Wir warten nicht mehr auf die Bischöfe: Wie Katholikinnen verbinden, was zusammengehört

In den Pfarreien, Diözesen und Ordensgemeinschaften weltweit stehen die gleichen Veränderungen an. Deshalb spannen Frauen im Catholic Women’s Council zusammen. Wie das globale Netzwerk entstand und wie wichtig es gerade im synodalen Prozess auch für die Schweizer Kirche ist, zeigt Regula Grünenfelder in einem Gastbeitrag.

Regula Grünenfelder* 

Katholikinnen haben weltweit angefangen, miteinander zu reden, einander zu erzählen, wie es ihnen geht, wie sie feiern, was sie denken, wonach sie sich sehnen, worunter sie leiden. Sie wissen zu wenig voneinander. Nun entfaltet sich im Catholic Women’s Council (CWC) die Eigendynamik eines Gesprächs, denn Frauen warten nicht mehr angesichts ihrer Sehnsucht nach einer würdigen und gerechten Kirche. 

Machtmissbrauch widersprechen dem Evangelium

Die Kirchenprobleme vor Ort sind überall die gleichen: egal ob in der Schweiz, in Deutschland, Indien, Lateinamerika, Afrika, oder Irland, wo sich 96 Prozent der Gläubigen für die sakramentale Sendung von Frauen ausgesprochen haben.

Gleiche Würde und gleiche Rechte werden in der ganzen Weltkirche dringlich einfordert. Machtmissbrauch und Ausgrenzung schaden den Menschen und widersprechen der frohen Botschaft zutiefst.

Gemeindeleiterinnen feiern die Sakramente

Nach Jahrzehnten warten Katholikinnen nun nicht mehr darauf, dass die Bischöfe ihre Mitschwestern anwaltschaftlich vertreten und in Resonanz bringen mit den Stimmen der Frauen anderer Bistümer. Die Frauen reden jetzt selber miteinander.

Ein Beispiel im Rückblick auf die Amazonas-Synode 2019: Das Anliegen der abgelegenen Pfarreien auf Anerkennung der sakramentalen Dienste, die verheiratete Männer und Frauen unter ihnen leisten, wurde nicht gehört. Gemeindeleiterinnen in Amazonien feiern die Sakramente. Sie machen alles, müssen alles machen; in manchen Gegenden schaut manchmal monate- oder jahrelang kein Priester vorbei. 

Frauen in der Kirche: unterbezahlt, maximal halbherzig anerkannt

Es wäre an der Amazonas-Synode möglich gewesen, dass afrikanische, indische, nordamerikanische, europäische Bischöfe aufstehen und sagen: Wir sehen eure Situation und wir legen die Erfahrungen unserer Schwestern in Pfarreien und Ordensgemeinschaften dazu. 

Sie hätten von Strukturen und Prioritäten berichten können, die allen schaden. Von der vielen Arbeit, die übrig bleibt und von Frauen getan wird – findig, engagiert, unterbezahlt, maximal halbherzig anerkannt. Von den Frauen, die sich oft auch noch dafür rechtfertigen oder abstrafen lassen müssen, wenn sie das pastoral Notwenige tun. Von der sakramentalen Austrocknung, die aus vielerlei Gründen in Diözesen, Pfarreien und Ordensgemeinschaften eingetreten ist. 

CWC: Ein lernendes Netzwerk rund um den Globus

Im Februar 2020 entstand das globale CWC in Rom, nachdem sich im Herbst 2019 in Stuttgart Ordensfrauen, Verbandsvertreterinnen und Aktivistinnen getroffen hatten, um sich erstmals in ihrem gemeinsamen Anliegen zu verbinden. 

Chantal Götz, die Geschäftsführerin der Fidel-Götz-Stiftung, hatte mit «Voices of Faith» Voraussetzungen dafür geschaffen. Dank ihrer Weitsicht und Initiative kam das CWC zustande – wie übrigens viele andere Aufbrüche und Prozesse für gleiche Würde und gleiche Rechte in der römisch-katholischen Kirche. 

Global und interkulturell

Inzwischen wurde ein feines globales Netz engagierter Frauen gesponnen und ein interkontinentales Board gebildet mit der indischen Theologin, Katechetin, Journalistin und Friedensaktivistin Virginia Saldanha als Vorsitzende. Die Schweiz ist mit Franziska Zen Ruffinen vertreten. Die Gynäkologin ist Mitglied des Frauenrates der Schweizer Bischofskonferenz.

Ein äusserst anspruchsvoller Prozess hat in zwei Jahren zu einer Organisationsform geführt, die mit kulturellen Unterschieden, Kolonialgeschichte, Kommunikationsherausforderungen umgeht, um einander Resonanzraum zu sein und darin das gemeinsame Notwendige zu finden.

In Beziehung unterwegs

Frauen brauchen kein katholisches Jodeldiplom, wie Christiane Florin sagt. Frauen brauchen eine synodale Kirche, in der alle Menschen die gleiche Würde und die gleichen Rechte haben und diese respektiert und schützt.

Bereits vor dem synodalen Prozess hatte das globale CWC-Board begonnen, eine globale Frauensynode zu organisieren. Dafür legten Sprach- und Kontinentalgruppen die brennendsten Themen zusammen. Seit dem Internationalen Frauentag 2022 finden fünf globale Hearings statt: 

  1. Frauen in der Kirche
  2. Macht, Partizipation und Beteiligung
  3. Strukturen, Rechenschaftspflicht und Transparenz
  4. Widerstand und Hoffnung
  5. Sakramentales Leben. 

Jeweils eine Kontinental- oder Sprachgruppe leitet ein Hearing. Das bedeutet: Rund um den Globus wird die Verantwortung weitergegeben. Begonnen hatte das spanisch-lateinamerikanische Netzwerk. 

Inderinnen tanzen zu einer Erklärung

Am kommenden Samstag, 25. Juni, findet das fünfte Hearing statt. Gastgeberinnen sind dann die Australierinnen. Diese sorgen für den Rahmen, für Gebete und Grundlagenreferate. Sie laden die anderen Weltgegenden ein und geben ihnen Raum, ihre Erfahrungen und Einsichten dazuzulegen. So wie dies beispielsweise die Inderinnen am vierten Hearing getan haben mit einer getanzten Erklärung:

Virtuelle Diskussionsräume ermöglichen Austausch und Vertiefung. Willkommen sind selbstverständlich auch Kirchenmänner. 

Am kommenden Samstag wird Karin Klemm zum Thema Sakramentalität ein Grundlagenreferat halten und von den Anliegen und Reflexionen der #Junia-Initiative berichten. Sie wird in ihrem Beitrag Lk 22,15 zitieren: «Ich habe mich so nach euch gesehnt!». Kein Heil ausserhalb von Beziehung! Sakramente sind sichtbare und spürbare Zeichen der Ewigen auf dem Boden seelsorgerlicher Beziehungen, weil Menschen beides brauchen, Zeichen und Beziehung.

Eine einmalige Chance – auch für die Schweizer Kirche

Zwei ebenfalls interkontinental zusammengesetzte Teams werden von kommender Woche an die Ergebnisse bündeln und ins weltweite Gespräch zurückgeben. Das CWC ist gegenwärtig Hoffnungsfunke und Prüfstein für die Synode 2023. 

Die gleichen Probleme, die im synodalen Prozess in der Schweiz auf den Tisch gekommen sind, plagen und erschüttern die Gläubigen überall. Alle in der Kirche brauchen einen neuen, gesunden und heilsamen Umgang mit Macht, brauchen Transparenz, Qualität, Partizipation und Ehrlichkeit. Aus Eigeninteresse und in Solidarität mit den Geschwistern kann die Schweizer Kirche im synodalen Prozess lernen und umsetzen, was würdig und recht ist. 

* Die promovierte Theologin Regula Grünenfelder ist Vorstandsmitglied des Trägervereins CWC Schweiz zur Regelung der Finanzen des globalen CWC.


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https://www.kath.ch/newsd/wir-warten-nicht-mehr-auf-die-bischoefe-wie-katholikinnen-verbinden-was-zusammengehoert/