22-23/2001 | |
INHALT |
Theologie |
In ihrem Glaubensbekenntnis wie in ihrem liturgischen Beten drücken die Christen ihren Glauben an Gott den Vater aus. Die Fortschritte im anthropologischen und sozialen Denken und die Analyse der Bedingungen unserer religiösen Sprache haben eine breite Bewegung der «Neuentdeckung» der mütterlichen Züge Gottes ausgelöst. Diese Herausstellung der mütterlichen Gestalt Gottes drückt sich bisweilen im Namen «Mutter» (oder «Vater und Mutter») aus, den man Gott beilegt. Sie lädt jedenfalls dazu ein, über die Äusserung unseres Glaubens an den Dreieinen Gott nachzudenken und dabei zunächst die Sprache der biblischen Offenbarung zu untersuchen.
Im Alten wie im Neuen Testament wird Gott nie direkt «Mutter»
genannt oder als solche angerufen. Er wird aber, vor allem in seinem Handeln,
wie eine Mutter beschrieben. Mehrere Texte des Alten Testamentes können
hier beigezogen werden: in seinem Gebet zum Herrn erwähnt Mose das
mütterliche Handeln Gottes, der das Volk Israel auf seinem Schoss getragen
hat (Nm 11,12), der es geboren hat (Dt 32,6). Der Psalmist besingt in aller
Freiheit das schöpferische Handeln des Herrn, der die Erde und die
Welt «geboren» hat (Ps 90,2), und Ijob fühlt sich zur Frage
gedrängt, aus welchem «Bauch» das Eis hervorkommt und der
Reif geboren wird (Ib 38,2829). Das packendste Bild der Mütterlichkeit
Gottes wird im zweiten Teil des Jesaja-Buches entworfen, wo es heisst, Israel
werde empfangen im mütterlichen Schosse seines Gottes (Js 44,2.24),
wo von Geburt und Niederkunft die Rede ist (Js 42,14; 45,10), von der Sorge
um das kleine Kind (Js 46,3), von der unwandelbaren Hingabe der Mutter an
ihr Kind (Js 49,15): Gott hat sich in die Geburt und das Leben Israels eingelassen
wie eine Mutter in Hinsicht auf ihr Kind.
Diese mütterlichen Züge erinnern an Fruchtbarkeit, das schöpferische
und immer neu schaffende Handeln Gottes, die Hingabe Gottes an sein Volk
in unwandelbarer Treue, in Zärtlichkeit und Barmherzigkeit. Doch sollte
man sich hüten, Mutterschaft und Vaterschaft allzu ausschliesslich
einander entgegenzusetzen: Zärtlichkeit und Barmherzigkeit kennzeichnen
ebenfalls die Väterlichkeit Gottes, denn auch der Name Vater steht
in der Bibel für die Güte Gottes, die Sorge für das Kind,
die Nachsicht und das tiefe Mitleid «aus den Eingeweiden» heraus,
die Liebe und die Treue<1>.
Indessen blieb die Bibel kritisch gegenüber der Zuschreibung sexueller
Kennzeichen an Gott: der Einzige Gott des biblischen Glaubens ist nicht
Mutter oder Vater nach Art der orientalischen Gottheiten oder nach Art der
Menschen. Das erklärt eine gewisse Zurückhaltung des Alten Testamentes,
Gott «Vater» oder gar «Mutter» zu nennen (die Texte
sind wenig zahlreich und zumeist aus späterer Zeit), im Gegensatz zu
den Religionen des Nahen Ostens, wo die Götter und Göttinnen diese
Titel bekamen. Die Bibel distanziert sich auch von der Doppelbezeichnung
«Vater-Mutter», die andere Religionen der Gottheit zusprachen
und die Existenz eines androgynen oder bisexuellen göttlichen Wesens
nahelegen konnte. Das Jesaja-Buch ruft es energisch in Erinnerung: Gott
kann mit nichts und niemanden verglichen werden (Js 40,18; 46,5). Gott ist
weder Vater noch Mutter nach der Art der menschlichen Vaterschaft und Mutterschaft,
sondern er transzendiert sie als ihr reiner Urquell, jenseits der beschränkten
und fragmentarischen Eigenart der Worte, die unserer Welt zugehören,
dieser Worte, deren ursprüngliche Aufgabe es ist, unsere menschliche
Erfahrung zu bezeichnen, und deren Gott sich bedient, um sich selbst zu
offenbaren.
Das Neue Testament beschränkt sich nicht darauf, einfach die Lehre
des Alten Testamentes über die Vaterschaft und die mütterlichen
Züge Gottes wieder aufzunehmen. Es bringt eine grundlegende und entscheidende
Neuheit, die dann das Credo, in seinem Bekenntnis des Glaubens an Gott den
Vater, ausdrücken wird<2>. Die Vaterschaft
Gottes nimmt dort nicht nur die Züge seines schöpferischen Handelns
und seiner wohlwollenden Vorsehung an, nein, sie betrifft in erster Linie
die persönliche Beziehung Jesu gegenüber Gott. Jesus wendet sich
persönlich an Gott und ruft ihn an unter dem Namen «Vater».
Jesus verwendet dieses Wort «Vater» in all seinen Gebeten, die
das Neue Testament erwähnt, mit Ausnahme seines Aufschreis am Kreuz
(gemäss Matthäus oder Markus: «Mein Gott, mein Gott, warum
hast du mich verlassen?», wo die Anrufung «mein Gott»
durch die Vorlage in Ps 22,2 gegeben war). Das Wort «Vater»
erscheint auch im Munde Jesu nach der aramäischen Form dieses Wortes:
Abba, ein Wort, das als Anrufung Gottes (Mk 14,36) keine eigentliche Entsprechung
in der jüdischen Literatur hat, auch nicht bei den Zeitgenossen Jesu.
Jesus bringt eine Neuerung, indem er sich an Gott Abba wendet, und diese
Neuerung offenbart die Besonderheit seiner Beziehung zu Gott, seinem Vater.
Die Christen werden sehr bald diese einzigartige Beziehung zwischen Jesus
und seinem Gott dadurch ausdrücken, dass sie bekennen, Jesus sei der
«Sohn Gottes», der Sohn des Vaters: Jesus ist Gott vollständig
geeint, in einer tiefen Gemeinschaft und einer Beziehung zwischen Sohn und
Vater, die auf einer anderen Ebene anzusiedeln ist als die Beziehung der
andern Menschen mit Gott. Darauf beruht das Bekenntnis unseres Credos. Paulus
wird die Überlegungen weiterführen, indem er den gleichen Ausdruck
«Abba, Vater» auch den Christen in den Mund legt, die an der
Sohnschaft Jesu teilhaben: Gott hat in unsere Herzen den Geist seines Sohnes
gesandt, der da ruft: «Abba, Vater!» (Gal 4,6; vgl. Röm
8,15).
Genau hier liegt für die christliche Theologie der Hauptansatz eines
Nachdenkens über Gott «Vater» oder «Mutter».
Wir entdecken dabei, dass die personale Identität Gottes, wie sie der
christliche Glaube bekennt, letztlich nicht auf seinem Schöpfungs-
und Vorsehungshandeln hinsichtlich der Welt im Allgemeinen beruht (diese
Aspekte sind aber durchaus gegenwärtig), sondern auf der Beziehung,
die er mit seinem einzigen Sohn unterhält, eine Beziehung, die uns
offenbart ist in der Menschwerdung dieses Sohnes und der Gabe seines Geistes.
Mit anderen Worten: wenn wir «Vater» sagen, so bezeichnet dieses
Wort Vater nicht zuerst die Beziehung Gottes zu seinen Geschöpfen (zu
uns), sondern es bezeichnet zuerst die ewige Beziehung, wonach der Vater
Vater seines einzigen Sohnes ist, eine ewige Beziehung, die sich in der
Zeit ausfaltet durch die Sendung des Sohnes in unsere Menschheit hinein.
Was das Wort «Vater» besagen will, ist uns offenbart in der
einzigartigen Beziehung, die er mit seinem menschgewordenen Sohn unterhält.
Die Offenbarung ist kein Trugbild: Gott offenbart sich so, wie er in sich
selbst ist, und die Eigentlichkeit seiner Vaterschaft beruht auf seiner
Beziehung zum einzigen Sohn.
Man muss also auf dieser Ebene der Beziehung zwischen dem Sohn Gottes und
seinem Vater und nicht auf der Ebene unserer Beziehung als Geschöpfe
zu Gott untersuchen, ob es angängig sei, das Wort «Vater»
durch das Wort «Mutter» zu ersetzen oder mit ihm zusammen zu
gebrauchen. Die Tatsache ist viel zu wichtig und zu offensichtlich, als
dass man sie unterschätzen dürfte: der menschgewordene Sohn, Jesus,
erweist sich immer als in Beziehung zu Gott stehend, den er Vater nennt.
Es handelt sich hier nicht einfach um eine kulturelle Bedingtheit. Die Jungfräulichkeit
Marias, der Mutter Jesu, bedeutet ganz genau den göttlichen Ursprung
Jesu, der keinen irdischen Vater hat: Jesus hat nur einen Vater, und das
ist Gott. Beide, Vaterschaft und Mutterschaft, betreffen also unterschiedliche
Aspekte der Person Jesu: die Vaterschaft drückt seinen göttlichen
Ursprung aus; die Mutterschaft bezieht sich auf seinen menschlichen Ursprung.
Das Dogma der Kirche wird diese Glaubensgegebenheit so ausdeuten, dass die
Vaterschaft seiner göttlichen Natur, die Mutterschaft seiner menschlichen
Natur zugesprochen wird. Wir müssen das Geheimnis des menschgewordenen
Sohnes vor Augen halten: wenn Mutterschaft und Vaterschaft zwei Naturen
betreffen, die in der Person Christi unterschieden bleiben, und somit zwei
verschiedene Beziehungen, wie sie die einzige Person des menschgewordenen
Sohnes darlebt, so gewinnt das theologische Denken nichts dabei, wenn es
hier eine Verwirrung stiftet.
Die Sohnschaftsbeziehung, die die Christen leben, erhellt sich zweitens
im Lichte der Sohnschaft Jesu. Es ist der «Geist seines Sohnes»
(Gal 4,6), der in uns Abba, Vater ruft. Man muss hier genau Augenmass vom
ausschliesslichen Charakter der Sohnschaft Jesu gegenüber seinem Vater
nehmen, um abzuschätzen, welche Bedeutung diese Gabe an die Gläubigen
hat. Diese Ausschliesslichkeit ist uns offenbar geworden in der einzigartigen
Intimität, die Jesus zu seinem Vater hegt. Wir finden einen Hinweis
darauf auch in der Unterscheidung, die die Evangelien zwischen den Ausdrücken
«mein Vater» und «euer Vater» vornehmen. Es geht
nicht darum, die beiden Ausdrücke voneinander zu trennen, denn es handelt
sich um den gleichen Vater; aber sie liegen nicht auf der genau gleichen
Ebene. Die arianische Krise des 4. Jahrhunderts veranlasste die Theologen,
haarscharf zu unterscheiden zwischen einer Sohnschaft Christi von Natur
aus («mein Vater») und einer Adoptiv-Sohnschaft der Christen,
aus Gnade («euer Vater»). Mit anderen Worten: wir nennen Gott
«unseren Vater», und wir sollten zögern, diesen Ausdruck
durch «Mutter» zu ersetzen, einfach deswegen, weil der Geist
uns gewährt, uns genau in die Beziehung einzufügen, die Jesus
persönlich mit seinem Vater unterhält, und zwar so, dass wir umgekehrt
dann auch an der einzigen Sohnschaft Jesu Teil haben können. Im Glauben,
den die Taufe schenkt, haben wir keinen andern Zugang zur Vaterschaft Gottes
als vermittels der Sohnschaft Jesu, wie sie uns durch seinen Geist geschenkt
wird. Man ersieht daraus, dass im Privileg, den das Glaubensbekenntnis und
die Liturgie dem Namen «Vater» zubilligen, mehr liegt als nur
die Anhänglichkeit an eine äussere Ausdrucksform: die Identität
der Getauften drückt sich in diesem Wort aus, insofern diese Identität
geschenkt wird durch die Einkörperung in die Person des menschgewordenen
Sohnes, des Christus Jesus.
Das Glaubensbekenntnis des Konzils von Nizäa (325) stellt einen
klar trinitarischen Glauben vor: Glaube an Gott den Vater, an seinen Sohn
und an den Heiligen Geist. In diesem Glaubensbekenntnis findet sich das
Wort «Vater» in enger Beziehung zum Wort «Sohn»:
der Sohn ist «geboren vom Vater, als einzig Erzeugter, von gleicher
Wesenheit wie der Vater». Das Wort Vater bewahrt einen Bezug mit dem
Werk der Schöpfung und Grundlegung aller Dinge («Gott, allmächtiger
Vater, Schöpfer aller sichtbaren und unsichtbaren Dinge»), aber
die Beziehung zum Sohn ist vorrangig. Nach Nizäa wird der Sinn des
Wortes «Vater» immer enger mit dem des Wortes «Sohn»
verknüpft: aufgrund der Worte Christi in den Evangelien definieren
sich die Wörter «Vater» und «Sohn» gegenseitig.
Was vom ausschliesslichen Charakter des Gebetes Jesu an seinen Vater gilt,
das gilt auch von der Beziehung des Vaters zu seinem Sohn: «Von Natur
aus und in Wirklichkeit ist der Vater Vater nur des einzigen Sohnes und
Einzig-Erzeugten, unseres Herrn Jesus Christus» (Kyrill von Jerusalem).
Gott wird nicht in gleicher Weise «Vater» der Menschen genannt
wie er Vater des Sohnes ist: im ganzen Fächer der verschiedenen Bedeutungen
bewahrt die ewige Beziehung zwischen dem Vater und dem Sohn einen Beiklang
der Vorrangigkeit und Vortrefflichkeit ohnegleichen.
Der Name «Vater» erfährt in den arianischen Kontroversen
seine unerlässliche Reinigung. Schon die ersten Generationen christlicher
Theologen erwiesen sich höchst kritisch gegenüber sexuell bestimmten
Vorstellungen der Gottheit (göttliche Paare), wie sie vor allem von
den gnostischen Mythen feilgeboten wurden. Die Theologen von Nizäa
werden diese kritische Arbeit weiterführen. Zu behaupten, Gott sei
Vater, das heisst er erzeuge einen Sohn, darf nicht nach menschlicher Art
verstanden werden: es handelt sich um eine unkörperliche Vaterschaft
oder Zeugung, ohne Werden und Zeit (Athanasius). Gott ist Vater in einem
Sinn, der menschliche Vaterschaft oder Mutterschaft übersteigt. Das
wird, jenseits aller Unterscheidung der Geschlechter, sehr gut ausgedrückt
in den Ausdrücken «Gebärer, Erzeuger» (parens) und
«Nachkommenschaft», die die Überlieferung aufgreift, um
die gleiche Wirklichkeit wie Vaterschaft und Sohnschaft in Gott zu bezeichnen.
Was bleibt von dieser Reinigungsarbeit in Bezug auf den Begriff Vater in
der Theologie? Zwei Hauptzüge müssen festgehalten werden: 1. Der
Vater ist der Quell des Sohnes. Die orthodoxe Tradition wird diesen Inhalt
vermittels des Begriffs der «Ursache (causa, aitía)»
oder des «Ursprungs (archè)» ausdrücken (der Vater
ist «Ursache», Quell des Sohnes und des Heiligen Geistes), während
die lateinische Tradition ihn umschreibt mit dem Begriff «Prinzip»
(der Vater ist Prinzip, principium «Uranfang» des
Sohnes, und mit ihm des Heiligen Geistes). 2. Der Vater hat
keinen Ursprung (er ist «unerzeugt», «ohne Prinzip»).
Diese beiden Züge, die nichts mit der sexuellen Differenz zu tun haben,
enthalten das Wesentliche dessen, was die trinitarische Lehre mit dem Namen
«Vater» meint. In diesem Licht muss man die Bedeutung der Wörter
«Vater» oder «Mutter» überprüfen, wenn
man sie auf Gott anwendet.
Im vollen Glaubenssinn zunächst bezeichnet die Vaterschaft die ausschliessliche
Beziehung des Vaters gegenüber seinem einzigen Sohn, der von ihm sein
ganzes Sein empfängt; dieser Ursprung weist keine körperlichen
oder zeitlichen (sexuellen) Aspekte auf, wie dies im menschlichen Leben
der Fall ist, sondern bleibt nur dem menschgewordenen Sohn zugesprochen,
der in der Zeit von Maria geboren ist. Die Vaterschaft Gottes schliesst
dabei die biblischen Züge von der Mütterlichkeit Gottes ein, die
oben erwähnt wurden. Alles, was in der menschlichen Familie dem Vater
und der Mutter zukommt, wird dem Vater zugesprochen in der Zeugung seines
Sohnes (Geschenk des Lebens, Empfängnis, Geburt). Die Vaterschaft beinhaltet
so dank der Reinigung, die sich aufdrängt, wenn von Gott die
Rede ist alles, was wir unter Vaterschaft und Mutterschaft verstehen:
die Vaterschaft Gottes ist nur eine, aber sie beinhaltet auch die Eigenschaften
der Mutterschaft. Es geht nicht an, sie zu vermännlichen oder zu verfraulichen,
denn sie überschreitet die sexuelle Differenz. Aber das Wort «Vater»
behält hier einen einzigartigen und unersetzbaren Stellenwert, dank
der Sprache der Schrift und Christi selbst, und weil die «Identität»
des Vaters für uns gebunden bleibt an die Beziehung, die sein menschgewordener
Sohn mit ihm darlebt.
In weniger umfassender und voller Weise kann man auch das Handeln Gottes
für seine Geschöpfe betrachten, ein Handeln, das nicht ausschliesslich
vom Vater ausgeht, sondern den drei Personen der Trinität gemeinsam
ist (die Drei erschaffen, üben die gleiche Herrschaft aus, die Drei
lieben uns und wachen zusammen über uns in einer gemeinsamen Barmherzigkeit).
Oft hört man heute in diesem Sinn das Wort «Mutter», wenn
man es auf Gott anwenden will, weil man so sein schöpferisches Handeln,
seine wohlwollende Vorsehung, sein rührendes Sorgen hervorhebt, wie
er sie seinem Volk und jedem Geschöpf angedeihen lässt. Dieser
Sinn scheint auch in den mütterlichen Zügen Gottes im Alten Testament
auf, das die Kenntnis der Trinität nicht explizit beinhaltet. Man kann
diese mütterlichen Züge ebenfalls der Person des Sohnes zusprechen,
dem Wort, das uns schafft und zum Neuen Leben erzeugt, oder dem Heiligen
Geist. Die Aspekte von Vaterschaft oder Mutterschaft in diesem zweiten Sinn
legen allerdings nicht voll Rechenschaft ab von der Vaterschaft Gottes.
Sie helfen mit, diese zu entdecken, indem sie eine Facette beleuchten; aber
die Vaterschaft Gottes beruht auf der vollen Art der einzigen Vaterschaft
des Vaters gegenüber seinem Sohn, dem Christus Jesus, den die Christen
im Credo bekennen, und zu der ihnen der Zugang gewährt ist im Glauben.
Darum ist es vorzuziehen, von mütterlichen Zügen bei Gott zu reden,
von seinem mütterlichen Handeln, statt ihm in der Liturgie und im Glaubensbekenntnis
den Namen «Mutter» (oder «Vater und Mutter» oder
«Unsere Mutter») beizulegen. Dieser ganze Wortschatz darf nicht
im «sexistischen» Sinn der Männlichkeit verstanden werden:
die Vaterschaft Gottes, so gut wie seine mütterlichen Züge, schliessen
sexuelle Beiklänge aus, die man sich hüten soll, bei Gott anklingen
zu lassen. Die Kirche behält in ihrer Liturgie und in ihrem Glaubensbekenntnis
den Namen «Vater» bei, weil sie ihn von Christus erhält.
Es geht nicht um eine schlichte Anhänglichkeit an einen Buchstaben,
sondern um den Ausdruck der Entdeckung Gottes und unserer persönlichen
Beziehung zu Gott, durch die und in der einzigartige(n) Intimität Jesu
mit Gott, seinem Vater: Abba. «Wir dürfen die Redeweise vom ÐVaterð
nicht aufgeben, denn auf diese Weise sprach Jesus zum Vater und vom Vater,
und so lehrte er seine Jünger, Gott anzureden. In Verbindung mit der
von Jesus selbst gebrauchten Redeweise hat die Kirche zum Glauben an Jesus
als den Sohn Gottes gefunden. (...) [ÐVaterð] ist der spezifische
Name, mit dem Jesus selbst Gott anredete. Wir dürfen die Namen ÐVaterð
und ÐSohnð nicht aufgeben. Sie sind in Jesu enger Beziehung zu dem
Gott, den er verkündigte, verwurzelt.»<3>
Es ist durchaus richtig, die mütterlichen und väterlichen Züge
Gottes im Geist gegenwärtig zu halten, und zwar im transzendenten Sinn,
der ihnen hier gebührt. Aber man darf nicht weniger Gewicht auf den
Ausdruck des trinitarischen Tauf-Glaubens legen: durch den Geist erhalten
wir die Gnade, uns in die Beziehung persönlicher und einzigartiger
Intimität Jesu mit seinem Vater einzufügen: in ihr und durch sie
wenden wir uns an Gott «Unseren Vater», und sie gibt dem Namen
Vater, noch vor allen anderen Namen, einen einzigartigen und unersetzbaren
Wert.
Der Dominikaner Gilles Emery ist ordentlicher Professor für Dogmatik an der Theologischen Fakultät der Universität Freiburg; sein Beitrag erschien zuerst in französischer Sprache in: Sources (Fribourg) 25 (1999) No 2, 6167; die Übersetzung wurde vom ihm autorisiert.
Das Basler Münster feiert das Jubiläum «500 Jahre Basel in der Eidgenossenschaft», ausgehend von einem Brief von Bruder Klaus, mit einer Installation und einem szenischen Gottesdienst. Der Hochchor ist dem Brief von Bruder Klaus gewidmet, die Krypta seiner Frau Dorothea. Die Rauminstallationen stehen vom 24. Juni bis 26. August 2001 zur Besichtigung offen (Montag bis Freitag 10 bis 17 Uhr, Samstag 10 bis 16 Uhr, Sonn- und Feiertage 13 bis 17 Uhr).
1 J. Briend, Dieu dans l'Ecriture [Gott in der Bibel], Paris 1992, 7190: «Die Mütterlichkeit Gottes in der Bibel».
2 J. Schlosser, Le Dieu de Jésus [Der Gott Jesu], Paris 1987, 103209: «Gott der Vater»; J. Jeremias, Abba, Jésus et son Père [Abba, Jesus und sein Vater], Paris 1972; J. Galot, Découvrir le Père [Den Vater entdecken], Louvain 1985, 6069.
3 Gemeinsam den einen Glauben bekennen. Eine ökumenische Auslegung des apostolischen Glaubens, wie er im Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel (381) bekannt wird. Studiendokument der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung (Ökumenischer Rat der Kirchen), Frankfurt a.M./Paderborn 1993, 37 (Nr. 5052).