Sektenvorwurf: Falun Gong klagt in Leipzig

Leipzig. «Falun Gong ist keine Sekte, sondern eine buddhistische Kultivierungsschule.» Für einen Moment verliert Xiong Wei ihr fernöstliches Lächeln. Mit Hilfe des Landgerichts Leipzig wollte die aus China stammende Bewegung gestern einen Wissenschaftler stoppen, der Falun Gong nicht nur als Sekte bezeichnet, sondern ihr auch noch die Titel «faschistoid» und «Psycho» verleiht. Doch der Gütetermin vor Gericht ist geplatzt, die in einer hessischen Zeitung verbreitete Behauptung wurde nicht zurückgenommen – jetzt klagt Falun Gong, das Landgericht hat das Verfahren eröffnet. Es wird der erste Prozess in Deutschland, in dem sich die Bewegung gegen den Sektenvorwurf wehrt. Dass der Rechtsstreit ausgerechnet in Leipzig ausgefochten wird, liegt an Frank Selbmann: Der Anwalt ist hier niedergelassen und hat die Klage für Falun Gong eingereicht.

Bislang habe man zu den Anschuldigungen geschwiegen, doch diesmal seien die Unterstellungen «besonders übel», erklärt Renate Lilge-Stodieck vom deutschen Falun-Gong-Informationsdienst faluninfo. «Es gibt keine Mitgliedslisten oder Beiträge, wir haben keine politischen Ziele oder Interessen und man braucht Falun Gong auch nicht abschwören, wie von der chinesischen Regierung behauptet, sondern kann einfach damit aufhören.» Bestes Beispiel sei einer ihrer beiden Söhne: Der habe die Meditation eine Weile ausprobiert – und eben nicht für sich entdeckt. «Denken Sie, dass ich ihn deswegen verstoßen habe?»

So umstritten die Bewegung auch sein mag, eine Sekte ist sie auf keinen Fall. Das sagt der Leipziger Religionswissenschaftler Hubert Seiwert, der in Deutschland als einer der wenigen Falun-Gong-Kenner gilt und zurzeit in Oxford lehrt. Es gebe keinerlei Informationen, dass von der «volksreligiösen Bewegung», so Seiwert, eine Gefahr ausgeht. Und weiter: «Die staatliche Propaganda legitimiert ihre Repression damit, dass es sich um eine falsche Lehre, eine Sekte, handelt.» Organisationen wie Amnesty International und die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte rufen Peking schon seit Jahren auf, die menschenverachtende Kampagne zu stoppen.

Trotz der weltweiten Proteste werden die Falun-Gong-Praktizierenden in China weiterhin verfolgt. Xiong Wei, die in Leipzig sozusagen als Kronzeugin auftritt, ist nur eines von zehntausenden Beispielen. Nach ihrem Wirtschaftsstudium in Berlin, wo sie Falun Gong für sich entdeckte, war die heute 35-Jährige 2001 in ihre Heimat zurückgekehrt und hatte für einen deutschen Konzern in Peking gearbeitet. Im Januar 2002 folgte schließlich das Unvermeidbare. Xiong Wei, Tochter eines Chefingenieurs und einer Kinderärztin, wurde beim Verteilen von Flugblättern festgenommen. Das Urteil, das die Behörden ohne Prozess oder Verfahren fällten: Zwei Jahre Arbeitslager. «Dort sollen wir umerzogen werden», sagt die schmächtige Frau und erzählt von Schlägen, Misshandlungen und tagelanger Steh- oder Hockfolter, von Ungeziefer und einer Zahnbürste, die für 23 Frauen reichen musste.

«Dabei hatte ich noch Glück. Die Polizisten waren nicht ganz so grausam zu mir wie zu anderen Frauen» – dank des Drucks aus Deutschland. Die Bundesregierung und der Kanzler höchstselbst setzten sich in Peking für Xiong Wei ein. Man habe «keinerlei Verständnis für das harte Vorgehen gegen die Anhänger von Falun Gong», heißt es beispielsweise in einem der Einsprüche. Unterschriften- und Postkartenaktionen gegen die Inhaftierung, unter anderem vom Leipziger Thomaskirchen-Pfarrer Christian Wolff initiiert, taten ihr Übriges. Nach ihrer Entlassung und einigen diplomatischen Winkelzügen der deutschen Botschaft ist Xiong Wei nun seit dieser Woche wieder in Deutschland – in der Freiheit, betont sie.

Andreas Debski


Falun Gong: http://www.lvz-online.de/aktuell/content/142355.html

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