Daniel Bogner: «Benedikt XVI. war ein Philosophen-König, ihm fehlte Gespür für das Politische»

Der Freiburger Theologe Daniel Bogner äussert sich zum Tod des emeritierten Papstes und resümiert kritisch über dessen Amtszeit: «Mit Weisheit alleine eine Kirche zu regieren, ist nur die halbe Miete».

Benedikt – der nach eigenen Beteuerungen gar nicht Papst werden wollte – hatte es als Nachfolger des charismatischen Polen Karol Wojtyla nicht leicht. Er war im Grunde ein Gelehrter, einer der grossen Theologen des 20. Jahrhunderts.

Ein Mann der Praxis war er weniger – was er auch selbst offen zugab. «Ich bin eben doch in der Hinsicht tatsächlich mehr ein Professor, jemand, der die geistigen Dinge überlegt und bedenkt», sagte er über sich. «Das praktische Regieren ist nicht so meine Seite.»

Fehlendes politisches Gespür

Durch die Wahl zum Papst wurde er nach den Worten des Theologen Daniel Bogner zum «Philosophen-König», den schon Platon beschrieben hatte. Bogner: «Mit Weisheit und Wahrheit alleine eine Kirche zu regieren, ist nur die halbe Miete, so könnte man sagen. Was dem Ratzinger-Papst fehlte, war ein Gespür für das Politische.»

Als er fünf Jahre im Amt war, stürzte die katholische Kirche in eine ihrer schwersten Krisen: Häppchenweise kamen ab 2010 jahrzehntelanger Kindesmissbrauch und Vertuschung ans Licht. Benedikt beklagte die «Sünde in der Kirche», bat um Vergebung und forderte «null Toleranz».

An den kirchlichen Strukturen, die nach Meinung vieler Experten den Missbrauch begünstigten, änderte er jedoch nichts: Die katholische Sexualmoral, das Machtmonopol der Männer, die herausgehobene Stellung der Priester, der Zölibat – all das blieb, wie es war.

Überraschender Rücktritt

Dies nicht etwa, weil Benedikt es nicht wagte, eine Erneuerung der Kirche in Angriff zu nehmen: Er sah schlicht keine Notwendigkeit dafür. Die krisenhafte Stimmung in der Kirche trug wohl mit dazu bei, dass er am 11. Februar 2013 den radikalsten Entschluss seines Lebens fasste und im Widerspruch zu allen Traditionen zurücktrat.

Er selbst begründete dies mit dem Alter und der schlechten Gesundheit. Die Ankündigung schlug ein wie ein Blitz: So etwas hatte es seit Hunderten von Jahren nicht mehr gegeben.

Seit seinem Rücktritt lebte Benedikt zurückgezogen in einem Kloster in den Vatikanischen Gärten. Der Missbrauchsskandal holte ihn noch einmal ein, als Anfang 2022 ein Gutachten zum Umgang des Erzbistums München und Freising mit mutmasslichen Tätern veröffentlicht wurde.

Abschied von den Geschwistern

Die Gutachter warfen Benedikt dabei Fehlverhalten in seiner Zeit als Erzbischof von 1977 bis 1981 vor. In einem Brief entschuldigte er sich daraufhin einmal mehr bei allen Betroffenen von sexualisierter Gewalt.

Danach wurde es endgültig still um den greisen Mann in Weiss. Deutschland hatte er 2020 zum letzten Mal betreten: Damals nahm er am Sterbebett Abschied von seinem älteren Bruder Georg, der ebenfalls Priester war.

Maria, die Älteste der drei Geschwister, war bereits 1991 gestorben. Der Bruder und die Schwester sind wohl die Menschen gewesen, die ihm zeitlebens am meisten bedeutet haben. (sda)


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