Heute erfolgreich führen

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Eigentlich ist seit Friedrich Schleiermacher klar: Pastoraltheologie ist die Lehre von der Institution Kirche für zukünftige Führungspersonen. Das Problem ergibt sich, blickt man 200 Jahre später auf die Kirchen: Immer weniger Menschen sind bereit, dort Führung zu übernehmen, und wenn, dann nicht als sich verausgabende Micro-Managerinnen oder charismatische Retter in ständiger Rufbereitschaft.

Deshalb neu mit Karl Rahners pastoraler Futurologie: Pastoraltheologie handelt von der Zukunft der Institution Kirche. Dort wird auch in Zukunft geführt, aber mit einem Ansatz, der die komplexen Bedingungen ernst nimmt und nicht zudeckt. Denn kirchliche Dokumente sind zwar reich an Führungsmetaphern – etwa der «gute Hirte» oder die «Charismenorientierung» –, aber kaum anschlussfähig an gegenwärtige Leadership-Diskurse, die nicht nur einzelne «Leader», sondern die systemischen Bedingungen des Leadership untersuchen. Kirche importiert Leadership als «Tool», aber nicht als etwas, das sie in Struktur und Theologie im Innersten verändern, das Sinn- und Transzendenzdimensionen ansprechen darf.

Geschulte Leader allein werden Krisen nicht lösen. Ebenso wenig wie Leitbilder von partizipativer Führung, wenn sie nicht im «daily business» gelebt werden. Wo Pastoral und Leadership den Weg zu einer umfassenden Erneuerung weisen wollen, müssen sie dort dekonstruieren, wo alle Rezepte fordern. Diese zu liefern, wäre ein Rückschritt in die bevormundende «Vormoderne». Angesichts der heutigen Pluralität und Vieldeutigkeit geht es darum, miteinander ein dynamisches Verständnis für den Kontext Kirche zu schaffen. Dabei erarbeiten sich Führende und Geführte gemeinsam einen Zugang zur Wirklichkeit. Man spricht hier auch von Sozialkonstruktivismus. Wirkliche Ko-Kreation ist so etwas aber erst dann, wenn sich alle ernsthaft und verlässlich in einem Diskurs begegnen. Dazu braucht es diskursethisch und anerkennungstheoretisch begründete Leitlinien.

Wie übersetzt sich das praktisch? Grundvoraussetzung ist die Entwicklung von Instrumenten aus der individuellen Situation heraus. Dazu gehört, die Schattenseiten anzusehen, wo Führende oder Geführte sich gegenseitig die Anerkennung absprechen. Der eigentliche «Shift» im Denken liegt aber nicht darin, eine Kultur des «Unbossings» zu verordnen, sondern Integritätsmanagement in der Organisation zu betreiben auf Ebene der Prinzipien, der Prozesse, der Menschen. Derart «integre Organisationen» unterscheiden sich, weil die ethische Reflexion auf allen Stufen in den Prinzipien, Prozessen und mit den Menschen spürbar ist. Erst dann kann etwa Synodalität zu einer tiefgreifenden Veränderung führen, können sich Leader von ihrer überfordernden Rolle befreien und Teams ermächtigen, zu Ko-Kreatorinnen und -Kreatoren von Innovation zu werden. Erst wenn das modern klingende Wort Leadership nicht Anstrich alter Strukturen ist, kann die Forschung dazu die richtige Frage stellen, nämlich die nach dem Geist der Leadership. Und zur dessen überraschenden Wirkung hätte die Pastoraltheologie einiges zu sagen.

Patrick Renz* und
Christian Preidel**

 

* Prof. (FH) Dr. Patrick Renz ist Professor für Management der Hochschule Luzern und Leiter des Schwerpunkts «Theologie und Leadership» an der Universität Luzern.

** Prof. Dr. Christian Preidel ist Professor für Pastoraltheologie an der Universität Luzern. Er forscht zu kirchlichem Bauen und Innovation in Kirche und Gesellschaft.

Leadership-Konferenz «What is the Spirit of our Leadership?»: 19. bis 21. Juni. Info: https://unilu.ch/ictl2024

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Editorial

Metanoia ‒ Umdenken
 

«Führungskräfte sollen nicht mehr top-down führen»; «das ist eine ungute Entwicklung» — was für Bilder kommen Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, wenn Sie diese Sätze lesen? Wissen Sie nun, wie konkret Führung aussehen soll oder um was für eine Entwicklung es genau geht? Diesen Sätzen gemeinsam sind die Negationen. Der gewohnheitsmässige und inflationäre Gebrauch von Negationen wie «nicht», «kein», «un-» oder «-los» ist weit- verbreitet. Und dies obwohl Negationen die Aufmerksamkeit in die falsche Richtung lenken. Auch sind hochabstrakte, logische Operationen des Hirns notwendig, um sie zu verstehen. Aus diesem Grund «überhört» unser Hirn oft Verneinungen. Bekannt hierfür ist das Beispiel des Kommunikationsforschers Paul Watzlawick: «Denken Sie nicht an einen rosaroten Elefanten!» – und Sie denken an einen. Nach der Sprachwissenschaftlerin Mechthild R. von Scheurl-Defersdorf verhindern Verneinungen den Blick in die gewünschte Richtung. Negationen schaffen diffuse Bilder und geben wenig Orientierung. Nur, wie benenne ich das, was ich sagen will, ohne Negationen? Ich merke, wie es mir manchmal leicht gelingt und wie anspruchsvoll es manchmal ist. Die Fastenzeit ist eine Zeit des Umdenkens. In Mk 1,15 heisst es: «Metanoeite» – «Denkt um». Das bewusste Umdenken von Negationen in positiv formulierte Sätze ist ein wertvoller Schlüssel, um den Blick in die gewollte Richtung und nach vorne zu lenken. Ich übe täglich.


Maria Hässig