Lacht die RTS-Serie «La vie de J.C.» über oder mit Jesus?

Eigentlich will J.C. nur das Reich Gottes verkünden. Stattdessen muss er sich mit inklusiver Sprache, furzenden Aposteln und seiner dominanten Freundin Maria Magdalena herumschlagen. Die Westschweizer Satire-Serie «La vie de J.C.» erzählt Episoden aus Jesu Leben. Ist das lustig oder blasphemisch?

Natalie Fritz

«Das wird spektakulär! », treibt die Stimme Gottes Jesus – oder J.C., wie er im Film genannt wird, an. J.C. zögert: «Spektakulär? Es ist ja niemand am Strand?» Gott beginnt zu sticheln: «Vielleicht hast Du auch Angst vor dem kalten Wasser?» J.C. fasst sich ein Herz, steht im Boot auf und setzt vorsichtig einen Fuss auf die Wasseroberfläche. Er versinkt nicht! J.C. wagt einen weiteren Schritt… und taucht ab. Petrus und Simon im Boot schauen perplex und ein schadenfreudiges Lachen erklingt. Gott hat seinen Sohn reingelegt und amüsiert sich köstlich.

Satire und Religion

Gott, schadenfroh? Der Humor der Westschweizer Satire-Serie «La vie de J.C.», die RTS ab dem 18. September 2021 samstäglich um 20:10 ausstrahlte, mag für manche Zuschauenden gewöhnungsbedürftig sein. Nebst einem schadenfreudigen Gott bevölkern dümmliche Apostel, eine nörgelnde Mutter Maria und ein etwas weltfremder J.C. die biblische Szenerie. Die Figuren stammen aus der Feder des Comiczeichners Zep und wurden vom Filmemacher Gary Grenier adaptiert.

Es ist der Zweck der Satire, zu provozieren und das Publikum aufzufordern, Normen und Konventionen zu reflektieren. Religion als wichtige gesellschaftliche Normierungsinstanz ist ein ideales Ziel. Aber die Geschichte – auch die jüngere – hat uns gelehrt, dass ein satirischer Blick auf religiöse Figuren und Erzählungen heikel sein kann. Was «heilig» ist, das wird nicht hinterfragt, Mehrdeutigkeit hat keinen Platz – zumindest in ideologisierten Kreisen.

Wenn man sich nun die 20 Episoden der ersten Staffel von «La vie de J.C.» anschaut, versteht man, warum die Serie keinen öffentlichen Entrüstungs-Sturm, sondern nur etwas lauwarme Luft provoziert hat. Die drei bis vier-minütigen Episoden sind mal mehr, mal weniger komisch und nie wirklich böse. Dennoch empfinden einige entrüstete Stimmen die Serie als blasphemisch. Ist sie das?

Blasphemie oder Geschmackssache?

Im Schweizerischen Strafgesetzbuch Artikel 261 steht: «Wer öffentlich und in gemeiner Weise die Überzeugung anderer in Glaubenssachen – insbesondere den Glauben an Gott – beschimpft oder verspottet, oder Gegenstände religiöser Verehrung verunehrt, der wird zu einer Busse verurteilt.» Das gilt auch heute noch, obwohl im Dezember 2018 eine Motion eingereicht worden war, die die Abschaffung des sogenannten «Blasphemie»-Artikels forderte. Der Bundesrat kam im Februar 2019 zum Schluss, dass es im Sinne eines guten Miteinanders diesen Artikel im Strafgesetzbuch auch weiterhin brauche.

Bei genauer Betrachtung kommt man zum Schluss, dass die Serie den oben erwähnten Tatbestand der Blasphemie nicht erfüllt. In den einzelnen Episoden werden weder Gott noch Jesus noch der christliche Glaube verhöhnt oder beleidigt. Gewisse Witze mögen kindisch oder banal sein, aber Humor ist Geschmackssache. J.C.s ist «ganz Mensch». Entsprechend wird er mit urmenschlichen Alltagsproblemen konfrontiert. Die Komik entspringt der Absurdität der jeweiligen Situationen. Wenn sich Maria, J.C.s Mutter, darüber aufregt, dass ihr Sohn lieber mit seinen Kollegen Gottes Reich verkünden will als sie zur Grossmutter zu machen, ist J.C.s Hilflosigkeit nicht nur sympathisch, sondern absolut nachvollziehbar.

Ein nahbarer Jesus

J.C. nimmt seine Mission sehr ernst. So überlegt er sich mit den Aposteln Techniken, wie er die Gleichnisse dem Publikum überzeugend präsentieren soll (mit Gesang oder Tanz?). Und Maria Magdalena macht ihn darauf aufmerksam, dass er mit inklusiver Sprache seine Sendungs-Reichweite vergrössern kann.

Natürlich kommen seine Bemühungen nicht immer gleich gut an, häufig werden sie sogar missverstanden. Etwa wenn Simon J.C. in der 1. Episode bittet, seine Ehefrau zu verschönern. J.C. versucht vergeblich zu erklären, dass er kein «Wunderdienstleister» sei, knickt aber schliesslich ein. Das hat ungewollte Folgen…

Die Gutmütigkeit zeichnet diesen Jesus aus und macht ihn nahbar. Man leidet mit ihm, wenn er als «Wunderdoktor» plötzlich schönheitschirurgische Mirakel tätigen soll. Man versteht sein Augenrollen, wenn die Apostel wie Adoleszente zweideutige Witze über seine Gleichnisse machen. Und wenn J.C. vergeblich versucht, Maria Magdalenas aufdringlicher Zärtlichkeit zu entkommen, hat das etwas Rührendes.

In seiner Naivität erinnert J.C. an Monty Pythons berühmten Parallel-Jesus Brian aus dem Jahr 1979. Damals protestierten Gläubige weltweit gegen die Veröffentlichung des Films und erhoben Blasphemievorwürfe gegen die Kult-Satire. Aber wie bei «La vie de J.C.» waren sie auch bei «Monty Python’s Life of Brian» nicht haltbar.

Empörung aus konservativen Kreisen

Entsprechend klein ist das Grüppchen, das sich am Abend des 29. Oktober 2021 in Genf eingefunden hat, um gegen die Serie und ihre Ausstrahlung zu demonstrieren. Laut «24 Heures» bestand sie aus einigen VertreterInnen der Civitas, einer ultra-konservativen, katholischen Gemeinschaft, die ursprünglich den Piusbrüdern und heute den Kapuzinern von Morgon nahesteht. Empörung über die Sendung vernimmt man im Herbst 2021 lediglich aus rechtskatholischen und freikirchlichen Kreisen. Obwohl die Serie sich nicht lustig macht über den christlichen Glauben, sah sich der Publikumsrat von RTS dazu veranlasst, eine Evaluation der Serie durchzuführen. In seinem am 17. Januar 2022 veröffentlichten Statement stellt der Rat fest, dass die Reaktionen reformierter wie katholischer TheologInnen verdeutlichen würden, dass Humor und christlicher Glaube durchaus vereinbar seien.

Jesus – eine mediale Ikone

Noch interessanter ist die Feststellung des Publikumsrats, dass «La vie de J.C.» Jesus in die öffentliche Wahrnehmung und somit in die gesellschaftliche Diskussion zurückbringe. Tatsächlich sind Jesus und die Erzählungen rund um sein Leben seit jeher medial präsent. Deshalb wissen wir auch alle ganz genau, wie Jesus aussieht. So, wie auf den mittelalterlichen Altarbildern oder in den Historienschinken aus dem noch jungen Hollywood.

Wie jedes Medium widerspiegelt auch der Film die Gesellschaft seiner Zeit mit ihren Problemen, Ängsten und Hoffnungen. Das betrifft auch die Bibel-Filme. So stand 1964 in Pasolinis «Das 1. Evangelium – Matthäus» der sozialkritische Aspekt von Jesu Verkündigung im Zentrum. Und die Figur des Jesus wird zum Revolutionär. 2021 bei Milo Raus «Das neue Evangelium» geht es um Würde und Gleichheit. Jesus ist hier ein Politaktivist aus Kamerun, der sich für die illegalen Landarbeiter in Italien einsetzt.

Jesus und seine biblischen Geschichten bleiben mit jeder weiteren medialen Umsetzung im Gespräch. Die biblischen Erzählungen sind immer noch relevant. Sie verhandeln fundamentale Themen und vermitteln Werte und Normen. Natürlich befeuern Filme oder TV-Serien keine neue Evangelisation, aber gerade im Religionsunterricht lassen sie sich gut einsetzen, um die Digital Nativs abzuholen und mit ihnen über die Bibel und ihre Figuren zu diskutieren.

Man kann «La vie de J.C.» amüsant, provokativ oder banal finden, aber seine Existenzberechtigung im zeitgenössischen Kontext darf man der Serie nicht absprechen.


Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

https://www.kath.ch/newsd/lacht-die-rts-serie-la-vie-de-j-c-ueber-oder-mit-jesus/