich ist dies eine sehr schöne Form der Anerkennung, die mir Freude bereitet.

Wie waren die ersten Reaktionen des Publikums auf Ihren Film?

Işik: Das Publikum hat sehr positiv darauf reagiert. «Köpek» hatte seine Première am Zurich Film Festival und wurde dort im Herbst letzten Jahres gut aufgenommen. Auch die Türken in der Schweiz reagierten positiv auf den Film, obwohl er sich stark mit Gewalt in der türkischen Gesellschaft auseinandersetzt.

Für das Schweizer Publikum ist ihr Blick auf die türkische Gesellschaft sehr interessant. Es geht um Verlust an Freiraum und Gewalt an Frauen, Kindern und Transmenschen. Wie wichtig ist Ihnen dieser soziale Realismus?

Işik: Es handelt sich bei den erzählten Ereignissen um Realität. Ich lebe in zwei Ländern gleichzeitig. Die Schweiz ist für mich Heimat geworden. Trotzdem bin ich an der politischen Entwicklung meiner zweiten Heimat, der Türkei, sehr interessiert, denn dort lebt meine Familie. Es handelt sich im Film um Themen wie Frauen, Sexualität und Gleichheit, die mich schon lange beschäftigen. Ich habe bereits Kurzfilme in der Türkei gedreht und kenne darum die Situation sehr genau.

Wegen der Flüchtlingskrise ist die Türkei für Europa und für die Schweiz ein sehr wichtiges Land geworden und bekommt deswegen eine hohe Aufmerksamkeit in den Medien. Wie schätzen Sie die Flüchtlingssituation dort ein?

Işik: Die Situation ist sehr schwierig. Seit mehreren Jahren gibt es sehr viele Flüchtlinge aus Syrien. Es sind in der Zwischenzeit zwischen zwei und drei Millionen Menschen, die in die Türkei geflohen sind. Sie leben im Elend unter sehr schweren Bedingungen. Es ist klar, dass die Türkei in den Fokus der Medien gelangt ist und wegen der Flüchtlingskrise wichtig geworden ist. Aber ich glaube nicht, dass die türkische Regierung die richtige Flüchtlingspolitik betreibt.

Wie verändert sich die türkische Gesellschaft durch die Flüchtlingswelle?

Işik: Durch den lang andauernden und ständigen Druck auf die Gesellschaft ist die Bevölkerung traumatisiert. Nun kommt noch die Flüchtlingskrise hinzu. Es leben viele Frauen, Kinder und Männer auf der Strasse. Die Bevölkerung kann Ihrer Wut keinen Ausdruck geben. Dadurch kommt es zu Gewalt gegen Flüchtlinge. Vor allem die unteren Bevölkerungsschichten stehen unter Druck und es kommt zu rassistischen Ausfällen. Es gibt auch Kinderarbeit und andere Fehlentwicklungen. Über diese Schattenseiten wird nicht berichtet. Die negativen Folgen für die türkische Gesellschaft werden einfach ausgeblendet.

Wie steht es mit den Kindern und Jugendlichen?

Işik: Von den Kindern der Flüchtlinge gehen nicht einmal 3 Prozent in die Schule. Ich glaube nicht, dass sie eine Zukunft in der Türkei haben. (cm)

Von Kirche geförderter Film «Köpek» gewinnt Schweizer Filmpreis

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