35/2001

INHALT

Leitartikel

"Als Getaufte leben"

von Rolf Weibel

 

In der Volkskirche führt der Weg zur Kirchenmitgliedschaft selbstverständlich über die Kindertaufe. Die Taufe der Kleinstkinder ist aber nicht mehr so ganz selbstverständlich, und noch weniger selbstverständlich ist, dass alle als Kleinstkinder Getauften auch wirklich «nachhaltig» Christen und Christinnen werden. «Manche Eltern spüren das selbst sehr schmerzlich, wenn sie sehen, wie sich ihre Kinder trotz allen Bemühens von der Kirche entfernen.»<1> In dieser Situation müsse die Kirche neu «eine missionarische und evangelisierende Kirche» werden, mahnt der Erfurter Bischof Joachim Wanke, der aus eigener Erfahrung weiss, was heute in Deutschland «nachchristlich» heisst. Worauf eine missionarische Kirche zu achten hat, bedenkt die unter seinem Vorsitz arbeitende Pastoralkommission der Deutschen Bischofskonferenz in einem Text, den sich die Bischofskonferenz zu eigen gemacht hat.<2>
In Anlehnung an das Schreiben «Evangelii nuntiandi» Papst Pauls VI. erörtert dieser unter dem Titel «Zeit zur Aussaat» veröffentlichte Text die einzelnen Schritte im Prozess der Evangelisierung, die gleichsam die Grundelemente einer missionarischen Arbeit der Kirche bilden. Dieser Erörterung vorangestellt sind eine Skizze der gesellschaftlichen und kulturellen Gegebenheiten («Die Welt, in der wir leben») und der Entwurf einer missionarischen Spiritualität, die vom biblischen Bild vom Sämann (Mk 4,26­29) ausgeht («Die Hand, die aussät ­ missionarische Spiritualität»): «Ohne Bedenken wird das Korn ausgesät: Im Vertrauen auf eine gesunde Erde, die wohlwollende Natur und den Segen von oben, der die Saat wie von selbst wachsen lässt.»
Anschliessend wird gefragt, wie die Saat aufgeht und wie die Wege missionarischer Verkündigung zu gehen sind («Wie die Saat aufgeht ­ Wege missionarischer Verkündigung»). Die einzelnen Schritte im Prozess der Evangelisierung werden als Stufen auf dem Glaubensweg beschrieben, auf jenem Weg zum Christwerden, den erwachsene Christen und Christinnen suchen. Denn das Modell jeder Katechese ist der Taufkatechumenat, wie es schon im «Allgemeinen Direktorium für die Katechese» (Nr. 59) heisst, der Weg also, auf dem Erwachsene zum Glauben und zur Taufe finden. In der Orientierung am Glaubensweg ungetaufter Erwachsener ­ den der nachstehende Beitrag eingehend thematisiert ­ können auch im Kleinkindalter getaufte Christen und Christinnen lernen, wie Christsein heute gelebt werden kann.
Die besprochenen «Stufen auf dem Glaubensweg» sind das Zeugnis des Lebens und des Wortes, die Zustimmung des Herzens, der Eintritt in die Gemeinschaft von Gläubigen mit der Feier der Sakramente sowie die Beteiligung am Apostolat («selbst in die Sendung eintreten»). Dabei gehe es nicht nur um eine blosse Abfolge von Schritten, sondern ebenso um die Elemente, die immer mitgegeben sind, wenn das Evangelium verkündet wird und Menschen zum Glauben finden. «Das Zeugnis des Wortes, das zur Zustimmung des Herzens und damit zur Glaubenszustimmung führt, vermag die Kraft nur zu entfalten, wenn es vom Zeugnis des Lebens mitgetragen wird. Der Glaube, der zum Eintritt in die Gemeinschaft der Glaubenden und zum Empfang der Sakramente führt, findet seine Gestalt im Zeugnis des Wortes, in einer missionarischen Verkündigung, die dem Apostolat des Glaubens entspricht.»
Mit der Frage nach einer «missionarischen Pastoral» wird so letztlich nach der missionarischen Kraft des Evangeliums in einer Zeit gefragt, in der der christliche Glaube auch bei uns in der Generationenfolge mehr und mehr «missionarisch-evangelisierend» weitergegeben werden muss.


Anmerkungen

1 Brief eines Bischofs aus den neuen Bundesländern über den Missionsauftrag der Kirche in Deutschland, in: «Zeit zur Aussaat» (Anm. 2), S. 35.

2 «Zeit zur Aussaat». Missionarisch Kirche sein. Herausgeber und Bezugsquelle: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Kaiserstrasse 163, D-53113 Bonn, Telefon 0049-228-103 205, Fax 0049-228-103 330.


© Schweizerische Kirchenzeitung - 2001