SRG-Chef de Weck: Schmerzhafte Schnitte im Bereich Religion nötig

Freiburg i.Ü., 27.11.15 (kath.ch) Der Generaldirektor des öffentlich-rechtlichen Radio und Fernsehens, Roger de Weck, brach an einer Podiumsdiskussion am Mittwoch, 25. November, in Freiburg, eine Lanze für die Religionssendungen in den Sendeanstalten der SRG. Es sei aber unter grossen Schmerzen entschieden worden, solche Sendungen in der Westschweiz zu streichen, sagte der SRG-Generaldirektor in der Diskussion, an der auch der Bischof von Basel teilnahm.

Georges Scherrer

Die Podiumsdiskussion schloss die Interdisziplinäre Ringvorlesung mit dem Titel «Wozu Religion? – Die Rolle des Glaubens in Kultur und Gesellschaft heute» ab. Organisiert wurde diese von Daniel Bogner, Professor für Moraltheologie und Ethik an der Universität Freiburg, und Markus Zimmermann, Titularprofessor im selben Fachbereich und Präsident der Leitungsgruppe des Nationalen Forschungsprogramms «Lebensende», das der Schweizer Nationalfonds in Auftrag gegeben hat.

Daniel Bogner bezeichnete gegenüber kath.ch die Ringvorlesung als einen Erfolg, deren Abschluss die Podiumsdiskussion mit prominenten Gästen bildete. Eine Woche vor deren Durchführung war bekannt geworden, dass die SRG SSR in der Westschweiz drei Religionssendungen aus dem Programm werfen will. An der Diskussion konnte der Generaldirektor der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG SSR), Roger de Weck, Stellung nehmen, was er auf Intervention aus dem Publikum hin auch tat.

Stimme der Kirchen: ein Gegengewicht

Wie Daniel Bogner gegenüber kath.ch ausführte, bezeichnete sich der SRG-Generaldirektor auf dem Podium als «überzeugten Kultur-Katholiken», der gerade in den gegenwärtigen gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen, die von Radikalisierung und Fundamentalismus geprägt seien, die Stimme der Religionen, insbesondere die Stimme der Katholischen Kirche sehr schätze und sie vermissen würde gäbe es sie nicht. Gegenüber den «Jusqu’au-boutistes» (»Bis zum Ende Gehenden», die Redaktion), den Fundamentalisten und den radikalen Populisten in der Politik, die das Projekt einer Befriedung und Kooperation in Europa nach 1945 in Frage stellten, sei diese Stimme der Kirche nötig.

Ihr besonderer Beitrag sei es gemäss de Weck, eine Logik der Zweckfreiheit in einer gerade ökonomisch vollkommen durchrationalisierten Welt anzubieten. Die Wiederherstellung zweckfreier Werte gegenüber dem Imperativ immer grösserer Beschleunigung sei der Beitrag der Religion, der Kirchen, der sie unverzichtbar mache.

Bischof Gmür: Eine Alternative?

Bischof Felix Gmür erklärte auf dem Podium, die Frage der Veranstaltung «Wozu Religion?» irritiere ihn. Denn sie unterstelle, es gäbe eine Alternative. Aber Religion ist alternativlos, bemerkte der Bischof. Die Religion bestehe, weil Menschen sie praktizierten. Diese Praxis habe einen hohen Wert. Sie könne Gemeinschaft stiften und dem Menschen die Kompetenz zur Sinnstiftung vermitteln.

Qualitätsjournalismus in religiösen Angelegenheiten

Auf dem Podium hatte auch Karen Horn Platz genommen. Sie schreibt für die Frankfurter Allgemeine Zeitung und gilt als Vordenkerin des Liberalismus. Sie warf die Frage auf, warum Religionssendungen überhaupt öffentlich-rechtlich gefördert und in der SRG sein müssten und nicht privat finanziert per Internet stattfinden könnten. De Weck hob zu einer deutlichen Verteidigung des Sendeplatzes für Religionssendungen in der SRG SSR an: In einem kleinen Markt wie dem der Schweiz, der zudem viersprachig aufgesplittert sei, könne Qualitätsjournalismus auch in religiösen Angelegenheiten nicht stattfinden, wenn er ins Private abgedrängt würde. Als Beispiel nannte er die Sendung «Sternstunde». Deshalb sei er vehement für die Beibehaltung von religionsbezogenen Sendungen im öffentlichen Radio und Fernsehen.

Aus dem Publikum kam die Frage nach den gestrichenen religiösen Sendungen für die Westschweiz. Roger de Weck betonte, dass er und die SRG das nur unter grossen Schmerzen entschieden hätten. Aufgrund des geforderten Sparvolumens von 40 Millionen Franken müssten alle Unternehmensteile und auch Programmsparten ihren Anteil erbringen.

Theologie als Übersetzerin

Ein sehr gutes Fazit zieht der Freiburger Moraltheologe Daniel Bogner aus der Ringvorlesung. Diese habe gezeigt, dass es ein echtes Suchen danach gebe, was die Religionsgemeinschaften und Kirchen in den gegenwärtigen Herausforderungen für Gesellschaft und Politik beitragen könnten. Ihre Stimme und ihr Wirken, das mehr als nur Diskurs und Argument sei, seien gefragt und würden geschätzt. Das gelte etwa für Fragen bezüglich der Migration und Bioethik und auch für die Frage nach einer nachhaltigen und gerechten Entwicklung des Schweizer Wohlstandsmodells.

Es sei aber auch klar, so der Moraltheologe gegenüber kath.ch: «Die Kirche darf sich nicht in ihre eigene Milieupflege eingraben. Sie muss den Dialog mit anderen Stimmen und Akteuren auf Augenhöhe suchen und kompetent führen.» Das habe auch eine Konsequenz für die Theologie, so Bogner: Ihr Platz sei mitten in der Gesellschaft, als eine Übersetzerin zwischen Kirche und Öffentlichkeit, in beiden Richtungen. Wenn sie diese Rolle annehme, müsse man sich um ihre Zukunft keine Sorgen machen. (gs)

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