49/2000

INHALT

Verstorbene

Hugo Imhof, Vikar, Bürglen

Der unerwartete Tod von Vikar Hugo Imhof am 4. Juni 2000 hat viele Menschen sehr betroffen gemacht, hat aufgewühlt und lässt Fragen offen.
Hugo Imhof wurde am 2. Dezember 1960 nach seinen zwei Brüdern den Eltern Marie und Karl Imhof-Lindauer in Oberarth geschenkt. Später kam zu den drei Knaben noch die Schwester Margrith hinzu. Der Vater arbeitete während Jahrzehnten in der Maschinenfabrik Mettler. 1981 zog die Familie nach Arth. Mit seinen Geschwistern verbrachte Hugo eine frohe Jugendzeit und besuchte zunächst die Primarschule in Arth und dann die Realschule in Oberarth. Anschliessend absolvierte er in Seewen eine Bürolehre bei der Winterthur-Versicherung. Er erreichte damals den besten Lehrabschluss und konnte anschliessend bei der gleichen Versicherung in Zürich eine Stelle antreten.
Hugo war schon immer religiös stark geprägt, was er sicher weitgehend seinen Eltern zu verdanken hatte. So machte er sich weitere Gedanken über die Zukunft seines Lebens. Es reifte in ihm der Wille, Priester zu werden. Auf Empfehlung hin begann Hugo das Theologiestudium in Heiligkreuz bei Wien. Dieses Studium hat ihn geprägt für seine spätere Wirksamkeit. Nach Beendigung des Studiums in Heiligkreuz kam der junge Seelsorger nach Reichenburg, wo er das Pastoraljahr absolvierte. Hier wurde Hugo Imhof recht gefordert, war er doch weitgehend zuständig für die Pfarrei Reichenburg. Am 29. Oktober 1989 empfing Hugo die Diakonatsweihe und wurde dann am 18. November 1990 vom damaligen Bischof Wolfgang Haas zum Priester geweiht.
Ein grosser Tag für ihn und seine Eltern war sicher der 8. Dezember 1990, als er in seiner alten Wohngemeinde Arth die Primiz feiern konnte. Bis 1993 blieb der junge Priester als Seelsorger, und zwar als Pfarrprovisor, in Reichenburg, was man für einen Neugeweihten als eine Zumutung betrachten muss. 1993 verliess Pfarrprovisor Imhof die Pfarrei Reichenburg und nach einem Wohnaufenthalt in Zürich wurde er 1994 Vikar für Urdorf. Auch hier war er weitgehend auf sich gestellt, sein zuständiger Pfarrer war zugleich Pfarrer von Birmensdorf. 1996 schliesslich wurde Hugo Imhof Vikar in Bürglen. Dies war für ihn wohl die glücklichste Stelle. Er war sehr bemüht um den Kontakt mit den Leuten. Er nahm sich sehr Zeit für die kranken und alten Menschen. Der Seelsorger Hugo Imhof konnte gut zuhören und auch trösten. Er bemühte sich sehr, auf Leute zuzugehen. Besonders im kleinen Kreis oder bei Leuten, von denen er sich angenommen wusste, fühlte er sich sehr wohl und konnte sich ihnen gegenüber öffnen. Ein Ministrant hat sich so geäussert: «Vikar Imhof war die Güte und Liebe in Person.»
Es sei nicht unerwähnt, dass Vikar Imhof in Pfarrer Peter Camenzind einen sehr guten und lieben Chef (oder vielmehr Freund) gefunden hat, der ihm grosses Verständnis entgegengebracht hat.
Hugo Imhof konnte Dinge schwer nehmen, etwa den Unterricht, wo er bei den Schülern nicht immer Verständnis fand. Es gab sogar Zeiten, da er das Gefühl hatte, alles und alle seien gegen ihn. Der Tod seines Vaters zwei Monate zuvor hat Hugo wohl mehr zugesetzt, als wir es geahnt haben. Ebenso starb vor einiger Zeit seine geistliche Mutter. Mit seinem Vater wollte Vikar Imhof anfangs Mai nach Lourdes pilgern, wie er schon früher mit ihm in Lourdes war. Nun musste er diese Reise ohne seinen Vater antreten. Schlaflose Nächte in Lourdes und eine innere Unruhe führten dazu, dass er sich als Pilgerleiter auf der Heimreise von Lourdes von der Gruppe trennte.
Was in seinem Innern vorgegangen ist, können wir nicht sagen. Die Last, die er in sich trug, wurde offenbar für ihn zu schwer. Nur ganz wenige hatten Kenntnis von seiner gelegentlichen Depression. Offenbar wusste Hugo Imhof keinen Ausweg mehr aus seiner Depression und schied auf der Heimfahrt von Lourdes aus dem Leben. Wir dürfen darauf vertrauen, dass der Herr ihn nicht hat fallen lassen, sondern seinen Ängsten und Nöten ein Ende setzt, ihm ein gnädiger Richter ist und ihm auf sein Suchen und Sehnen Antwort gibt.
Ich denke, dass Hugo nun einen Leidensweg, der wohl schwerer und grösser war, als wir es je geahnt haben, hinter sich hat und Gott ihm die Vollendung schenkt.
Wir haben in der Lesung des Beerdigungsgottesdienstes die Worte gehört: «Kommt, wir kehren zum Herrn zurück! Denn er hat Wunden gerissen, er wird uns auch heilen, er hat verwundet, er wird auch verbinden.» Ich möchte diesen Text heute auf Vikar Hugo Imhof beziehen. Ich denke an die Belastungen, Verletzungen, Wunden, die nicht mehr heilen konnten, die immer wieder aufgebrochen sind, ein Schmerz, der unerträglich wurde. Ich denke an seine ganz persönliche Art, seine zeitweilige Verschlossenheit, das In-Sich-Gekehrt-Sein. Wir werden bei allem Einfühlungsvermögen wohl niemals ganz verstehen, was in diesem Menschen vorging und wie sehr er litt.
Und da möchte ich Hoseas Worte aus der Perspektive von Hugo Imhof, aus seiner von ihm vielleicht aussichtslos empfundenen Situation heraus lesen: «Kommt, wir kehren zum Herrn zurück. Denn er hat Wunden gerissen, er wird uns auch heilen, er hat verwundet, er wird auch verbinden.»
Hugo Imhof hat wohl Geborgenheit beim Herrn gesucht als letzten Zufluchtsort. Ich denke, Gott wird ihm diesen Zufluchtsort schenken. Als Seelsorger hat Vikar Imhof sich bemüht, andern die Liebe Gottes zu verkünden. Das Evangelium vom Sämann redet vom Samen, der wächst. Wir wissen nicht wie, manchmal mühen wir uns ab und sehen vielleicht keinen Erfolg, ein anderes Mal geht etwas auf. Nicht wir sind es, die das Wachsen bestimmen können. Wir können nur versuchen auszusäen. Das Wachsen, das Gedeihen muss Gott bewirken. Ich denke, dass einiges, was Hugo Imhof als Seelsorger ausgesät hat, auch seine Frucht tragen wird. Wo und wie viel, das können wir nicht ermessen und brauchen wir nicht zu beurteilen.

Bruno Werder


© Schweizerische Kirchenzeitung - 2000