36/2001

INHALT

Kirche in der Schweiz

Neuausrichtung der inländischen Mission: Ad fontes

von Hans Danioth

 

Mit dem Gründungsjahr 1863 ist die Inländische Mission das älteste kirchliche Hilfswerk der Schweiz. Die auf Initiative von Laien ins Leben gerufene Institution war zu Beginn klar auf die «Diaspora-Seelsorge», als Unterstützung der in die Agglomerationen ausgewanderten Katholiken, ausgerichtet. Mit der zunehmenden staatskirchenrechtlichen Anerkennung der katholischen Kirche auch in den reformierten Kantonen veränderte sich diese Stossrichtung im Laufe der Zeit. Sie wurde ergänzt und teilweise abgelöst durch die wirtschaftliche Hilfe an «bedrängte Bergpfarreien», konkretisiert in den Unterstützungsbeiträgen an «mittellose Priester» und später zusätzlich in der «Kirchenbauhilfe». Dies alles im Sinne der statutarischen Zweckbestimmung, nämlich der «Förderung des religiösen Lebens in allen Teilen der Schweiz». Das später eingeführte Epiphanieopfer richtete sich dabei nach den Weisungen der Bischöfe speziell auf die Kirchenbauhilfe, während die Bettagskollekte den allgemeinen Zwecken der Inländischen Mission vorbehalten blieb.

Langes segensreiches Wirken

Vorweg möchte ich deutlich festhalten, dass die Inländische Mission (IM) über alle Jahre und Jahrzehnte hinweg ihren von den Statuten vorgegebenen und von den Bischöfen jeweilen den Zeitumständen und Bedürfnissen angepassten Zweck erfüllt hat. Sie hat in der Tat Wesentliches zum Aufbau der Seelsorgestellen in der Diaspora beigetragen. Daneben bewirkte sie viel Gutes auch im Stillen. Von all diesen Erfolgen zeugen erstarkte Pfarreien im ganzen Land, aber auch unzählige private Dankesschreiben von Seelsorgern «in Notlagen». Diese segensreiche Hilfstätigkeit war nur möglich, weil unzählige Spenderinnen und Spender von der Notwendigkeit einer gelebten Solidarität auch unter den Katholiken und für die Katholiken des Landes überzeugt werden konnten. Die Verantwortlichen des Hilfswerks stellten sich dabei mit viel Idealismus in den Dienst der guten katholischen Sache.
Indes, auch diese Institution blieb wie jedes Menschenwerk von der Entwicklung in Kirche und Gesellschaft nicht verschont. Die zunehmende Entfremdung von der Amtskirche als Teil einer gesellschaftlichen Sinnkrise liess die Bedeutung und damit die Spendenattraktivität auch des Hilfswerkes IM nicht unberührt. Andere Aufgaben vor allem ausserhalb der Kirche beanspruchten die Aufmerksamkeit und Hilfsbereitschaft der Kirchenangehörigen in zunehmendem Masse.
Auf der andern Seite sei nicht verschwiegen, dass die Strukturen im Verlaufe der Jahrzehnte etwas erstarrt sind. Auch reduzierten sich die Hilfsbegehren mit dem Ausbau der Sozialversicherungen in der Schweiz und insbesondere der AHV. Heute sind noch rund 120 Unterstützungsfälle für Priester pro Jahr zu verzeichnen, wobei der Aufwand für die Ermittlung nach einem relativ langwierigen Verfahren oft in einem Missverhältnis zu den eigentlichen Beiträgen steht. Die bedürfnisgerechte Distribution der eingehenden Mittel bereitet bei allem guten Willen je länger desto mehr Mühe. Hinzu kommt der Umstand, dass die ausgesprochen unterschiedliche steuerrechtliche Situation der Kirchgemeinden in den Diözesen zwangsläufig zu Verzerrungen und Ungerechtigkeiten führt. Der oft sehr heterogenen Finanzkraft der Pfarreien bzw. der Kirchgemeinden kann nicht in befriedigender Weise durch angepasste Abstufungen in den Unterstützungsleistungen der IM Rechnung getragen werden.

Neue Impulse

Vor Jahresfrist ist der langjährige und verdiente Direktor Anton Röösli in Pension gegangen. Er hat während 15 Jahren das Hilfswerk mit Umsicht und viel Engagement für die Hilfesuchenden geführt und ihm damit einen unverwechselbaren persönlichen Stempel aufgedrückt. Zu seinem Nachfolger ist Adrian Aellig gewählt worden. Er verfügt über ein breites Ausbildungsspektrum auch in der freiwilligen kirchlichen Arbeit und Kenntnisse sowie Erfahrungen im modernen PR-Bereich. Die jugendliche Dynamik des neuen Direktors der IM ist im Kipa-Dienst Nr. 18/01 vorgestellt worden unter dem Motto «Inländische Mission will an der ÐFamilienkircheð Schweiz bauen». Der ehemalige langjährige und höchstverdiente Präsident Dr. Walter Gut ist bereits ein halbes Jahr zuvor verabschiedet und gewürdigt worden.
Die heutigen Verantwortlichen wollen an der Verbesserung der Strukturen und an der Neuausrichtung der IM für die heutigen Bedürfnisse des Menschen, insbesondere der Familien, tatkräftig Hand anlegen. In der Tat ist die ursprüngliche Zielsetzung, in allen Teilen des Landes materielle und auch ideelle Unterstützung für die Förderung des religiösen Lebens zu bieten, nach wie vor höchst aktuell. Die Diaspora-Aufgabe ist heute nicht mehr äusserlich-geografisch eingegrenzt, sondern richtet sich an uns alle, vorab an jene, die sich nur noch halbherzig oder gar nicht mehr unserer katholischen Kirche verbunden fühlen.
Der Vorstand hat sich in den vergangenen Monaten intensiv mit der Neuausrichtung der IM befasst und auch externe Fachleute beigezogen.

Neue Aufgabenfelder nebst traditionellen Einsätzen

Getreu den Statuten und den Weisungen der Bischöfe sollen die bisherigen Aufgaben weitergeführt werden, nämlich die Unterstützung von Priestern in schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen sowie die Kirchenbauhilfe, letzteres allerdings vermehrt fokussiert auf liturgische Bedürfnisse, während die denkmalpflegerischen und kulturellen Aufgaben der Kirchenrestaurierungen anderen, hiefür kompetenten Institutionen von Staat und Gesellschaft überlassen werden können. Auf diese Weise und mit andern Massnahmen sollen frei werdende finanzielle Mittel vermehrt zur freien Verfügung der Bischöfe gestellt werden, damit die Bistümer ihre ureigenen Aufgaben besser wahrnehmen können, insbesondere die Aus- und Weiterbildung der Seelsorger, aber auch andere diözesanübergreifende Aufgaben. Anliegen, wie sie in der richtungweisenden Abhandlung des Bischofs von Basel in der SKZ Nr. 38/2000 aufgezeigt worden sind.
Nebst der erneuerten und erweiterten Seelsorgehilfe und der zweckbestimmt ausgerichteten Kirchenbauhilfe können sich die Verantwortlichen der IM auch neue Aufgaben im «kirchlichen Management» vorstellen. Die Kontakte mit Pfarreien, Seelsorgern und Laien in der Kirche haben ein grosses Bedürfnis nach Beratungen in Fragen der Administration, Buchhaltung, Finanzplanung usw. aufgezeigt. Gerade die Überprüfung der IM im heutigen Umfeld kirchlicher Hilfsorganisationen hat eine mehr oder weniger erfreuliche Vielfalt geoffenbart, die im Sinne von Koordination und Kooperation (allenfalls sogar Fusion) auf ein effizienteres und überschaubares Mass reduziert werden sollte. Die dank der anlaufenden Reorganisation der Geschäfts- und Buchhaltungsstelle der IM im Zug frei werdenden Synergien könnten intern für die Handlungsfähigkeit der Kirche Schweiz besser genutzt werden.
Bei aller Bejahung der mit der Öffnung unserer Kirche übernommenen zusätzlichen Aufgaben der vielfältigen Hilfe im In- und Ausland dürfen wir die ureigensten Anliegen der «Kirche Schweiz» nicht vergessen.
Damit knüpfen wir an die ursprüngliche Idee unseres Hilfswerkes an. Es bedarf einer radikalen Erneuerung und Verwesentlichung. Nur auf diese Weise kann es seine ureigene Aufgabe, die «subsidiäre und solidarische Unterstützung der Kirche in der Förderung des religiösen Lebens der Schweiz», wieder zeitgemäss erfüllen. Eine solche Perspektive und Herausforderung richtet sich nicht nur an die Verantwortlichen der IM selber, sondern an alle Katholiken «guten Willens».
Ad fontes: Zurück zu den geistigen und moralischen Quellen der traditionsreichen Hilfsorganisation «Inländische Mission».

 

Der Jurist Hans Danioth ist neu Präsident der Inländischen Mission.


© Schweizerische Kirchenzeitung - 2001