Zu Fuss nach Rom – für ein Miteinander von Mann und Frau in der Kirche

Zürich, 22.4.15 (kath.ch) Lea Stocker (35) wird im Mai 2016 zu Fuss nach Rom pilgern. Sie gehört zur vierköpfigen Kerngruppe der Bewegung «Kirche mit den Frauen». Diese will Papst Franziskus persönlich ihr Anliegen überbringen, dass Frauen und Männer in der katholischen Kirche gemeinsam und geschwisterlich entscheiden sollen.

Sylvia Stam

Lea Stocker, warum pilgern Sie mit drei weiteren Personen nach Rom?

Stocker: Es ist unser Anliegen, dass Frauen in der Kirche gleichwertig behandelt werden und dass die Geschwisterlichkeit von Männern und Frauen zum Tragen kommt. In der katholischen Kirche gibt es ein Gefälle zwischen den Geschlechtern: Nur Männer haben das Sagen, sind in Entscheidungsgremien der Kirche. Das ist eine Situation, die in unseren Breitengraden nicht mehr glaubwürdig ist. Das entspricht im Verständnis unserer Pilgergruppe auch nicht dem Geist von Christus.

Geht es Ihnen um das Frauenpriestertum?

Stocker: Das Frauenpriestertum ist explizit nicht in unserem Fokus, sondern es geht uns um die grundlegendere Frage der Geschwisterlichkeit und Gleichwertigkeit von Männern und Frauen. Wir wünschen uns einen Dialog zwischen den Geschlechtern über die Rolle der Frauen in der Kirche. Die Entscheidungen hierüber und über andere wichtige Fragen innerhalb der Kirche sollen nicht mehr nur von Männern getroffen werden. Wir sehnen uns nach einem Paradigmenwechsel, der Auslöser für weitere Veränderungen sein kann.

In welcher Form wollen Sie Papst Franziskus diese Anliegen überbringen?

Stocker: Wir hoffen, dass wir sie dem Papst persönlich überbringen können. Wir werden ihm demnächst einen Brief schicken, in dem wir unsere Hoffnung äussern, ihm begegnen und mit ihm Gottesdienst feiern zu können. Zum anderen träumen wir davon, dass Tausende mit uns auf dem Petersplatz für dieses Anliegen eintreten werden.

Was erhoffen Sie sich konkret von einer solchen Begegnung?

Stocker: Es wäre schön, ihm unser Anliegen schildern zu können, dass Frauen und Männer gemeinsam in der Kirche entscheiden sollen. Wir wollen nicht fordern, sondern eine Sehnsucht überbringen. Es ist eine Gebetshaltung, wir zeigen uns verletzlich und ohnmächtig. Wir hoffen, damit einen Raum zu öffnen für etwas wirklich Neues. Natürlich hoffen wir, dass Franziskus dann etwas in Bewegung setzt. Sein grosses Anliegen ist es ja, den Geist des Evangeliums zu leben.

Ihr Anliegen ist nicht neu. Was ist das Einzigartige an Ihrem Projekt?

Stocker: Dass wir den Fokus von der Amtsfrage und vom Frauenpriestertum abwenden und uns der grundlegenderen Frage nach dem Dialog und der Geschwisterlichkeit zwischen den Geschlechtern zuwenden. Und dass wir nicht primär eine politische Haltung, sondern eine Gebetshaltung einnehmen. Das ist auch eine Form der Nachfolge Jesu.

Gibt es Zusammenarbeit mit anderen Organisationen, die Ihr Anliegen teilen?

Stocker: Wir sind dran, uns an kirchliche und weltliche Organisationen zu wenden mit der Frage, ob sie uns ideell oder im Gebet unterstützen. Der Schweizerische Katholische Frauenbund, das Bistum St. Gallen, der Verein Tagsatzung und die Schweizer Jesuiten haben uns ihre Unterstützung bereits zugesichert.

Was heisst ideelle Unterstützung?

Stocker: Der Name der Organisation wird auf unserer Homepage erscheinen. Wir freuen uns aber auch über weitere Formen des Mittragens, sei dies im Gestalten von Anlässen in der eigenen Pfarrei, indem man ein Stück mitpilgert, eigene Strecken pilgert, am 2. Juli 2016 auf dem Petersplatz in Rom für das Anliegen einsteht oder in Form von Geldspenden. Wir hoffen, dass der Pilgermarsch ein Anstoss ist, dass das Anliegen auch noch von anderen weitergetragen wird.

Wie wird das Projekt medial begleitet?

Stocker: Am Mittwoch, 22. April, gelangen wir mit einem Communiqué an säkulare und kirchliche Medien. Ab dem 2. Mai wird auf unserer Homepage wöchentlich ein Impuls zum Thema erscheinen, den namhafte Persönlichkeiten schreiben. So werden sich beispielweise die Theologinn Franziska Loretan, Alt-Abt Martin Werlen, Jesuitenprovinzial Christian Rutishauser, Bestsellerautor Pierre Stutz, Herbert-Haag-Preisträger Klaus Mertes und viele andere zu Wort melden.

Wie viele Kilometer laufen Sie?

Stocker: Etwa 1’000 km. Wir laufen am 2. Mai in St. Gallen los, nach eine feierlichen Gottesdienst in der Kathedrale. Die ersten acht Tage kann man uns begleiten, bis nach Zillis GR. Von dort aus gehen wir zu viert weiter über die Alpen. Von Siena bis Rom kann man in verschiedenen Etappen wieder mitlaufen.

Wo übernachten Sie?

Stocker: Dort, wo andere mitlaufen, wird die Übernachtung organisiert. Wo wir zu viert laufen, lassen wir uns pilgernd auf das ein, was sich ergibt. Wir haben Matte und Schlafsack dabei, jedoch kein Zelt. Die anderen drei sind ja bereits so nach Jerusalem gepilgert und haben Erfahrung mit dieser Art des Unterwegsseins.

Wie kommen Sie als Ärztin dazu, bei einem solch religiösen Projekt mitzumachen?

Stocker: Als weltoffene Christin ringe ich oft damit, dass unsere Kirche den Menschen den Zugang zu Gott eher erschwert als erleichtert, ich schäme mich dafür. Dabei hätte die Kirche so viel zu geben, wenn sie sich auf ihr Wesentliches besinnen würde. Ich möchte lieber etwas ändern als austreten. Als Ärztin interessiert mich der Zusammenhang zwischen Heilung und Spiritualität, sie überschneiden sich zumindest teilweise. Ich glaube, diese Dimensionen werden für viele Menschen wieder wichtiger, es braucht deshalb einen offenen, seriösen, von fundamentalistischem oder esoterischem Beigeschmack beifreiten Diskurs darüber, übrigens auch in der akademischen Welt. Ich hoffe, dieses Projekt leistet einen Beitrag dazu. (sys)

Hinweis: Homepage des Projekts Kirche mit den Frauen: www.kirche-mit.ch

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