Bürglen: Eine Pfarrei im Ausnahmezustand

Bürglen UR, 27.2.15 (kath.ch) Das überzeugende «Vater Unser» an der Kirchgemeindeversammlung vom Donnerstag, 26. Februar, in Bürglen und ein spontaner Applaus für Pfarrer Wendelin Bucheli zeigen: Die Pfarrei steht hinter ihrem Pfarrer und dem Kirchenrat. Ein Einblick in die von den Medien belagerte Versammlung und Stimmen aus dem Publikum.

Regula Pfeifer

«Vater unser im Himmel…». Der Chor der Kirchbesucher tönt klar und entschlossen. Alle stehen, jeder hält die Hand seines Banknachbarn. Wie ein einig Volk von Kirchenbrüdern und Kirchenschwestern wirkt das Gebet, das durch den Kirchenraum hallt. «Wir sind eine Pfarreifamilie und glauben an Gott, der uns täglich führt», hat Pfarrer Wendelin Bucheli die Anwesenden eben zu diesem Gebet motiviert. Danach erhebt er beide Arme und segnet die Gemeinschaft: «Gott segne euch, in euren Familien, in euren Beziehungen.»

Ebenso stark wirkte zuvor der Applaus für den Pfarrer, der spontan ausbrach und lange anhielt, als der Medienverantwortliche des Bürgler Kirchenrats wie nebenbei bemerkte: «Noch ist Pfarrer Bucheli bei uns».

Präsident des Grossen Landkirchenrats: Urner wollen selber entscheiden

«Wir Urner sind uns gewohnt, selber zu entscheiden, das hat bei uns Tradition», sagt Hans Gisler und fügt hinzu: «Auch die frühen Christengemeinden haben ihre Gemeindeältesten jeweils selbst gewählt und beauftragt.» Der Präsident des Grossen Landeskirchenrats des Kantons Uri, der Vereinigung der Kirchgemeinden, ist zur ausserordentlichen Kirchgemeindeversammlung in Bürglen gereist, um sich vor Ort ein Bild zu machen. Er will seine Meinung rein privat verstanden haben, als er nach der Kirchgemeindeversammlung zu den Medienvertretern spricht. «Die Landeskirche Uri mischt sich nicht in pastorale Angelegenheiten ein. Das ist Sache des jeweiligen Kirchenrates und der Bistumsleitung!» erklärt er.

Die monarchistische Führungsstruktur der Kirche entspreche nicht dem Urner Wesen, fügt Gisler an. In Uri würden seit je her die Kirchgemeinden den Pfarrer einstellen und entlöhnen sowie für den Unterhalt von Kirchen und Kapellen aufkommen. «Wir Urner mögen nicht, wenn sich jemand über unsere Köpfe hinweg in unsere Angelegenheit einmischt.» In Uri verstehe niemand, weshalb der Bischof über die Anstellung des Pfarrers bestimmen wolle, ohne sich vorher mit den in den Kirchgemeinden dafür zuständigen Behörden abzusprechen. Gisler betont aber, normalerweise funktioniere die Zusammenarbeit mit der Bistumsleitung. Diese mache ja mit der Erteilung der Missio die Arbeit der Seelsorger in den Pfarreien möglich.

Gislers Ärger über das Vorgehen des Bistums Chur in Bürglen ist deutlich spürbar. Aber er will die Versöhnungsgeste, die der Bürgler Kirchenrat an dieser Versammlung in Richtung Chur gemacht hat, nicht stören, sondern unterstützen. Es sei gut und richtig, dass die Bürgler den Dialog mit Chur suchten, sagt er.

Interviews in der Kirche

Gisler ist einer der wenigen, die sich an diesem Abend den Medien gegenüber äussern. Die meisten Besucher sind bei der Ankunft an den hell erleuchteten Aussenwänden vorbei um die Ecke geschlüpft, haben Medienfragen kopfschüttelnd abgewehrt, sind in die Kirche verschwunden und haben sich in die Bänke neben Bekannte gesetzt. Und am Schluss sind sie ebenso schnell wieder aus der Kirche verschwunden. Nur vereinzelte Grüppchen diskutieren später draussen unter sich. Auch an der Diskussionsrunde, die nach den Ausführungen Peter Vorwerks eröffnet wird, meldet sich nur eine einzige Frau, Claudia Gisler.

Sie ist in der Pfarrei als Kommunionshelferin und im Team des Familiengottesdienstes aktiv. «Es ist schwierig für uns in der Pfarrei», sagt sie im anschliessenden Gespräch mit kath.ch in der Kirche, «wir sind im Ausnahmezustand.» Sie habe viel Schönes erlebt in der Kirche. «Aber das wird jetzt arg erschüttert durch das Verhalten des Bischofs.» Sie hätten über einen Kirchenaustritt diskutiert. Eine ihrer Bekannten hat diesen Schritt gemacht, eine andere zieht ihn in Erwägung und wartet nur ab, wie der Konflikt ausgeht. «Aber als der Pfarrer sagte, das sei nicht der richtige Weg, sind wir zurückhaltender geworden», erzählt Gisler. Sie selbst ist nun überzeugt: «Wir müssen miteinander den Weg gehen, gemeinsam sind wir stark.» Ebenso wie der Kirchenrat hofft Gisler auf Versöhnung. «Es gibt so viele Kriege auf der Welt. Aber diesen Konflikt hier könnte man lösen.» Hinter der Segnung des Lesbenpaares steht sie voll und ganz. Es sei schön, dass der Pfarrer dem Wunsch der beiden Frauen nachgekommen sei ohne Angst vor allfälligen Konsequenzen.

Auch andere Mediengespräche finden in der Kirche statt. SRF interviewt Peter Vorwerk, Journalistinnen der welschen Zeitungen «La Liberté» und «Le temps» haben andere Gesprächspartner, der SDA-Journalist tippt seinen Bericht in den Laptop. Ein Ausnahmezustand fürwahr für eine kleine Kirchgemeinde. Kein Wunder sorgen sich ihre Mitglieder, ob auch der Weisse Sonntag und die Firmung stattfinden würde. Doch der Kirchenrat entwarnt. Alles laufe wie geplant, nur bei besonderen Anlässen, etwa Hochzeiten, könnten Verzögerungen auftreten, da Pfarrer Bucheli weiterhin krankheitsbedingt nur zu 50 Prozent arbeite, hat Peter Vorwerk eben während seinen Ausführungen über die Causa Bucheli gesagt und um Geduld gebeten. (rp)

 

Hier der Bericht über die Kirchgemeindeversammlung

Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

https://www.kath.ch/newsd/buerglen-eine-pfarrei-im-ausnahmezustand/