INHALT |
Kirche in der Welt |
Die internationale Theologenkommission hat kürzlich das Dokument
«Das Christentum und die Religionen» <1> veröffentlicht.
Der Grund dieser Publikation erklärt die Kommission folgendermassen:
«Die Faktoren der Kommunikation und der Interdependenz zwischen den
verschiedenen Völkern und Kulturen haben ein äusserst scharfes
Bewusstsein der Pluralität der Religionen dieses Planeten hervorgerufen
mit all den Gefahren und zugleich Chancen, die diese mit sich bringt»
(2). Der Text jedoch dient eher als Vorsichtsmassnahme angesichts dieser
Gefahren denn als Ermunterung, die Chancen zu packen.
Die Bedeutung eines solchen Dokuments kann in der heutigen Zeit von niemandem
bestritten werden. Die postmoderne Gesellschaft des Westens offenbart in
ihrer Suche nach einer neuen und personalisierten Religiosität ein
besonderes Interesse für die Religionen. Neben der ehrlichen und tiefgründigen
Suche gewisser neuen religiösen Bewegungen begegnen wir auch sonderbaren,
von Sekten fabrizierten Amalgamen, präsentiert in einem religiösen
Angebot à la carte. Der Gesellschaft und insbesondere der Kirche
obliegt die schwierige Aufgabe der Unterscheidung.
Die neuen Entwicklungen im Inneren der postkonziliaren Kirche bedürfen
ebenfalls einer Klarstellung. 1986 hat der Papst ein aussergewöhnliches
Zeichen gesetzt, das viele Katholiken erfreut, das aber auch den Glauben
von anderen erschüttert hat: Er hat für den Frieden mit Dalai
Lama und anderen Religionsvertretern gebetet. Wenig später, im Jahre
1989, hat Kardinal Ratzinger öffentlich vor der Anwendung von Zen,
Yoga und anderen aus fremden Religionen stammenden Praktiken im christlichen
Gebet gewarnt. Gewisse Kirchenvertreter haben eine Bedrohung der christlichen
Glaubensfundamente befürchtet, welche dieses übermässige
Interesse an anderen Religionen sogar im Inneren der Kirche hervorrufen
könnte. Die Enzyklika «Redemptoris Missio» von 1990 hat
die Gefahr hervorgehoben, die diesmal nicht von den theologischen Zentren
Europas ausgeht, sondern von den asiatischen Theologen. Diese neuen Theologen,
auf die die schwierige Aufgabe zukommt, den christlichen Glauben nicht in
einer vorwiegend christlichen Welt, sondern den hinduistischen und buddhistischen
Volksmassen zu erklären, entwickeln ein theologisches Vokabular, das
zwar für die Masse verständlich, jedoch in den Augen der Autoritäten
Roms überhaupt nicht akzeptabel ist. Es wird tendenziell als Bedrohung
der Einmaligkeit und Universalität des Heiles Jesu Christi betrachtet.
An dieser Stelle sei betont, dass die Theologen der Länder wie Indien
und Sri Lanka (die mehr als 2000 Studenten und mehr als 200 Lehrer und Professoren
in den sieben Fakultäten der Theologie haben) nicht mehr dazu bereit
sind, eine aus dem Westen stammende Religion weiterzuführen. Im letzten
Sommer wurden um die 20 indische Bischöfe, die in ihrer Diözese
eine theologische Institution haben, nach Rom geladen, wo sie wegen theologischen
Abweichungen eine scharfe Warnung einstecken mussten. Die neuliche Exkommunikation
des Theologen aus Sri Lanka, P. Tissa Balasuriya, weist auf eine solche
Entwicklung hin.
Glücklicherweise erreicht uns diese römische Lehre in Form eines
Dokumentes einer theologischen Kommission und nicht einer Enzyklika. Die
Debatte wird dadurch erleichtert. Es handelt sich um eine ausgezeichnete
Zusammenfassung fundamentaler Fragen, von denen besonders zwei hervorstechen:
1. Das Profil einer Theologie der Religionen und 2. der interreligiöse
Dialog. Das Dokument stellt mit einer grossen Klarheit die Komplexität
der implizierten Probleme dar, die Positionen der verschiedenen Theologen
(die nicht immer erwähnt werden und daher nicht leicht identifizierbar
sind), und es werden die Glaubensfundamente des christlichen Glaubens mit
allem, was diese mit sich bringen, betont.
Obwohl das Fach Theologie der Religionen noch keinen fest definierten
epistemologischen Status hat, räumt ihm das Dokument eine wichtige
Stellung ein und präzisiert seine Lehrbereiche. Drei Kategorien werden
unter den Religionstheologien unterschieden:
Der ausschliessende Ekklesiozentrismus wurde auf einem falschen
Verständnis der Lehre «extra ecclesiam nulla salus» gegründet
(10).
Der Christozentrismus akzeptiert, dass das Heil auch in den anderen
Religionen vorkommt, aber er verbietet ihnen wegen der Einmaligkeit und
der Universalität des Heiles Jesu Christi einen autonomen Heilsanspruch.
Der Theozentrismus gibt vor, den Christozentrismus überholt und
einen Paradigmenwechsel, eine kopernikansche Revolution (12) ausgelöst
zu haben. Jesus Christus wird für das Heil des Menschen weder als wesentlich
noch als massgebend betrachtet.
Das Dokument verurteilt den ausschliessenden Ekklesiozentrismus: Die katholische
Lehre habe immer das Heil auch den Menschen, die guten Willens sind und
ihrer eigenen Religion nachgehen, zugesprochen. Der Theozentrismus wird
auch abgetan als die Konsequenz eines schlechten Gewissens wegen den missionarischen
Aktivitäten der Vergangenheit und der Kolonialpolitik. Der Text vertritt
die unter den katholischen Theologen am geläufigsten Position, den
Christozentrismus, und behandelt ihn lang und breit, indem er ihn in den
heiligen Schriften und in der Tradition des Magisteriums begründet.
Der im Dokument aufgezeigte Theozentrismus entspricht nicht jenem, an den
sich gewisse asiatische Theologen in ihrer theologischen und pastoralen
Lehre halten. Er ist nicht das Produkt einer kolonialen Vergangenheit, sondern
vielmehr die Zurückweisung eines neuen «theologischen Kolonialismus».
Ein palästinensischer katholischer Theologe hat mir kürzlich gestanden,
dass im neuen Palästina die Christen, Juden und die Muslims versuchen
würden, wie eine einzige religiöse Familie zu leben, indem sie
einander an ihren Gebeten und Festen teilhaben lassen. Er war der Ansicht,
dass die Evangelien keineswegs verlangen, dass sich der Jünger Jesu
Christi vom Juden oder von einem Andersgläubigen trennen müsse.
Ähnlich sprechen in Indien gewisse Theologen, die sich an den Evangelien
orientieren, von Gott als Vater aller Menschen, der uns alle liebt und für
die er seinen eigenen Sohn als Zeichen seiner Liebe gesandt hat. Sie verspüren
nicht die Notwendigkeit, in diese Predigt des Evangeliums von Jesus die
Streitigkeiten, die durch die christologischen und historischen Debatten
des Westens und die theologischen Definitionen des Heiles entstanden sind,
zu mischen. Vom Neugetauften in Indien wird nicht verlangt, dass er mit
seinem christlichen Glauben alle konfessionellen und theologischen Konflikte,
die in der Geschichte Europas entstanden sind, in sein neues christliches
Bewusstsein aufnimmt. Die abendländische christliche Tradition hätte
einen normativen Wert. Aber das christliche Leben und die pastorale Arbeit
der Kirche sollten den Glauben nicht mit einer geschichtlich gebundenen
Konflikt-Terminologie darstellen. Die Taufe in Jesus Christus darf nicht
das Bewusstsein der Konfessionen, der Schismen und Häresien in sich
bergen. Auf jeden Fall dürfen sie nicht auf dem Boden eines anderen
Kontinents fortbestehen. Der Glaube an Jesus Christus würde uns mehr
vereinen als trennen. Ist ein solcher Theozentrismus für den christlichen
Glauben eine Gefahr? Oder muss darin die Geburt einer neuen Ekklesiologie
gesehen werden?
Über das Bild Jesu Christi, das das Dokument angesichts dieser verschiedenen
Interpretationen der Theologen entwirft, gibt es viel zu sagen. Eine Interpretation
deutet darauf hin, dass, «da das Logos grösser ist als Jesus,
er sich auch in den Begründern der anderen Religionen inkarnieren kann»
(21). Das Dokument akzeptiert keine Trennung zwischen Jesus und Christus.
Oft wird dort, wo man den Ausdruck Jesus Christus erwartet, nur von Jesus
gesprochen. Zum Beispiel: «Die universelle Anwesenheit von Jesus»,
«Jesus führt die gesamte Geschichte zu ihrer Erfüllung»,
«Nur in Jesus können die Menschen gerettet werden...» (50).
Dieses Bild von Jesus ist gewiss jenes des historischen Jesus, aber es ist
nicht vollständig. Die Evangelien beschreiben uns einen Jesus, dem
mehrere «nicht-historische» Taten zugeschrieben werden: der
vom Heiligen Geist inspiriert auf dem Wasser geht, verklärt wird, der
in die Hölle hinabsteigt, aufersteht und schliesslich in den Himmel
steigt vor den Augen der Galiläer! Das Dokument macht mit diesen Fährten
kurzen Prozess und erklärt kategorisch: «Es gibt keinen Logos,
der nicht Jesus ist, wie es keinen Geist gibt, der nicht der Geist Christi
ist» (81).
Was mir aber inakzeptabel erscheint in der Darstellung dieser Theologie
der Religionen, ist die Tatsache, dass man versucht, eine Theologie der
Religionen ohne die Religionen zu errichten. Das Dokument gibt uns keine
Übersicht über den Inhalt der Religionen und ruft kein wahrhaftiges
Interesse für sie hervor. Das Konzil sprach in seinen Dekreten mit
einem grossen Enthusiasmus und Respekt vom Hinduismus, Buddhismus und den
anderen Religionen. Man hilft dem Leser nicht, die wahren Werte der grossen
Weltreligionen kennenzulernen und zu schätzen. Dies ist nicht nur der
Fehler des römischen Dokumentes. Verschiedene Theologen des Westens
stürzen sich darauf, eine Theologie der Religionen zu machen, ohne
eine Ahnung über deren Inhalt zu haben. Man spart nicht mit Urteilen
und stützt sich auf Vorurteile über die Religionen wie «Werk
des Menschen», «Heil als menschliche Bemühung», «ohne
Idee der Liebe» usw. So machen wir nicht eine Theologie, sondern eine
Apologie aus unserer eigenen Unkenntnis.
Das Dokument spricht stets vom Dialog als einer Notwendigkeit im interreligiösen
und interkulturellen Kontext von heute: «Der interreligiöse Dialog
ist nicht nur ein Wunsch, der aus dem 2. Vatikanischen Konzil stammt und
vom gegenwärtigen Papst unterstützt wird, sondern er ist auch
eine Notwendigkeit in der aktuellen Weltsituation» (94). Aber man
kann sich fragen, wie und warum der Dialog so erwünscht ist, wenn man
ein solch negatives Bild von den Religionen hat. Das Dokument lässt
keine Gelegenheit aus, um von den Religionen zu sagen, dass sie «Elemente
der Unwissenheit, der Sünde und der Perversion enthalten...»
(4), dass sie «Faktoren der Trennung und Konflikte zwischen Völkern»
(2) darstellen, angereichert mit «Lücken, Unzulänglichkeiten
und Fehlern» (84). Das einzige Zugeständnis, das gemacht wird,
ist folgendes: «Sie (die Religionen) können aber alle auch Ðberührt
werdenð von Elementen der Gnade» (85), aber die folgende Nummer
(86) schränkt sofort ein: «Obwohl man die Heilsbedeutung der
Religionen nicht ausschliessen kann, heisst dies nicht, dass alles an ihnen
Ðheilbringendð ist.» Die Religionen können ein Mittel
des Heils für ihre Anhänger sein, «aber sie können
nicht mit der Funktion, welche die Kirche für das Heil der Christen
und jenen, die es nicht sind, verwirklicht, verglichen werden» (87).
Kann man mit einer solchen Haltung des Misstrauens wirklich von einem interreligiösen
Dialog sprechen? Das Dokument vermittelt uns keine wirkliche Idee des interreligiösen
Dialogs. Nochmals wird Misstrauen hervorgerufen bei unseren Dialogpartnern,
wenn man folgendes liest: «...Der interreligiöse Dialog hängt
je nach den vom Vater bestimmten Augenblicken von der Ðevangelischen
Vorbereitungð ab» (119).
Der wahre Dialog unterscheidet sich von der Evangelisierung. Vielleicht
ist er selbst die Evangelisierung, aber nicht deren Vorbereitung. Das Dokument
ruft nicht den Geist eines wahren Dialogs hervor. Im Dialog müssen
wir die Wahrheit unseres Glaubens und unsere tiefsten Überzeugungen
offenbaren.
Aber der Dialog bedeutet auch und besonders, dass man dem anderen zuhört.
Das Dokument bietet keine Anleitung an für dieses Zuhören, sondern
schlägt bloss eine Reihe von Vorbedingungen für einen Dialog vor
(106115). Die Kirche bleibt im interreligiösen Dialog nur glaubwürdig,
wenn sie damit beginnt, die Füsse der anderen zu waschen und sich mit
den Sündern auf eine Ebene setzt, um mit ihnen um die Vergebung Gottes
und seiner Gnade zu bitten und um mit ihnen die Freude der Vergebung zu
feiern, und allen (die ebenfalls Kinder Gottes sind) zu vergeben, aber nie
zu verurteilen. Durch diese Demut zeigt sie ihre Stärke als Heilssakrament.
Anand Nayak ist Professor für Missions- und Religionswissenschaften an den Universitäten Freiburg und Neuenburg
<1>
Wir haben nur den französischen Text erhalten: Documentation catholique,
6 avril 1997, No 2157, pp. 312332. Das Original ist auf Spanisch.