5/2002

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Berichte

Berufung und Befreiung

von Martin Spilker

 

Unter dem Thema «Berufung ist Befreiung ­ Befreiung ist die Berufung» fand am 26. und 27. Oktober 2001 im Schweizer Jugend- und Bildungszentrum Einsiedeln die Jahrestagung des Vereins und der Fachstelle Information Kirchliche Berufe (IKB) statt. An der ersten Tagung unter der neuen Leitung wurde nach wegweisenden Visionen für die Berufspastoral der Zukunft gesucht.

Abschied nehmen von Vertrautem

«Mitte finden» lautet das diesjährige Jahresmotto der IKB. Angesichts der herausfordernden Situationen durch den anhaltenden Nachwuchsmangel in Orden und traditionsreichen Gemeinschaften, aber teilweise auch in der pfarreilichen Seelsorge, ist es für die Verantwortlichen immer wieder wichtig, zur eigenen Mitte und der Mitte im Glauben zu finden, um die anstehenden Schritte tun zu können, erklärte Robert Knüsel, Leiter der Fachstelle IKB vor den rund 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Dass solche Schritte auch immer wieder verlangt sind, das zeigte sich gleich zu Beginn der Tagung ganz eindrücklich an den Berichten des Regens des Bistums Chur, Josef Annen, der Dorotheaschwester Sr. Rita Emmenegger, der Luzerner Spitalschwester Sr. Anneres Oberli oder in den Ausführungen von Josef Schönenberger von der Bethlehem Mission Immensee. Sie legten dar, wie auf Grund von gesellschaftlichen und sozialen Veränderungen sich zum einen die Wege und Formen der Berufungen verändern, zum anderen aber auch von der Kirche und ihren Gemeinschaften Erneuerung verlangt werde. Es gelte, immer wieder als Befreiung und dadurch auch als Bekräftigung des eingeschlagenen Weges zu sehen, sagte Robert Knüsel und wies darauf hin, dass diese Befreiung auch die Freiheit enthalte, sich zu verändern.

Neue Blickrichtung

So wie verschiedene Gemeinschaften und Orden gefordert sind, langjährige Werke aufzugeben und sich neuen Aufgaben zuzuwenden, ist es nach Meinung von Wolfgang Broedel, Mitglied der Kommission Kirchliche Berufe des Bistums Basel, auch nötig, dass in der Berufspastoral ein neuer Weg eingeschlagen wird. Zu lange, so Broedel, habe die Kirche bei ihren Bemühungen um kirchliche Berufe auf sich selbst und die eigenen Bedürfnisse geschaut. Es gelte aber, so die Erkenntnis der «Spürgruppe» der Basler Kommission, Berufspastoral dynamischer zu sehen und bei allem Handeln stets eine Sinn- und Zieldimension vor Augen zu haben.
Anstelle eines vereinnahmenden «Komm und sieh» setzt Wolfgang Broedel ­ den Erfurter Bischof Joachim Wanke zitierend ­ die doppelte Aufforderung «Komm und geh!». Damit meint er die Notwendigkeit, den von Gott berufenen Menschen Perspektiven für ein aus dem Glauben gestalteten Leben aufzuzeigen und dazu ein stärkeres Sendungsbewusstsein zu entwickeln. Es brauche, so Broedel, ein viel stärkeres missionarisches Bewusstsein aller Verantwortlichen und Tätigen in der Kirche, um in der heutigen Zeit in einem positiven Sinn auf die Vorzüge und den Gehalt des christlichen Glaubens und Lebens aufmerksam zu machen.

Ein neues Sendungsbewusstsein

Dazu brauchten diese in der Kirche Tätigen aber auch selber eine Vision. Und diese findet die «Spürgruppe» nirgends anders als in der Reich-Gottes-Dimension des Evangeliums: dem Leben als Fest, zu dem Gott selber einlädt und das schon angebrochen ist. Um diese Vision von gelebtem Christentum auch nach aussen ­ und damit in eine säkularisierte Welt ­ zu tragen, sei ein Bewusstsein der eigenen Sendung und des Auftrags zur Sendung notwendig. Dieses wieder zu entdeckende Sendungsbewusstsein stellte er einer sich immer mehr breit machenden «vorauseilenden Resignation» entgegen. Dabei war sich der Referent durchaus bewusst, dass er mit der Forderung nach einer missionarischeren Kirche mit seiner Terminologie auch auf Widerstand stösst. Doch schien es ihm wichtiger zu sein, mit solchen Impulsen die Diskussion und das Handeln anzuregen, statt die geforderten Erneuerungen durch nicht endende Begriffsdebatten zu lähmen.<1>

 

Martin Spilker ist journalistischer Mitarbeiter der Fachstelle IKB.


Anmerkung

1 Seit letztem Sommer stehen Fachstelle und Verein Information Kirchliche Berufe unter der neuen Leitung von Robert Knüsel-Glanzmann und Sr. Anneres Oberli (Fachstelle) und Br. Thomas Morus Huber OFMCap als Vereinspräsident. Als zuständiger Vertreter der Bischofskonferenz zeigte sich Weihbischof Martin Gächter, Solothurn, erfreut, dass der Übergang zum neuen Team nach der zehnjährigen engagierten und weit herum geschätzten Tätigkeit von Pfarrer Oswald Krienbühl und Amanda Ehrler an der Fachstelle und von Pfarrer Ernst Heller als Vereinspräsident so erfolgreich habe erfolgen können. Robert Knüsel gab zum Abschluss der Tagung seiner Zuversicht Ausdruck, dass die von der IKB geförderte Vernetzung aller in der Berufungspastoral Tätigen die vorhandenen Impulse sammeln und verstärken helfe. Für die Zukunft wünscht sich Robert Knüsel noch stärkere Kontakte und Zusammenarbeit zwischen Pfarreien und Orden, da sich diese beiden Elemente in der Berufungspastoral ideal ergänzen könnten.


© Schweizerische Kirchenzeitung - 2002