«Lieber Gott, segne flott.» Erinnert Sie das an das Diktum von Kard. Fernández, der für nicht liturgische, sondern spontane pastorale Segnungen das Mass von 10 bis 15 Sekunden angab? Nun, er provozierte geradezu den Spott. Und der verschaffte eine kleine Entlastung angesichts der Spannung, dass in römischer Lesart nicht sein kann und darf, was faktisch doch zuweilen ist. In fachlicher Perspektive wirft es die Frage auf, ob es liturgische und nicht liturgische Segnungen geben kann oder ob Segen nicht immer liturgisch ist. Sicher kommt dabei auch das Liturgieverständnis ins Spiel, aber ohne zu tief zu graben: Ist denn alles Liturgie? Ich erinnere mich an den ersten Lockdown, wo keine Gottesdienste stattfanden, und ich hörte: Nicht alles ist Liturgie. Ich stimme zu! Wenn zwei oder drei im Namen Jesu versammelt sind, kann es sich um einen Gottesdienst handeln – oder auch um kontemplative Exerzitien, wo Menschen stundenlang mit geschlossenen Augen in seiner Gegenwart verweilen. Wenn jemand ein Vaterunser betet, kann das in gottesdienstlicher Gemeinschaft geschehen oder noch im Pyjama im Bett. Wenn jemand segnet, kann das ein grosser Gestus sein – urbi et orbi von der päpstlichen Loggia (Liturgie?) – oder ein Kreuzzeichen beim Verlassen des Hauses am Morgen. Ritualisiert mag beides sein und eine gewisse Ritualisierung liegt schon im Gebrauch des Kreuzzeichens. Unser deutsches Wort «segnen» leitet sich bekanntlich vom Lateinischen «signare», mit dem Kreuz bezeichnen, ab. Das dauert kaum mehr als 10 bis 15 Sekunden. Damit ist es in seiner Himmel und Erde umspannenden Kraft zugleich alltagstauglich. Die Kürze mindert die Qualität nicht.
Und wie steht es mit der Dauer der Segensworte? Die sakramentalen Formeln der katholischen Tradition sind allesamt sehr kurz. «Bene-dice», gut-sagen, segnen: Wie viele Worte braucht es dazu und wer segnet wen oder sagt Gutes? Die biblisch-jüdische Grundform der «Beracha» ist Antwort des Menschen auf Gottes segensreiches Wirken: Gepriesen (= gesegnet) bist du, Gott, König der Ewigkeit – und dann kann der Grund angefügt werden: Speisen, Getränke, die blühenden Bäume im Frühjahr, alles, selbst das Eintreffen einer traurigen Botschaft. Das kann im Alltag flott gehen, ähnlich unserem Stossseufzer «Gott sei Dank!». Wirklich alles darf in den empfangenen und antwortenden Segen hineingenommen werden. Bei allem, wofür in Lebens- und Beziehungswirklichkeiten zu danken ist, ist auch die Brüchigkeit menschlicher Existenz ernst zu nehmen. Gott lässt sich in seinem Segenshandeln nicht einmal von der Sünde irritieren, wie der Katechismus am Beispiel Noahs deutlich macht (vgl. KKK 1079), sagt allerdings auch nicht einfach «weiter so», sondern nimmt die Gesegneten in die Verantwortung. Und das geht dann nicht mehr flott. Bei Abraham erstreckt es sich über ein langes Leben und entfaltet sich von Geschlecht zu Geschlecht. In biblischer Perspektive darf auch ein spontaner Segen von 10 bis 15 Sekunden auf eine aufbauende «longue durée» hoffen.
Gunda Brüske*