16/1999

INHALT

Verstorbene

Bischof Alois Häne

Bischof Alois Häne stammte aus dem toggenburgischen Kirchberg. Der Bubentraum, Afrikamissionar zu werden, ging 1939 mit der Aussendung nach dem damaligen Rhodesien in Erfüllung. Seine bedächtige, unermüdliche Natur, sein bodenständiger Glaube sowie sein zu Witz und Schalk aufgelegtes Wesen machten es den kirchlichen Verantwortlichen nicht schwer, ihn 1947 mit der Neugründung der Apostolischen Präfektur von Fort Victoria, 1950 mit dem Amt des Apostolischen Vikars und 1955 mit der Errichtung der Diözese Gweru zu betrauen. Von Anfang an war Bischof Häne der Aufbau einer einheimischen Kirche das grosse Anliegen. Das «einheimisch» dieser Ortskirche hat er in den 27 Jahren seines Bischofsamts konsequent verfolgt, so dass er 1977 dem ersten afrikanischen Nachfolger, Bischof Tobias Chigingya, eine blühende und zukunftsstarke Diözese übergeben konnte. Er selbst konzentrierte sich dann als geistlicher Leiter auf die einheimische Schwesternkongregation. ­ «Er war ein Segen für die Diözese Gweru und für die ganze Kirche Simbabwe», lautet einhellig das Urteil über diesen Missionsbischof.
Vom «Priesterdorf» Kirchberg zur priesterreichen Diözese Gweru Bischof A. Häne war stolz auf seine Sticker-Heimatgemeinde Kirchberg im Toggenburg, wo er am 6. August 1910 geboren wurde und seine Jugendjahre verbrachte. Da gab es zur bezaubernden Lage und zur wirtschaftlichen Prosperität noch eine kirchliche Auszeichnung: Kirchberg stellte in der mit geistlichen Berufen gesegneten Diözese St. Gallen neben dem Benediktiner Bischof Viktor Helg die meisten Priester, Schwestern und Ordensleute. Kein Wunder, dass zwei Neffen und eine Nichte des späteren Bischofs in Immensee bzw. in Baldegg einen geistlichen Beruf wählten, dass sich insgesamt sechs Kirchberger der Bethlehem Mission angeschlossen und viele mehr ihr Mittelstudium bei den Immenseern machten. Am Psalmsonntag 1939 wurde A. Häne von Bischof Josephus Meile in Rebstein zum Priester geweiht und am Ostermontag feierte er in Kirchberg seine Primiz. Nach nur zwei Monaten Sprachstudium in England wurde A. Häne noch im November des ersten Kriegsjahres ins damalige Rhodesien ausgesandt. Die ein Jahr zuvor neu übernommene Mission sollte möglichst bald weitere Mitarbeiter bekommen. Für sein späteres Wirken als Bischof war wichtig, dass der junge Missionar drei Jahre lang mit der grossen Silveira Mission betraut wurde und dort die Kirche als Gebäude und als Gemeinde aufbauen konnte. Erzbischof Aston Chichester trat 1947 den südöstlichen Teil seiner grossen Diözese der Bethlehem Mission ab und freute sich, dass sein Wunschkandidat Alois Häne, nach nur sieben Jahren im Land, zum ersten Apostolischen Präfekten von Fort Victoria ernannt wurde. An ihm war es nun, eine einheimische Kirche zu errichten und fast bei Null anzufangen
Schon 1948 haben sechs Seminaristen das Studium im Kleinen Seminar begonnen; zwei Jahre später eröffnete Bischof Häne ein Noviziat für einheimische Schwestern, die inzwischen Arbeiten in Spitälern und Pfarreien, in Schulen, Büros und Betrieben übernommen und die Zahl von über 200 Mitgliedern erreicht haben. Als Alois Häne 1950 zum Bischof geweiht wurde, hat der St. Galler Oberhirte J. Meile nicht ohne Stolz seine Glückwünsche nach Immensee gesandt und dabei festgehalten: «Die Bethlehem Mission ist in guter St. Galler Hand: Apostolischer Präfekt in der Mandschurei ist Paul Hugentobler von Magdenau, Generaloberer in Immensee ist Eduard Blatter von Altstätten und neuestens ist unser Kirchberger Alois Häne Bischof von Fort Victoria.»
Von Veranlagung und Ausbildung her ging Alois Häne seine Aufgabe als praktisch denkender und handelnder Bischof an. Theologie um der Wissenschaft willen lag ihm nicht. Er wünschte und forderte das persönliche Gebet und den vollen Einsatz für die christlichen Gemeinden. Religiös pflegte er eine tiefe Verehrung zur Gottes Mutter Maria und weihte seine Diözese «Maria, der Hilfe der Christen». Bei Prozessionen und religiösen Grossveranstaltungen fühlte er sich wohl. Wichtig war ihm, dass die kirchliche Gemeinschaft lebt: in der Gemeinde und in der Liturgie, bei Feiern und Festen. So kamen ihm die Aufbruchsstimmung, die Herz- und Weltoffenheit des Konzils entgegen. Dieses ermöglichte Aufbrüche in der eucharistischen und sakramentalen, besonders auch in der Toten-Liturgie. Aus angeborener Scheu, in der Öffentlichkeit zu sprechen, ergriff er bei keiner der vier Konzilssessionen das Wort. Er war aber gerührt und glücklich, als sein Kollege, der wortgewaltige Bischof Lamont von Umtali das von der Kurie vorgelegte Missionspapier zerzauste und in die missionarische, rhodesisch rauhe Wirklichkeit stellte. Dieses Votum löste erstmals ­ ungeachtet des offiziellen Beifallverbots ­ in den Hallen von St. Peter einen riesigen Beifall aus.
Kräftig Hand anlegen liess er nach jeder Rückkehr vom Konzil die Mitarbeitenden der Diözese. Priester, Schwestern und Laien sollten die Katechese lebens- und die Liturgie volksnah gestalten. Auf dem Entwicklungssektor liess er den Gesundheitsdienst, die Berufsausbildung, aber auch die Jugend-, Frauen- und Männervereine fördern; Letztere spielten in der kritischen Kriegszeit von 1970­1980 für die Sicherheit der Missionare und der Bevölkerung eine wichtige Rolle. Die Konzilsbotschaft, es gehe bei der Erneuerung der Kirche nicht primär um Lehrsätze und schöne Zeremonien, sondern um den Glauben, um menschliche Grundrechte und um die Eigenverantwortung der Christen, fiel bei ihm, seinen Missionaren und dem rhodesischen Volk auf fruchtbaren Boden und sollte in den kommenden Kriegsjahren die Feuertaufe bestehen.

Vom loyalen Freund der Regierung zum Kämpfer für die Schwarzen

Seit der Kolonialisierung des Landes ab 1890 war die Kirche eingebettet ins koloniale System der Regierung, die sich für die kirchlichen Belange offen und kooperativ zeigte. Zum grossen Anliegen des jungen Bischofs gehörte die Bildung von Jugend und Volk, wofür er 1960 anlässlich der Missio-Kundgebung auch in Bern überzeugend eintrat. Seine Misssionare sollten vor allem die englische Sprache beherrschen, um als vollwertige Lehrer in den Primarschulen der Mission anerkannt und besoldet zu werden.
Mit der einseitigen Unabhängigkeitserklärung Südrhodesiens 1965 wurde das Verhältnis zwischen Kirche und rassistischer Regierung gespannt. Die Regierung witterte sofort, woher ihr der Wind entgegenbliess, und ging auf legalistische Weise Schritt für Schritt gegen die «freiheitlichen Bestrebungen» der Kirche vor. Eine rassistische Verfassung und ein ungerechtes «Landnahmegesetz» schreckten 1969 die Kirche auf. Der bischöfliche Hirtenbrief zur Situation in Kirche und Staat wurde von der schwarzen Bevölkerung begeistert aufgenommen, in Regierungskreisen aber scharf kritisiert. Schlag auf Schlag folgten die ersten Verwarnungen, die Verhaftungen von Missionaren und ihre Verbannung aus dem Land ­ darunter war auch P. Paul Egli, ein Neffe von Bischof Häne. Da die Mission in den Schulen einen enormen Einfluss auf die Mentalität der Schwarzen ausüben konnte, wurden 1971 kurzerhand die meisten Primarschulen der Verantwortung der Kirche entzogen. Die stärkste Brüskierung widerfuhr dem «Freund der Schwarzen», als die Regierung die Einreise von acht SMB-Missionaren verbot (darunter ein weiterer Neffe, P. Max Egli) und sich durch die zweimalige persönliche Vorstellung des Bischofs nicht umstimmen liess.
Der Regierung gegenüber konnte der Bischof eindeutig Stellung beziehen. Schwieriger war seine Position in der Bischofskonferenz. Da waren die Appelle und Angriffe des nicht zu bändigenden irischen «Freiheitskämpfers» Bischof Lamont von Umtali. Auf ihn wirkte Häne mässigend ein, damit er mit seiner ungestümen Art nicht zu viel Geschirr zerschlug. Da gab es die zögernden Bischöfe und Priester, die es mit dem System nicht verderben wollten. Die schweigsame, aber zum Handeln drängende Art von Bischof Häne war geeignet, eine mässigende und auch klare Vermittlerrolle zu spielen. Dabei hatte er den Vorteil, dass seine eigenen Leute fast durchwegs hinter ihm standen, was in andern Diözesen weniger zutraf. Bischof Häne hatte mehrere Priester und Schwestern im Unabhängigkeitskrieg verloren; die Missionare lebten in ständiger Sorge wegen Überfällen und hinterhältigen Zerstörungen, wegen Strassenminen und nächtlich erzwungenen Versammlungen. All das ging dem «Oberhirten» schwer zu Herzen und machte ihn oft noch einsilbiger. Umso grösser sein Dank und seine Osterfreude, als 1980 nach dem Lancaster-House-Abkommen der Friede und die neue politische Ordnung über das Land kamen.

Aus dem vollen Leben in den Ruhestand ­ aber nicht zur Ruhe

Noch 1975 war Bischof Häne überzeugt, dass er und seine europäischen Missionare für Jahre die Zügel werden in den Händen halten müssen. Der politische Druck von Weiss und Schwarz im Unabhängigkeitskrieg, aber auch die Einsicht: «Die Ortskirche ist die Kirche der Einheimischen» liessen ihn innerhalb kurzer Zeit die grosse geistige Wende vollziehen. Schon 1977 überliess er das Bischofsamt dem ersten schwarzen Nachfolger Tobias Chiginya. Er konzentrierte sich als geistlicher Begleiter auf die Gemeinschaft der einheimischen Schwestern in Driefontein. Er freute sich, dass er bei seinen Missionaren keineswegs vergessen war, aber auch, dass er jetzt für seine zwei «Sportarten» Zeit fand, für das Fischen und das Jassen, Zeit aber auch, über Vergangenes zu plaudern. ­ In der Tat war Bischof Alois Häne ein unerschrockener Hirte und unermüdlicher Menschenfischer, dem die Afrikaner und Afrikanerinnen am Grab auf ihre rührende Weise den schönsten Dank abstatteten.

Ernst Boos


© Schweizerische Kirchenzeitung - 1999