Warum hat Kardinal König Joseph Bonnemain zum Priester geweiht?

Der Luzerner Exeget Walter Kirchschläger (74) war drei Jahre lang Sekretär des Wiener Kardinals Franz König. Dieser hat 1978 Männer des Opus Dei in Spanien zu Priestern geweiht – darunter auch Joseph Bonnemain. Wie kam es dazu?

Raphael Rauch

Am 15. August 1978 war Kardinal König in Spanien, um Opus-Dei-Männer zu Priestern zu weihen. Wissen Sie mehr darüber?

Walter Kirchschläger*: Hier zeigt sich die Klugheit des Opus Dei. Anfang der 1970er-Jahre hat das Opus Dei versucht, in Wien Fuss zu fassen. Der damalige Leiter des österreichischen Opus Dei hat immer wieder Kardinal König besucht und mit ihm Kontakt gepflegt. Auf intellektueller Ebene haben sich die beiden Herren sehr gut verstanden. Der Kardinal hat ihnen dann eine eigene Kirche zur Verfügung gestellt: St. Peter im ersten Bezirk. Wie sich das entwickelt hat, weiss ich nicht – aber eine übermässige Erfolgsstory war es nicht. Und aufgrund dieser persönlichen Kontakte wurde dann Kardinal König zur Priesterweihe nach Spanien eingeladen.

Im Weihejahrgang von 1978 gibt es aus Schweizer Sicht zwei bekannte Männer: Joseph Bonnemain, Bischof von Chur, und José Horacio Gómez, Erzbischof von Los Angeles und Präsident der US-Bischofskonferenz. Hat Ihnen der Kardinal von der Priesterweihe 1978 berichtet?

Kirchschläger: Ich war 1970 bis 1973 Sekretär von Kardinal König. Mein Nach-Nachfolger hat mir erzählt, dass der Kardinal gerne nach Spanien gereist ist. Er war ja ein intellektueller Mensch und entsprechend neugierig, respektvoll und wertschätzend. Der Kardinal war von mehreren Priesteramtskandidaten ausgegangen. Doch am Vorabend der Priesterweihe, bei der Vorstellung der Kandidaten, hat es den Kardinal fast umgehauen: Das waren über hundert Männer, die sich ihm vorgestellt haben – und alle mit einem unterschiedlichen wissenschaftlichen Hintergrund. Der eine war Arzt, der andere Jurist, der andere Philologe. Kardinal König hatte als Erzbischof von Wien maximal 20 Leute auf einmal geweiht. Und jetzt hatte er eine ganze Armada vor sich. Der Kardinal hat etwas gebraucht, das einzuordnen. Aber das Staunen darüber, das ist ihm natürlich geblieben. 

«Von der früheren Wertschätzung für das Opus Dei war nicht mehr viel übriggeblieben.» 

Wurde Kardinal König zu einem Freund des Opus Dei?

Kirchschläger: Nein. Gerade in den letzten Lebensjahren ist er gegenüber dem Opus Dei erheblich kritischer geworden. Ich bin ja mit ihm in Kontakt geblieben und von der früheren Wertschätzung war nicht mehr viel übriggeblieben. 

Was erwarten Sie von Bischof Joseph Bonnemain, der von Kardinal König zum Priester geweiht wurde?

Kirchschläger: Man könnte von ihm erwarten, dass er sich an der Offenheit des Kardinals orientiert. Und dass er sich das zu Herzen nimmt, was Kardinal König zu seinem 50. Bischofsjubiläum betont hat. Das Gedenkbild zitiert die Apostelgeschichte, wo Gamaliel sagt: «Wenn dieses Vorhaben oder dieses Werk von Menschen stammt, wird es zerstört werden; stammt es aber von Gott, so könnt ihr es nicht vernichten.»

Was heisst das konkret?

Kirchschläger: Keine vorschnellen Urteile. Gerade in der Pastoral zeigt sich im Laufe der Zeit, was Bestand hat und was nicht. Gamaliel hat damals den Hohenrat vor einem vorschnellen Eingreifen gewarnt. Das wäre ein wichtiges Element in einem klugen Führungsstil. 

«Kardinal König hat gesagt: ‘Schauen wir mal.’»

Was war Kardinal König für ein Mensch?

Kirchschläger: Kardinal König war ein Bischof, der gewähren liess. Er hat in der Pastoral in Wien Freiräume nach allen Seiten hin geöffnet: Es gab das Opus Dei, aber auch die Pfarre in der Machstrasse. Dort wurde schon in den 1970er-Jahren die Kommunion unter beiderlei Gestalt ausgeteilt: nicht nur am Gründonnerstag, sondern in jedem Sonntagsgottesdienst. Dies geschah unter Zuhilfenahme von kleinen Gläsern und Krügen. Darüber haben sich dann Konservative aufgeregt. Und Liberale haben sich aufgeregt, weil König das Opus Dei gewähren liess. Kardinal König war keiner, der sofort die Zügel angezogen hat. Sondern er sagte: «Schauen wir mal.» Ich selbst bin auch ein Beispiel für dieses «Schauen wir mal».

Inwiefern?

Kirchschläger: Der Kardinal hat damals Vorwürfe vom Nuntius in Wien bekommen, weil er mich als Laien zum persönlichen Sekretär ernannt hatte. Die Bischofskongregation hatte darauf dem Kardinal geschrieben: Wenn der Heilige Vater stirbt, dann können Sie Ihren Sekretär nicht mit zum Konklave nehmen. Der Kardinal hat dann relativ trocken geantwortet, dass der Heilige Vater doch bei guter Gesundheit sei. Und wenn es doch anders käme – «was Gott noch lange verhüten möge!» –, dann werde sich sicher ein Priester finden, der ihn zum Konklave begleiten könnte.

* Walter Kirchschläger (74) ist emeritierter Professor für Neues Testament der Uni Luzern. Er stammt aus Österreich und war von 1970 bis 1973 Sekretär des Wiener Erzbischofs, Kardinal Franz König. Dieser lebte von 1905 bis 2004 und war von 1956 bis 1985 Erzbischof von Wien.


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https://www.kath.ch/newsd/warum-hat-kardinal-koenig-joseph-bonnemain-zum-priester-geweiht/