49/2000 | |
INHALT |
Leitartikel |
Vor bald zehn Jahren begann im Bistum Basel die Suche nach einem Pastoralkonzept,
der als erstes diözesanes Gremium der Priesterrat die entscheidende
Richtung wies, als er sich für ein Konzept aussprach, mit dem aktuelle
Themen bearbeitet werden können. Die bald darauf von Bischof Otto Wüst
eingesetzte Arbeitsgruppe «Pastoralkonzeption» verzichtete auf
ein inhaltliches Konzept für bestimmte Themenbereiche und entwickelte
ein «Arbeitsinstrument für pastorales Handeln im Bistum Basel»,
das 1993 unter dem Titel «Suchet zuerst das Reich Gottes und seine
Gerechtigkeit...» herausgegeben wurde. Im Bistum Basel wurde die Diözesane
Fortbildung verpflichtet, die Kurse anhand des Arbeitsinstruments zu strukturieren.
Anlässlich ihres 30-jährigen Bestehens führte sie deshalb
ein Symposium zu diesem Arbeitsinstrument durch mit dem Ziel, es aufgrund
der bisherigen Erfahrungen zu überprüfen und gegebenenfalls zu
ergänzen (nachdem eine erste Ergänzung zum Schritt «Urteilen»
schon seit 1994 im Entwurf vorliegt).<1>
In einem ersten Arbeitsschritt wurde auf die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte
des Arbeitsinstrumentes zurückgeblickt. Zunächst erinnerte Alois
Reinhard an die Schritte vom Gedanken eines Pastoralkonzepts über die
Beschränkung auf Fragmente eines Pastoralkonzeptes bis zum Arbeitsinstrument
sowie an den Umgang der Dekanenkonferenz mit ihm. Anschliessend wurde über
Erfahrungen in fünf Zusammenhängen berichtet. Im Rahmen der weiteren
Bistumsleitung stellte Max Hofer als Regionaldekan fest, wie Elemente des
Arbeitsinstrumentes heute selbstverständlich eingesetzt werden, namentlich
der Dreischritt «SehenUrteilenHandeln» sowie im Schritt
«Sehen» die Frage nach dem «erkenntnisleitenden Interesse».
Im Schritt «Urteilen» würden dann aber die widersprüchlichen
Kirchenbilder Schwierigkeiten bereiten, und im Teil «Handeln»
müsste die Bereitschaft zu Veränderung und also ein spiritueller
Aspekt zum Tragen kommen. Weil Mitglieder der Arbeitsgruppe «Pastoralkonzeption»
sowie von ihr zugezogene Fachleute schon vor der Abfassung des Arbeitsinstruments
bei den interdiözesanen Vierwochenkursen mitwirkten, waren Toni Brühlmann
als Kursbegleiter manche seiner Elemente schon länger vertraut. Rückfragen
äusserte er zur Handhabbarkeit des Arbeitsinstrumentes, insofern die
Arbeit mit ihm Fachwissen und Zeit erfordert, aber auch zu seinem Ansatz;
ob der gesellschaftliche Bereich «Ökonomie» nicht zu stark
gewichtet sei und ob sich die Kirche nicht stärker auf ihr «Kerngeschäft»
besinnen müsste. Als Beispiel für die intermediäre Ebene
berichtete Sonja Kaufmann von der Ökumenischen Konsultation, deren
Diskussionsgrundlage «Welche Zukunft wollen wir?» eine grosse
Nähe zum Arbeitsinstrument aufweist. So sei auch in der Konsultation
eine erfahrungsbezogene Theologie mit Verpflichtungscharakter (commitment)
zum Tragen gekommen. Im Auswertungsbericht sei nun nachzulesen, was die
Menschen sehen, leben und erfahren; dieses prozesshafte Vorgehen sei neuartig
gewesen und habe deshalb auch Unbehagen, Zweifel und Ängste ausgelöst.
Wie das Arbeitsinstrument auch auf pfarreilicher Ebene eingesetzt werden
kann, erzählte Maria Klemm; die Bearbeitung von alltäglichen Fragen
einer Pfarrei mit Hilfe des Arbeitsinstruments sei mühsam, aber auch
klärend, könnten doch grundsätzliche Fragen, Optionen und
Interessen geklärt werden. So sei sie mit einer Gruppe sogar das Thema
Hausbesuche mit gutem Erfolg angegangen. Kritische Rückfragen an den
Umgang mit dem Arbeitsinstrument im Rahmen der Dekanatskurse der diözesanen
Fortbildung stellte Luisa Heislbetz; es sei auf prozesshaftes Arbeiten hin
angelegt, doch der Prozess komme in der Anlage der Kurse aus verschiedenen
Gründen öfters zu kurz: sei es dass er nicht richtig in Gang gesetzt
werde, weil ein Referent/eine Referentin das Arbeitsinstrument nicht kennt
oder für die drei Schritte verschiedene Personen eingesetzt werden,
sei es dass der Prozess nicht fortgeführt werde.
Diese Erfahrungsberichte wurden sodann in einem Austausch aller Teilnehmenden
erweitert und vertieft. Weit über das Bistum Basel hinaus führte
der Mainzer Pastoraltheologe Stefan Knobloch mit seinem Literaturbericht.
Eine grosse Aufmerksamkeit fand nämlich das Arbeitsinstrument des Bistums
Basel im Kreis der deutschsprachigen Pastoraltheologen, weil sie sich in
den frühen 1990er Jahren und namentlich an ihrem Kongress von 1993
eingehender mit dem Thema Pastoralplanung befassten. Damals standen zwei
Konzepte im Widerstreit: Auf der einen Seite eine kooperative Pastoral,
der es vor allem um ein rechtes Miteinander der verschiedenen pastoralen
Berufe ging, und eine Sozialpastoral, die befreiungstheologisch und basisgemeindlich
ansetzte. Die insgesamt zaghafte Rezeption des Arbeitsinstrumentes in der
Literatur, aber auch in der Praxis lud zu allgemeinen Rückfragen, aber
auch zur Frage nach möglichen Alternativen ein. Als massgeblich Beteiligter
meinte Urs Eigenmann, es bewege sich eben nicht im Hauptstrom, sondern vertrete
«die kleine Tradition».
In einem zweiten Arbeitsschritt ging es um den Schritt «Urteilen»
des Dreischritts als dem Hauptdiskussionspunkt. Einführend rief Urs
Eigenmann an Hand der Begriffe «Option»,<2>
«Reich Gottes» und «Praxis» die theoretischen Voraussetzungen
des Arbeitsinstruments in Erinnerung.<3>
In weiteren Referaten wurden diese theoretischen Voraussetzungen diskutiert
bzw. andere Ansätze überlegt. Stefan Knobloch ging von Thomas
von Aquins Satz aus, dass ein Irrtum an der Welt zu einem Irrtum an Gott
führt, und warnte vor einer Verkennung von Wert und Würde der
vorgefundenen Praxis: ein evangeliumbezogenes Urteil über eine Praxis
stehe nicht über dieser Praxis, und es sei nicht so, dass wir die Fragen
aus der Gegenwart und die Antworten aus der Vergangenheit von Bibel
und Tradition beziehen würden; die Praxis selbst sei ein Theologie
generierender Stoff.
Der Luzerner Systematiker Wolfgang Müller entwarf einen sakramententheologischen
Grundriss und erweiterte so die Sicht des Reiches Gottes über seinen
sozialethischen Anspruch hinaus auf seine zeichenhafte Verwirklichung im
Sakrament, wie es die Konvergenzerklärung «Taufe, Eucharistie
und Amt» in Bezug auf die Taufe ausdrücklich erklärt; das
Sakrament als eine Form der Heilszusage ist deshalb auch mehr als Symbol.
In der Perspektive des Reiches Gottes steht das Sakrament aber auch in der
Spannung zwischen «schon» und «noch nicht».
Der Paderborner Systematiker Peter Eicher schliesslich erinnerte an die
unterschiedlichen Konsequenzen der Reich-Gottes-Vorstellungen einerseits
von Thomas Hobbes mit seinen ethischen Gesetzen und anderseits von Immanuel
Kant mit seinen formalen Regeln der Freiheit. Peter Eicher selber plädierte
für Regeln in einem gleichsam therapeutischen Horizont: für die
unbedingte Akzeptanz des/der anderen, für eine Begleitung des/der anderen,
für die Kongruenz mit sich selber und für die Konfrontation.
Dem anschliessenden Podium, an dem sich als neue Teilnehmer Walter Kirchschläger
und Adrian Loretan beteiligten, war der schwierige Versuch der Vermittlung
aufgegeben worden. Der Luzerner Neutestamentler Walter Kirchschläger
stellte Jesu Rede vom Reich Gottes, besser: der Königsherrschaft Gottes
in den Zusammenhang der Leitidee von «Gott mit uns»: mit der
Person Jesu ist die Königsherrschaft Gottes angebrochen, während
der Kirchenrechtler Adrian Loretan die Achtung der Menschenrechte in der
Kirche selber anmahnte. In einer abschliessenden Runde, zunächst in
thematischen Gruppen und dann im Plenum, wurden gefragt und eingebracht,
wie das Arbeitsinstrument beim Schritt «Urteilen» fortgeschrieben
werden könnte bzw. müsste. Die Nachbereitung des Symposiums
namentlich der in der Schlussrunde vorgetragenen Pendenzen sakramenten-,
bibel- und praktisch-theologischer Art wird wohl, wie schon seine
Vorbereitung, bei der Arbeitsgemeinschaft PersonalamtPastoralamtFortbildung
und der Diözesanen Fortbildungskommission liegen.
1 Durch das Symposium begleiteten Fabian Berz für die Diözesane Fortbildung, Stefan O. Hochstrasser mit kreativen Einlagen und Rolf Weibel als Moderator (und nolens volens Berichterstatter).
2 Bei der Auseinandersetzung mit einem Problem ist demnach entscheidend, aufgrund welcher Option und aus welcher Optik bzw. mit welchen Interessen es angegangen wird; dabei ist der Positionsbezug «für die Armen und Bedrängten» insofern nicht optional bzw. optionabel, als es theologisch um «das Leben in Fülle» für alle gehen müsse.
3 Zur gründlichen Beschäftigung mit dem Fragenkreis: Urs Eigenmann, «Das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit für die Erde». Die andere Vision vom Leben, Edition Exodus, Luzern 1998, 224 Seiten.