Knall in Widnau: Was ist in der Kirchgemeinde los?

Nach einem Jahr Streit hat die Kirchenverwaltung von Widnau SG offenbar genug. Sechs von acht Mitgliedern treten nicht zur Wiederwahl an. Auslöser für den Zwist soll die Kündigung des langjährigen Mesmers sein. Die Verwaltung spricht von einem dicken Sündenregister. Auch der Priester Georg Changeth wird kritisiert.

Sarah Stutte

An der Kirchgemeindeversammlung vom 16. März kam es in Widnau zum grossen Knall. «Wir haben genug von den persönlichen Anfeindungen und Beleidigungen», sagte dort laut «Rheintaler» offenbar Kirchenverwaltungspräsident Jean-Pierre Chéreau.

Daraufhin kündigte er an, dass er sowie fünf weitere Mitglieder des Rats für die nächste Wahlperiode von 2024 bis 2027 nicht mehr zur Verfügung stehe. Dann werden Verwaltungsrat, Pfarreirat, Geschäftsprüfungskommission und Kollegienrat neu gewählt.

Verwaltungsrat eckte scheinbar überall an

Was genau ist mit «Anfeindungen» gemeint? Im selben Artikel heisst es, dass «unüberbrückbare Differenzen mit Pfarradministrator Georg Changeth» zu diesem Entscheid geführt hätten.

Doch das ist offensichtlich falsch, sagt dieser auf Anfrage von kath.ch. «Der Artikel suggeriert, ich würde die alleinige Schuld an dieser Entscheidung tragen. Das ist nicht richtig wiedergegeben. Die Kirchenverwaltung hatte schon länger sowohl Probleme mit dem Zweckverband wie auch mit dem Pfarreirat», sagt der Priester. Er stammt aus Indien und wurde in Rom über den Pflichtzölibat im Fach Moraltheologie promoviert.

Nicht sonderlich kommunikativ

«Die Verwaltung wollte überall mitreden, war aber nicht sonderlich kommunikativ», sagt der Pfarradministrator. So soll es beispielsweise Differenzen gegeben haben, weil die Verwaltung Anlässe selber organisieren wollte – ohne den Pfarreirat miteinzubeziehen.

«Im Zuge dessen wollten vor allem drei Kirchenverwaltungsmitglieder, dass ich mein Amt niederlege. Doch ich bin sehr zufrieden mit der Pfarrei und die Menschen wollen auch, dass ich bleibe», meint Changeth.

Grosser Unmut in der Pfarrei

Das bestätigt auch ein Einheimischer, der lieber anonym bleiben möchte. «Die Meinung der Kirchenverwaltung war nie diejenige der Kirchgängerinnen und Kirchgänger. Sie wurden nie gefragt.» Deshalb herrsche ein grosser Unmut in der Pfarrei, in der «alle geschlossen hinter Pfarradministrator Changeth stehen, mit Ausnahme der Kirchenverwaltung», sagt der Mann.

Er fügt hinzu: «Es geht nun darum, dass unser toller Pfarrer weiterhin seine Tätigkeit ausüben kann. Er hat es geschafft, dass wir in den Gottesdiensten mehr Menschen haben als vor der Pandemie. Durch sein gewinnendes Wesen kann er die Menschen sehr gut für den Glauben begeistern.»

Vor Ort heisst es, dass er die Pfarrei pastoral klug führe. Als 2021 herauskam, dass ein verstorbener Priester des Bistums Chur in Widnau mit einer Frau verheiratet war, sagte der Zölibats-Experte Changeth zu kath.ch: «Das Wichtigste ist, die Witwe zu unterstützen. Wir trauern mit ihr und haben kein Recht, andere zu verurteilen.»

Zwist wegen Kündigung

Doch was genau steckt nun hinter dem Zoff? Dazu muss man die Uhr wohl ein Jahr zurückdrehen. Damals entlud sich der ganze angestaute Frust über die fehlende Kommunikation. Dem damaligen Mesmer Stefan Widrig wurde von Seiten Kirchenverwaltung gekündigt. Widrig war während 16 Jahren in der Pfarrei tätig und wurde von vielen Kirchbürgerinnen und Kirchbürgern geschätzt.

Anscheinend war der Mesmer zu der Zeit, als die Kündigung gegen ihn ausgesprochen wurde, krankgeschrieben und hätte somit nicht in der vorgefallenen Art und Weise gekündigt werden dürfen. Das erregte den Unmut vieler Pfarreimitglieder.

An einer Informationsveranstaltung im März 2022 war es aus diesem Grund zu heftigen Wortwechseln gekommen – einerseits von Bürgerinnen und Bürgern, aber auch seitens des Kirchenverwaltungsrats.

Material gegen den Mesmer

Kirchenverwaltungspräsident Jean-Pierre Chéreau merkte damals an diesem Abend an, dass die Kündigung von einem rechtlichen Verfahren begleitet wurde. Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes gegenüber dem Mesmer könne auf Details der Kündigung nicht eingegangen werden. Es liege aber offenbar ein «voller Ordner mit Material über den Mesmer vor», wie vor einem Jahr ebenfalls im «Rheintaler» zu lesen war.

Am Schluss fanden Stefan Widrig und die Kirchenverwaltung zwar eine einvernehmliche Lösung, doch die Fragen danach, was ihm eigentlich genau zur Last gelegt wurde, blieben unbeantwortet.

Stefan Widrig selbst möchte sich dazu nicht äussern. «Ich will keinen Unfrieden stiften. Die Gemeinde soll damit abschliessen können. Bald gibt es eine neue Verwaltung und mit dieser soll es hoffnungsvoll weitergehen.»

Widrig nun in Nachbargemeinde angestellt

Seit Oktober 2022 arbeitet Widrig nun in der Nachbargemeinde in Diepoldsau als Mesmer. Das ist kurios, denn die Pfarrei St. Antonius gehört zur gleichen Seelsorgeeinheit. Wenn es wirklich, wie die Kirchenverwaltung vor einem Jahr behauptete, ein dickes Sündenregister gibt – wie konnte Widrig dann eine Anstellung in derselben Seelsorgeeinheit bekommen?

Das fragt sich auch das Kirchenmitglied, das anonym bleiben möchte: «Der Entscheid war unfair. Stefan Widrig hat 16 Jahre in Widnau einen guten Job als Mesmer geleistet und tut dies auch jetzt in Diepoldsau. Es spricht für sich, dass er in der Nachbargemeinde wieder eine gleichwertige Anstellung gefunden hat. Er hat sich nicht das Geringste zu Schulden kommen lassen.»

Neuer Rat gesucht

Seit Donnerstag steht in Widnau nun fest, dass sich die folgenden Personen nicht mehr zur Wiederwahl stellen: Jean-Pierre Chéreau (Präsident), Nicole Rüttimann (Vizepräsidentin), Karin Schwarz, Petra Stieger, Michael Kaufmann und Simon Rohrer.

Birgit Christine Törnell hat sich noch nicht entschieden. Bis Ende Dezember des laufenden Jahres bleiben die Mitglieder nun noch im Amt. Niemand von ihnen erklärte einen vorzeitigen Rücktritt.

Bis zum 30. Juni können sich neue Kandidatinnen und Kandidaten anmelden. Am 10. September wird neu gewählt. Ab Januar 2024 will die Kirchgemeinde dann mit einer neubesetzten Kirchenverwaltung auf dem Erfolgsweg der Pfarreiseite weitergehen. Die Hoffnungen liegen darauf, dass in die Kirchgemeinde wieder Frieden einkehre.


Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

https://www.kath.ch/newsd/knall-in-widnau-was-ist-in-der-kirchgemeinde-los/