Menschenrechte und Kohlehandel: Hilfswerke schauen Schweizer Rohstoffhändler Vitol auf die Finger

Bern, 24.8.15 (kath.ch) Die kirchlichen Hilfswerke Brot für alle (BFA) und Fastenopfer lassen nicht locker, wenn es um die Verantwortung für Menschenrechte und Umwelt von Schweizer Unternehmen im Ausland geht. Nach dem Rohstoffkonzern Glencore nehmen sie nun mit Vitol eine Firma ins Visier, die ausschliesslich mit Rohstoffen handelt. Am Montag, 24. August, präsentierten die beiden Hilfswerke eine Fallstudie zum Menschenrechtsansatz der Firma mit Sitz in Genf, die zu den weltweit fünf grössten Kohlehändlern zählt.

Barbara Ludwig

BFA und Fastenopfer beschäftigten sich seit Jahren mit dem Rohstoffabbau, erinnerte Beat Dietschy, BFA-Zentralsekretär, denn dieser tangiere die Existenz von Menschen. Zwar habe der Bergbau hierzulande nur eine geringe Bedeutung. Weil aber Firmen wie Vitol ihren Sitz in der Schweiz hätten, betreffe er auch unser Land, sagte Dietschy an der Pressekonferenz in Bern.

Vitol ist nach Angaben der Hilfswerke mit 254 Milliarden Franken Umsatz (2014) der umsatzstärkste Konzern der Schweiz. Er handelt hauptsächlich mit Erdöl, aber auch mit anderen Rohstoffen wie Erdgas und Kohle. Um den Abbau von Kohle geht es denn auch in der Studie, die die südafrikanische Bench Marks Foundation zusammen mit BFA erstellte. Wenn jemand «Kohle» mache mit der Kohleförderung, müsse man «hellhörig» werden und überprüfen, wie es um die Beachtung der Menschenrechte stehe, sagte Dietschy.

Öffentlichkeit sensibilisieren für Konzernverantwortungsinitiative

Laut dem BFA-Zentralsekretär braucht es eine öffentliche Diskussion zu dem Thema. Man wolle anhand eines konkreten Beispiels die Öffentlichkeit sensibilisieren für die Anliegen der bereits im April lancierten Konzernverantwortungsinitiative, sagte Urs Walter, Mediensprecher von Brot für alle, gegenüber kath.ch. Bereits sei rund die Hälfte der erforderlichen Unterschriften beisammen. Die Initiative fordert, dass Unternehmen mit Sitz in der Schweiz zur Rechenschaft gezogen werden können, wenn sie oder ihre Subunternehmen verantwortlich sind für Umweltschäden oder Menschenrechtsverletzungen im Ausland.

Vitol arbeitet in Südafrika mit Coal of Africa Limited (Coal), einem australischen Kohleabbau-Unternehmen zusammen. Mit Coal habe die Genfer Firma einen exklusiven Exportliefervertrag abgeschlossen, hiess es an der Pressekonferenz. Dies sei einer der Auslöser dafür gewesen, sich mit Vitol zu befassen, so Walter gegenüber kath.ch.

Kohleabbau gefährdet Umwelt und das Recht auf Wasser

Wie John Capel, Direktor der Bench Marks Foundation, vor den Medien darlegte, spielt der Kohleabbau eine sehr wichtige Rolle in Südafrika, das die fünftgrössten Kohlevorkommen der Welt beherbergt. Er wirkt sich in verschiedener Hinsicht negativ auf die Umwelt aus: Durch die Sprengmittel werde Methan und Kohlenmonoxid freigesetzt. Hinzu kämen starke Veränderungen der Landschaft durch den Tagebau. Weil diese wirtschaftliche Tätigkeit mit einem hohen Wasserverbrauch gekoppelt sei und das Wasser zudem verschmutze, werde das Recht auf Wasser der lokalen Bevölkerung beeinträchtigt. Und das in einem Land, das ohnehin unter Wasserknappheit leide.

Die Studie «Vitol and coal trading» untersucht den Menschenrechtsansatz des Genfer Kohlehändlers und seines Zulieferers Coal anhand der UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (UNGP). Diese Prinzipien definieren die Sorgfaltspflicht von Unternehmen im Bereich der Menschenrechte.

Bevölkerung nicht über negative Folgen informiert

Die Studie beurteilt die Anstrengungen von Vitol in Südafrika für ungenügend. Bei zwei Minenprojekten habe kein «angemessener Konsultationsprozess» mit der lokalen Bevölkerung stattgefunden, sagte Yvan Maillard Ardenti, Fachperson Ethisch Wirtschaften bei BFA. Das heisst konkret, die einheimische Bevölkerung wurde nicht über mögliche negative Auswirkungen des Kohleabbaus informiert. Sowohl die derzeit geschlossene Vele Mine als auch das Makhado-Minen-Projekt sind in einer Gegend mit hoher Wasserknappheit in der Provinz Limpopo angesiedelt. Bauern und Umweltorganisationen bekämpfen beide Projekte. Beide Minen gefährden laut Maillard verschiedene Menschenrechte, unter anderem das Recht auf Wasser und das Recht auf Gesundheit.

Vitol sei auf eine Einladung der Hilfswerke, die Resultate der Studie zu diskutieren, nicht eingegangen und habe einen im Mai zugestellten Fragebogen nicht ausgefüllt, hiess es an der Pressekonferenz. Jedoch habe das Unternehmen am vergangenen Freitag, 21. August, mit einem Brief an BFA reagiert. Die Antwort der Firma und die Beurteilung durch die Hilfswerke divergieren in verschiedenen Punkten, sagte Maillard. So beteuerte Vitol, keinen Einfluss auf Coal zu haben, während die Studie zu einem gegenteiligen Schluss kommt. Sie empfiehlt Vitol, einen umfassenden Menschenrechtsansatz zu entwickeln.

Nationalrätin Meier-Schatz: Druck durch NGO’s gerechtfertigt

Lucrezia Meier-Schatz, Nationalrätin (CVP/SG) und Präsidentin des Stiftungsforums des Fastenopfers, erinnerte daran, dass die beiden Hilfswerke auch Glencore unter Druck gesetzt hatten. Der Konzern habe unterdessen darauf reagiert. Druck durch NGO’s sei zulässig im Bereich Menschenrechte, so Meier-Schatz. Warum interessieren sich die Hilfswerke jetzt für Vitol? Die Nationalrätin machte darauf aufmerksam, dass in der Provinz Limpopo, in der die Minen von Coal liegen, 60 Prozent aller Nahrungsmittel von Südafrika produziert werden. «Das darf nicht gefährdet werden.» Wie sich Afrika künftig ernähren werde, sei eine grosse Herausforderung.

Beim Thema «Unternehmen und Menschenrechte» hält die Nationalrätin nichts vom Prinzip «Freiwilligkeit». Menschenrechte könne man beliebig verletzen, «es passiert nichts». Unternehmen müssten deshalb gesetzlich zur Einhaltung der Menschenrechte verpflichtet werden. Es dauere schlicht zu lange, bis Standards auf freiwilliger Basis etabliert seien. Warten auf Einsicht der Konzerne im Rohstoffsektor auf Kosten von Menschen und Umwelt sei nicht angebracht, findet Meier-Schatz. «Es ist unsere Aufgabe als NGO, den Druck aufrecht zu erhalten.» Es gehe um Gesundheit, Ernährung und um die «Reputation unseres Landes». (bal)

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