22/2003 | |
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Leitartikel |
Das älteste Bild von Bruder Klaus, die Tafel des gotischen Altars
von 1492, zeigt den Einsiedler mit einer Gebetsschnur, einer Paternosterschnur;
so können wir davon ausgehen, dass Bruder Klaus diese Gebetsschnur
wirklich benutzt hat, dass sie also nicht nur als Attribut eines Eremiten
zu lesen ist. Wenn das Museum Bruder Klaus in Sachseln diesen Sommer eine
Ausstellung mit «Geschichten um den Rosenkranz» zeigt, ist diese
Ausstellung also am rechten Ort. Dass sie Schmuck- und Schatzkammerstücke
aus Elfenbein, Bergkristall, Bernstein, Silber und Gold zeigen kann, verdankt
sie dem Umstand, dass dem Museum die Rosenkranzsammlung Fredy Bühler
zur Verfügung stand, die der Öffentlichkeit jetzt erstmals gezeigt
wird. Dass Papst Johannes Paul II. ein Jahr des Rosenkranzes ausgerufen
hat, gibt der Ausstellung eine zusätzliche Aktualität.
Urs-Beat Frei, der Leiter des Museums, wollte den Rosenkranz aber nicht
als Objekt, sondern als Gebet ausstellen. Denn die Ausstellung sollte erfahrbar
machen, «dass der Rosenkranz richtig verstanden zentralsten
menschlichen Bedürfnissen entspricht, ja als Ðarchetypisches Phänomenð
diese geradezu symbolisiert und insofern auch und gerade heute aktuell ist».
Das bringt auch der Titel der Ausstellung zum Ausdruck. Das Rosenkranzgebet
kann Zeitinseln ermöglichen, eine Auszeit als Einkehrzeit; und die
Rosenkranzperlen können dann zu Ankerperlen werden, indem sie «den
Menschen in sich und insofern in etwas Höherem, dem ÐUmgreifendenð,
Gott» verankern.
Dabei sollte die Ausstellung nicht etwas verkündigen, sondern durch
starke Raumeindrücke und über alle Sinne etwas erlebbar machen,
nämlich dass kein anderes Gebet der Christenheit eine derart spannende,
vielfältige und komplexe Geschichte hat wie das meditative Wiederholungsgebet
des Rosenkranzes. Das hängt für Urs-Beat Frei damit zusammen,
«dass der Rosenkranz sowohl Gebetskette und Zählgerät als
auch mantrische und imaginierende Andacht ist. Er ist materiell und immateriell
zugleich; durch die Geschichte hindurch sind ihm gerade auch deswegen
die verschiedensten ÐFunktionenð zugewachsen.»
Mit Philipp Clemenz hat Urs-Beat Frei einen Gestalter gefunden, der diese
«Funktionen» in eine Ausstellung umsetzen konnte, die nicht
Rosenkränze als Objekte ausstellt auch wenn viele zu sehen sind
, sondern in starken Räumen das Phänomen Rosenkranz inszeniert.
Die Ausstellung betritt man durch eine kreisrunde Öffnung, die von
einem Kranz von Rosen umgeben ist, Symbol des Frühlings. Auf dem Gang
durch die Ausstellung begegnet man sechs Videosäulen mit Interviews,
individuellen Antworten auf die Frage nach der persönlichen Bedeutung
des Rosenkranzes. Die Ausstellung, die durch das ganze Haus und bis in den
barocken Garten führt, ist nach Themen «Funktionen»
des Rosenkranzes gegliedert, die jeweils mit zwei Verben benannt werden.
Begleitet wird die Ausstellung<1> von einer grossen Installation der in Bern lebenden Obwaldnerin Adriana Stadler im Barockgarten des Museums sowie Vorträgen und Konzerten<2>.
1 25. Mai bis 26. Oktober 2003, Dienstag bis Sonntag, 9.3012 und 1417 Uhr.
Die Ausstellung ist anspruchsvoll, eignet sich aber sehr gut für Schulklassen (oder Ministrantinnen- und Ministrantenausflüge), wenn der Besuch gut vorbereitet wird; dazu stellt das Museum für Lehrkräfte drei Lektionen umfassende Unterrichtshilfen zur Verfügung (Telefon 0416605581, E-Mail urs-b.frei@bluewin.ch).2 Die Daten der Begleitveranstaltungen sind in der Innerschweizer Presse sowie über www.kulturfenster.ch/art/mbk zu finden.
Leider ist die Begleitpublikation noch nicht erschienen (Urs-Beat Frei/Fredy Bühler, Der Rosenkranz. Kunst der Andacht, Bern 2003).