Bischof Felix Gmür: Mit der Studie haben wir auch im Gespräch mit der Weltkirche mehr Gewicht

Als erstes Bistum der Schweiz hat das Bistum Basel einen Zwischenstand zum synodalen Prozess vorgelegt. Bischof Felix Gmür (55) sagt: «Wir müssen jede Möglichkeit wahrnehmen, um die Lebendigkeit der Kirche zu erhalten.»

Raphael Rauch

Für Papst Franziskus ist Synodalität keine Meinungsumfrage. Trotzdem gab es die «Wir sind Ohr»-Umfrage. Worum geht es dem Papst?

Bischof Felix Gmür*: Der synodale Prozess im Bistum Basel ist eine Kombination von Gespräch und Umfrage. Das Synodale am Prozess ist, dass Menschen in Gruppen über das gemeinsame Kirche-Sein diskutiert haben. Der Umfragecharakter ist, dass die Antworten direkt in die Forschungsplattform von «GFS Bern» eingegeben wurden. Es war uns ein grosses Anliegen, dass wir die Ergebnisse als wissenschaftlich gesicherte Erkenntnis zur Verfügung haben. Das verleiht den Aussagen mehr Gewicht.

Was sind für Sie die zentralen Ergebnisse?

Gmür: Die Ergebnisse bestätigen die bereits identifizierten Stärken sowie auch die Schwächen, die den Dialog und die Mitwirkung der Gläubigen beeinträchtigen. Die grössten Problemfelder resultieren aus der Spannung zwischen den weltweit und im Bistum gültigen Rahmenbedingungen der Kirche und den unterschiedlichen Kirchenkulturen vor Ort. Diese Spannung wird auch als Reformstau bezeichnet.

Was hat Sie persönlich am meisten überrascht?

Gmür: Dass trotz aller Diversität und Meinungsvielfalt in unserer Kirche die Glaubensüberzeugung als gemeinsame Vision stark ist und als verbindend erlebt wird.

«Ich kann nicht erwarten, dass alle Leute mit mir einig sind.»

Sie haben viel mit Menschen zu tun, die etwas von Ihnen wollen. Wo fühlen Sie sich ganz persönlich nicht gehört?

Gmür: Ich kann nicht erwarten, dass alle Leute mit mir einig sind. Es gehört zu meiner Aufgabe als Bischof, dass ich nicht alle gewünschten Standpunkte im geforderten Ausmass selber vertreten will und kann.

Was sagen Sie Frauen, die sich nicht gehört fühlen?

Gmür: Sie können sicher sein, dass ich mich im Bistum und in der Weltkirche für die Gleichstellung der Frauen einsetze – weltweit zusammen mit anderen Bischöfen. Was wir vor Ort tun können, machen wir: Im Bistum Basel sind Frauen seit Jahren auf allen diözesanen Führungsebenen tätig.

Was sagen Sie Jugendlichen, die mit der Sprache der Kirche wenig anfangen können?

Gmür: Hier haben wir viel Verbesserungsbedarf. Da braucht es einen Kulturwandel. Das muss bereits in der Aus- und Weiterbildung beginnen.

65 Prozent fühlen sich von «Führungspersonen im Bistum Basel» nicht gehört oder verstanden. Was sagen Sie als Leiter des Bistums dazu?

Gmür: Für die Gläubigen sind die Seelsorgerinnen und Seelsorger vor Ort am nächsten. Vom unmittelbaren Umfeld fühlt man sich am meisten verstanden. Das finde ich normal. Das Nicht-Verstanden-Fühlen hat viel mit den Fragen im sogenannten Reformstau zu tun: insbesondere bezüglich der gleichwertigen Teilhabe von Frauen und Menschen mit anderen Lebens- und Beziehungsformen.

«Wir werden uns mit den strukturellen Kommunikationsbarrieren vertieft auseinandersetzen müssen.»

Manches liegt nicht an Rom, sondern in Ihrem Einflussbereich. Was nehmen Sie sich ganz konkret vor?

Gmür: Bei den meisten Fragen sind wir bereits in einem Entwicklungsprozess. Zum Beispiel ist der Umgang mit der wachsenden Pluralität ein Thema, das längst erkannt wurde und Prozesse eingeleitet sind. Sichtbar ist das in der Migrationspastoral oder bei der Entwicklung von Pastoralraumkonzepten, die sich grossräumiger auf die Spezifika der jeweiligen Kultur der Gläubigen vor Ort ausrichtet. Wir werden uns mit den strukturellen Kommunikationsbarrieren, der Sprache und der Verständlichkeit vertieft auseinandersetzen müssen. Aber zuerst diskutieren wir die Studie im Rahmen der diözesanen synodalen Gespräche, die nächste Woche vom 20. bis 22. Januar in Basel stattfinden.

«In der Kirche gibt es eine tragende Mitte, flankiert von Konservativen und Progressiven.»

Nicht nur Progressive, sondern auch Traditionelle fühlen sich laut Studie nicht gehört. Wie gehen Sie als Bischof mit dem Spannungsfeld um?

Gmür: Es zeigt, dass die Kirche den ganzen Querschnitt der Gläubigen abbilden muss. In der Kirche gibt es eine tragende Mitte, flankiert von Konservativen und Progressiven. Das ist eine gesunde Struktur, aber trotzdem eine grosse Herausforderung für eine für alle attraktive Pastoral vor Ort.

Offiziell mündet das Papier in die Weltsynode. Doch es gibt die Befürchtung, dass die Ergebnisse der Umfrage am Ende im Papierkorb landen und sich nichts tut. Wie sehen Sie das?

Gmür: Wenn ich das so sehen würde, hätten wir nicht so viel in diesen Prozess investiert. Wir müssen jede Möglichkeit wahrnehmen, um die Lebendigkeit der Kirche zu erhalten. Mit der wissenschaftlichen Faktenbasis, über die wir mit der GFS-Studie verfügen, haben wir auch im Gespräch mit der Weltkirche auf jeden Fall mehr Gewicht.

* Bischof Felix Gmür (55) ist seit 2011 Bischof von Basel. Er ist auch Präsident der Schweizer Bischofskonferenz.


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