Bischof Joseph Bonnemain: Die Churer Domherren sollten Diakonie-Revolutionäre sein

Auf dem Papier ist das Churer Domkapitel wieder komplett. Doch sechs Domherren fehlten am Donnerstagabend in der Churer Kathedrale – darunter Martin Grichting und Gion-Luzi Bühler. Bischof Joseph Bonnemain kündigte an, Gelder des Domkapitels in die Diakonie zu investieren.

Raphael Rauch

Donnerstagabend in der Churer Kathedrale: Bischof Joseph Bonnemain berichtet in seiner Predigt von vergangenen Zeiten, in denen Domherren «Brüder des Bischofs» genannt wurden. Joseph und seine Brüder – das ist in Chur jedoch nach wie vor mehr Wunsch als Wirklichkeit.

Zerstrittenes Domkapitel

Der ehemalige Generalvikar Martin Grichting fehlt zur Installation der neuen Domherren-Kollegen ebenso wie Dompfarrer Gion-Luzi Bühler. Dieser hatte bei der denkwürdigen Domkapitel-Sitzung im November 2020 Joseph Bonnemain die «grösste Priesterenttäuschung seines Lebens» genannt.

Bei der Installation der neuen Domherren erfahren die Gläubigen später, welches Treueversprechen ein Domherr abgibt: dem «Bistum Chur treu zu dienen», «für die Belange der Kathedrale» einzustehen» und den «Verpflichtungen im Domkapitel nachzukommen».

Domherren als «Pioniere des Heils»

Bischof Joseph Bonnemain findet: «Die gelebte Geschwisterlichkeit aller Domherren unter sich sollte eine grosse Motivation und ein ausstrahlendes Vorbild für die ganze Diözese sein.» Und: «Sind wir uns alle bewusst, dass die Geschwisterlichkeit, die Versöhnung und die Eintracht im Bistum bei uns beginnen sollten?»

Der neue Bischof von Chur kommentiert die Abwesenheit der Domherren nicht. Er hegt die Hoffnung: «Die Gläubigen überall werden sofort feststellen, dass jeder von uns über die anderen Mitbrüder nur Gutes sagt, keine destruktive Kritik übt oder zulässt und die Mängel der anderen Domherren nachsichtlich entschuldigt.» Er ruft die neuen Domherren dazu auf, «Pioniere des Heils» zu werden.

Domkapitel verfügt «über ein beträchtliches Vermögen»

Noch wichtiger ist dem Bischof von Chur aber ein anderes Anliegen: eine diakonische Kirche. Er nimmt die Domherren in die Pflicht: «Die Definition eines Domherrn von Chur sollte lauten: Er ist ein Diakonie-Revolutionär.»

Laut Bischof Joseph Bonnemain verfügt das Domkapitel «über ein beträchtliches Vermögen». Er plädiert dafür, «vermehrt und grossherzig diakonische Projekte im Bistum» zu ermöglichen und zu unterstützen. «Die Armen wirksam zu verehren, kann als erster Zweck des Domkapitels unserer Lieben Frau zu Chur verstanden werden.»

Bonnemain zitiert Opus-Dei-Freund

Doch passt das zur Satzung des Domkapitels? Ja, findet Bischof Joseph Bonnemain. Er berichtet von einem Opus-Dei-Freund, von Mauro Longhi. Der war ein Vertrauter von Papst Johannes Paul II. und soll diesen einmal gefragt haben: «Was machen Sie zwei Stunden vor dem Tabernakel?» Papst Johannes Paul II. soll ihm geantwortet haben: «Mauro, wenn ich nicht viele anbetende Stunden vor dem Allerheiligsten verbracht hätte, hätte ich nicht gelernt, vor jedem Menschen niederzuknien.»

Joseph Bonnemain zitiert auch Franziskus’ Predigt in der Christmette: «Gott lasse uns eine anbetende, arme und geschwisterliche Kirche sein. Das ist das Wesentliche.» 

Mehr Diakonie wagen

Für den Bischof von Chur steht fest: «Da der Kult und die Liturgie – die Anbetung und die  Ehre Gottes – Hauptziele des Domkapitels sind, sollte es möglich sein, dass unser Kapitel vermehrt und grossherzig diakonische Projekte im Bistum ermöglicht und  unterstützt.»

Zum Schluss seiner Predigt wünscht sich Joseph Bonnemain «ein anbetendes, armes und geschwisterliches» Domkapitel. Die neu installierten Domherren scheinen die Botschaft verstanden zu haben. Dompropst Albert Fischer und Domkantor Jürg Stuker sind die neuen residierenden Domherren. Hinzu kommen die nicht-residierenden Domherren Luis Varandas, Daniel Krieg, Adrian Lüchinger und Karl Wilhelm Wolf.

Sie erhalten das Kapitelkreuz des Domkapitels und steigen hoch ins Chorgestühl. Gemessen werden sie an der Frage, ob sie Diakonie-Revolutionäre werden.


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