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4/2000
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P. Josef Amstutz SMB
Eine Offenbarung des Denkens und Wesens unseres Immenseer Generalobern
P. Josef Amstutz wurde mir bereits in der Seminarzeit zuteil, als wir zusammen
in der Pflegeabteilung eine Grippe auskurierten. Wir sprachen über
unsere Vorstellungen und Begriffe von Gott. Ich fühlte mich damals
überfahren von seiner Frage: «Stimmt unser Reden von Gott überhaupt
für das, was Gott ist? Wir dürfen Gott nicht definieren. Wir müssen
ihn suchen und sollten uns die Sache nicht einfach machen!» Das war
sein Leben als Wissenschaftler und Theologe, als Generaloberer und Mitbruder:
Man darf den Menschen, die Mission, die christliche Spiritualität nicht
ein für alle Mal definieren; man muss sie suchen! Er hat sich diese
Sucharbeit zeitlebens nicht einfach gemacht.
Ein zielstrebiger, ganzheitlicher Ausbildungsweg: J. Amstutz wurde am 5.
März 1927 in Kerns geboren und ist in der Wagnerei der Familie Tobias
und Karolina Amstutz-Ming mit drei Brüdern aufgewachsen. Nach seiner
Ausbildung in Immensee und im Missionsseminar Schöneck (NW) trat er
in die Missionsgesellschaft Bethlehem ein und feierte 1953 in seiner Heimatpfarrei
die Primiz. Der Unermüdliche setzte das Studium in Rom fort und schloss
1957 mit dem Doktorat in Theologie ab. Um sich in die angelsächsische
Welt einzuarbeiten, studierte er zwei weitere Jahre in Cambridge und promovierte
mit der Forschungsarbeit «Ein Gott, ein Christus, eine Kirche»
zum Dr. phil. Der Ganzheitlichkeit verpflichtet, wollte er durch einen zweijährigen
Einsatz im damaligen Rhodesien die Missionsarbeit an der Basis kennen lernen.
Anschliessend in der ersten Konzilssession zum Berater von Bischof Alois
Häne bestimmt, wurde er auch mit der Verantwortung der Bischöfe
und der römischen Kurie vertraut. Diese breite, wissenschaftliche,
spirituelle und praktische Ausbildung war die vorzügliche Grundlage
für eine aufgeschlossene Professur der Theologie im Seminar und an
der Universität Freiburg und schon bald, nämlich von 1967 bis
1981, für das Leitungsamt in der Missionsgesellschaft Bethlehem, Immensee.
Generaloberer in einer missionarischen Um- und Aufbruchszeit: J. Amstutz
machte sich die geistige und administrative Führungsaufgabe nicht leicht.
Das Vorgegebene nahm er ernst, aber nicht, um dabei zu verharren; angeregt
durch das Konzil vertraute er auf das Wirken des Geistes Gottes und war
unablässig auf der Suche nach dem, was die «Zeichen der Zeit»
der Mission auferlegten. Als starke, zielbewusste Führungspersönlichkeit
war er um es mit weltlichen Worten zu sagen nicht «ein
kämpferischer Boxer», sondern ein «Stratege mit Herz».
Stratege der Mission: Neben den ungezählten, täglichen Geschäften
verfolgte und förderte er seit dem Konzil das neue Missionsverständnis
und liess die Erkenntnisse in Rundschreiben und Kapitelsdokumente einfliessen.
Im Besonderen war sein strategisches Geschick gefordert, als er das doch
recht koloniale Prinzip der blockartigen Gebietsmissionen in Japan, Taiwan,
Rhodesien und Kolumbien aufgab und kleinere Equipen von Priestern und Laien
in verschiedenen Ortskirchen überall da einsetzte, wo die jungen Kirchen
noch nicht selbständig waren. Der Übergang von der «Mission
der religiösen Institute» zur «Mission durch alle Gläubigen»
(auch durch Familien mit Kindern) ging nicht reibungslos weder in
der Heimat noch bei den Bischöfen in Übersee; er verlangte gerade
vom Generalobern Menschenkenntnis, Geschick und Geduld. Viel Zeit und Kraft
investierte er in die Besuche der Missionare/Missionarinnen in Ost, Süd
und West; denn alle, auch jene auf den abgelegensten Stationen, sollten
sein Interesse und seine Fürsorge erfahren.
Stratege auch als Organisator und Bauherr: J. Amstutz suchte für die
Missionsgesellschaft zeitgemässe Leitungsstrukturen, die eine stärkere
Anbindung aller Missionare/Missionarinnen an die Zentrale mit sich brachten.
Grosszügige Neubauten wurden unerlässlich: Die «Amstutz-Ära»
wurde notwendigerweise eine Epoche des Bauens, die nach seiner Amtszeit
im missionarischen Bildungszentrum in Luzern, dem Romero-Haus, ihre Abrundung
fand.
Stratege mit Herz war J. Amstutz, weil bei ihm Wissenschaft und Sachverstand
immer mit einer tiefen, bibel- und traditionsbewussten Spiritualität
einhergingen. Dabei gehörte in den letzten Jahren seine ganze Kraft
der Forschung des Mystikers der Sahara, Charles de Foucauld dem innigen
Freund Jesu, der Bedürftigen und der Andersgläubigen.
Mann der Öffentlichkeit und bewusster Zurückhaltung: J. Amstutz
hat es peinlich vermieden, sein Amt oder seine Person hervorzukehren. Dabei
hatten ihm missionarische Organisationen und die Schweizer Kirche verschiedenste
Stellen mit grosser Verantwortung übertragen: im Missionsrat, in der
Missionskonferenz und in der Vereinigung der Ordensobern, im Fastenopfer,
bei Justitia et Pax und in der Pastoralplanungskommission der Bischöfe.
Mit einem (über-)wachen und kritischen Geist und bei aller Schaffenskraft
blieb er ein scheuer, oft wenig kommunikativer Mensch, der wie seine Vorbilder,
der Landsmann Bruder Klaus und Charles de Foucauld die Stille, die Meditation,
das Zwiegespräch mit Jesus suchte. Schon seit Jahren war dem Verstorbenen
durch seine Herzkrankheit grössere Zurückhaltung auferlegt. Die
zweite Herzoperation wurde ihm zum «Zeichen», dass es nicht
mehr lange dauern konnte bis zur Rückgabe seines Lebens an den, den
er immer häufiger «Abba» nannte.
Ernst Boos
© Schweizerische Kirchenzeitung - 2000