Stürmische Zeiten: «Don Giorgio», vier geweihte Jungfrauen und Birgit Wansing begleiten Benedikt XVI.

Georg Gänswein weilte in Deutschland, als sich Benedikts Gesundheitszustand verschlechterte. Der Privatsekretär eilte sofort nach Rom. Zu Benedikts Vertrauten gehören vier geweihte Jungfrauen, die «Comunione e Liberazione» nahestehen, und die Schönstatt-Schwester Birgit Wansing.

Severina Bartonitschek

Den engsten Vertrauten von Benedikt XVI. geht es derzeit ähnlich wie vielen Vatikan-Medienschaffenden. Die Wenigsten sind in Rom verwurzelt. Viele nutzten die Zeit zwischen den Jahren, um Familie, Freundinnen und Freunde in der Heimat zu besuchen. Die überraschende Mitteilung über den ernsten Zustand des 95-Jährigen hat darum eine wahre Reisewelle in die italienische Hauptstadt ausgelöst.

Georg Gänswein eilt nach Rom

Allen voran: Erzbischof Georg Gänswein. Der Privatsekretär des emeritierten Papstes befand sich in Deutschland, als sich die Situation seines Chefs im Vatikan zuspitzte. Er reiste umgehend an seinen eigentlichen Wohnort zurück.

Seit seinem Rücktritt 2013 lebt Benedikt XVI. in einem ehemaligen Kloster im Vatikan. Rechts vom Petersdom geht es hoch in die Vatikanischen Gärten. Hinter dem imposanten Adlerbrunnen erhebt sich das Gebäude mit dem Namen «Mater ecclesiae» («Mutter der Kirche») als heller Ziegelbau mit angeschlossener Kapelle. Davor: ein Garten mit Blumen und Gemüse.

Der Mann an Benedikts Seite

Als es ihm noch besser ging, feierte der emeritierte Papst jeden Morgen in der Hauskapelle eine Messe. Derzeit soll er im Schlafzimmer im ersten Stock des Klosters liegen. Laut Medienberichten feiert er trotz seines Gesundheitszustands den täglichen Gottesdienst mit. Sein Privatsekretär Gänswein zelebriert neben dem bettlägerigen Benedikt, der eine Stola über den Schultern trägt.

Seit bald 20 Jahren ist der Erzbischof an Benedikts Seite. Eigentlich als Provisorium gedacht, machte ihn Joseph Ratzinger noch als Leiter der vatikanischen Glaubensbehörde zu seinem Privatsekretär. Geplant war diese Funktion bis zum baldigen Ruhestand Ratzingers. Mit der Wahl zum Papst im Jahr 2005 wurde daraus nichts. Gänswein blieb an seiner Seite. Drei Monate vor seinem Rücktritt ernannte der Papst seinen Sekretär zum Erzbischof und Präfekten des Päpstlichen Hauses. In dieser Rolle organisierte Gänswein etwa päpstliche Zeremonien und Audienzen sowie Reisen innerhalb Italiens.

Franziskus entmachtet Gänswein

Auch nach dem Rücktritt blieb Gänswein an der Seite von Benedikt, zugleich aktiv als Leiter der Präfektur. Nach einer Kontroverse über einen Buchbeitrag des emeritierten Papstes im Jahr 2020 stellte Franziskus den Erzbischof kalt, er beurlaubte ihn von seinem Posten im Apostolischen Palast – bis heute. Der einzige päpstliche Auftrag für den gebürtigen Schwarzwälder: sich ausschliesslich um den «Papa emeritus» zu kümmern.

Das macht «Don Giorgio» gemeinsam mit vier Frauen der geistlichen Gemeinschaft «Memores Domini». Diese steht in enger Verbindung zur Bewegung «Comunione e Liberazione».

Ein Leben in Armut, Keuschheit und Gehorsam

Schon im Apostolischen Palast kümmerten sie sich um den Haushalt von Benedikt XVI. Carmela Galiandro, Loredana Patrono, Rossella Teragnoli und Cristina Cernetti sind keine Ordensschwestern im eigentlichen Sinne, sondern sogenannte geweihte Jungfrauen. Wie Ordensfrauen geloben sie ihrem Bischof Armut, Keuschheit und Gehorsam. Die Art und Weise, wie sie ihr Charisma leben – stärker kontemplativ oder aktiv –, ist ihnen jedoch freigestellt.

In der 1964 in Mailand gegründeten Laienvereinigung «Memores Domini» leben die Mitglieder gemeinschaftlich in Häusern, Frauen und Männer getrennt. Zu ihren Regeln zählt etwa die Stille, das persönliche und gemeinsame Gebet sowie Nächstenliebe. Die Vereinigung zählt weltweit etwa 1600 Mitglieder in 32 Ländern.

Birgit Wansing kennt alle Schriften Benedikts

Während sich die vier Frauen um das Haus und um das leibliche Wohl kümmern, ist Birgit Wansing für die Schreibarbeiten zuständig. Die deutsche Schwester der Schönstatt-Gemeinschaft erledigte schon Benedikts Schriftverkehr, als er noch der Glaubensbehörde vorstand. Sie ist dafür bekannt, seine Handschrift besser als jeder andere lesen zu können. Die langjährige Papst-Mitarbeiterin lebt zwar nicht im ehemaligen Kloster, soll sich aber derzeit an der Seite ihres Chefs aufhalten.

Die medizinische Versorgung liegt in den Händen von Krankenpfleger Bruder Eligius und Intensivmediziner Patrizio Polisca. Der 69-jährige Polisca kennt Benedikt schon seit über 30 Jahren. Er war von 2010 bis 2015 Leibarzt der beiden Päpste und ist heute im Vatikan nur noch für Benedikt zuständig. Bereits 2005 begleitete der Herzspezialist Papst Johannes Paul II. in seinen letzten Lebenswochen. Da Benedikt sich dem Vernehmen nach nicht in ein Krankenhaus verlegen lassen möchte, kommt dem Arzt eine besondere Rolle zu.

Gänsweins Treue-Eid gilt «ewig»

Wie es für die Mitarbeiter des ehemaligen Kirchenoberhaupts nach dessen Tod weitergeht, vermag bislang keiner zu sagen. Insbesondere die Zukunft des erst 66-jährigen Privatsekretärs Gänswein ist ungewiss. Die Versetzung in ein deutsches Bistum etwa als Diözesanbischof gilt als unwahrscheinlich. Zudem ist er von seinem Posten als Chef des Päpstlichen Hauses lediglich freigestellt, offiziell hat ihn Franziskus nicht entlassen.

Anlässlich seines 65-jährigen Geburtstags im vorigen Jahr erklärte der Erzbischof: «Ich versuche, nicht mehr mit meiner Situation zu hadern, und tue, was mein Auftrag ist.» Gerade lautet dieser, seinem Chef auf dem letzten Weg beizustehen. Ihm schwor Gänswein bei der Papstwahl den Treue-Eid und «der gilt selbstverständlich ewig, bis zum letzten Moment», so der deutsche Erzbischof. (cic)


Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

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