Fast eine Familie

Der Film «La mif» gewährt Einblick in ein Heim für verhaltensauffällige Mädchen. In einem explosiv-energetischen Drama werden Mädchen porträtiert, die in ihrem kurzen Leben bereits Missbrauch, Misshandlung oder Vernachlässigung erfahren und im Heim auch mit institutionellen Problemen zu kämpfen haben.

Sarah Stutte

Lora ist Leiterin eines Heims für verhaltensauffällige Jugendliche in der Westschweiz. Nachdem dort zwei minderjährige Teenager beim Sex erwischt wurden, kassiert sie eine Rüge und darf in der Folge nur noch Mädchen beherbergen. Alle kommen aus schwierigen Verhältnissen, einige sind misshandelt, missbraucht oder von Erwachsenen im Stich gelassen worden. In diesem Heim aber finden sie Liebe, Solidarität und «la mif» – eine Familie.

Konflikte an der Tagesordnung

Trotzdem sind Konflikte unter den Mädchen und mit ihren Betreuenden an der Tagesordnung. Unter allem brodelt Loras unverarbeitetes Trauma, der Verlust ihrer eigenen Tochter. Das zieht ihr langsam den Boden unter den Füssen weg und lässt die Dinge ausser Kontrolle geraten.

Dysfunktionale Aufsichtspersonen

Dem Genfer Filmemacher und ehemaligen Sozialarbeiter Fred Baillif ist mit «La mif» ein explosiv-energetisches Drama gelungen. Es gewährt einen realistischen Einblick in ein Heim, in dem das Aufsichtspersonal noch dysfunktionaler scheint als die Insassinnen selbst. Diese werden von jungen Laiendarstellerinnen verkörpert, die grösstenteils tatsächlich in solchen Einrichtungen leben.

Mit Vehemenz und Aufrichtigkeit gespielt

Durch ihre eigenen Erfahrungen und Improvisationen formen sie die Geschichten, die Baillif in starken Einzelporträts nachzeichnet – mit einer Kamera, die immer nahe an den Figuren bleibt. «La mif» ist ein beeindruckendes Ensemblestück, das institutionelle Probleme offenbart und mit viel Vehemenz und Aufrichtigkeit gespielt ist.

«La mif» hat den Filmpreis der Kirchen am ZFF 2021 gewonnen.

«La mif», Schweiz 2021, Regie: Fred Baillif, Besetzung: Claudia Grob, Anaïs Uldry, Kassia Da Costa, Verleih: Aardvark Film Emporium, www.aardvarkfilm.com

Kinostart: 17. März 2022

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