Trainieren ist das neue Beten: Christliche «CrossFitter» machen es vor

Abnehmen und mehr Sport machen ist ein häufiger Vorsatz fürs neue Jahr. «CrossFit» ist eine Sportart, die das Kreuz schon im Namen trägt. Christliche «CrossFit»-Gruppen in den USA denken beim schmerzvollen Training an den Gekreuzigten.

Eva Meienberg

Der österreichische Theologe Alexander Ornella (44) ist Dozent an der Universität in Hull (England) und «CrossFitter» aus Leidenschaft. Seit acht Jahren stemmt er die Langhantel – das wichtigste Gerät beim funktionalen Fitness. Alexander Ornella hat «CrossFit» auch wissenschaftlich analysiert. Denn die religiösen Bezüge von «CrossFit» sind für ihn offensichtlich.

Fitnessgemeinschaft für Christus

Am sichtbarsten etwa bei evangelikalen Christen in den USA. Eine «CrossFit»-Gruppe nennt sich «Faith Rx’d». «Faith» heisst Glaube. «Rx’d» steht für «as prescriped» – vorgeschrieben wie die Übungen des «CrossFit». Ihre Mission lautet: «Die Fitnessgemeinschaft zu vereinen und zu stärken, um für Christus zu leben, seine Liebe zu teilen und der Welt zu dienen.» Eine halbe Dornenkrone ziert ihr Logo.

Weltweit trainieren «CrossFitter» in Gruppen. «Man kann da Gemeinschaft erfahren in einer Art und Weise, die in einem herkömmlichen Fitnesscenter nicht unbedingt möglich ist», sagt Alexander Ornella. «Nach dem Training wird die Box auch mal zu einem Partyraum umfunktioniert. Die Boxen sind Orte der Gemeinschaft geworden.» Gemeinschaften zu bilden sei eine Funktion, die traditionell von religiösen Gemeinschaften und Kirchen erfüllt worden seien.

Liturgie des «CrossFit»

Ein Gemeinschaftsgefühl ergebe sich auch dadurch, dass der Ablauf der Stunde überall auf der Welt der Gleiche sei. «Ich kann in irgendeine Box gehen und mittrainieren. Wir kennen die gleichen Trainings und haben eine gemeinsame Terminologie. Etwa so, wie ich in irgendeine katholische Kirche gehen kann und auch dort den Ablauf der Liturgie kenne.»

Auch an Heiligen fehlt es den Athleten nicht. Unter den klassischen Trainings gibt es die Helden-Trainings. Sie tragen die Namen von im Krieg Gefallenen, von Feuerwehrleuten und Polizisten, die bei ihrer Arbeit das Leben verloren haben. Die Athleten gedenken der Helden während des Trainings. Dazu verliest der Coach einen kurzen Lebenslauf der Verstorbenen.

Box als Kirche

Mehrmals im Jahr finden Retreats statt. Wochenenden stehen im Zeichen des «CrossFit» und des Glaubens. Gebete, Vorträge und Workouts verwandeln die Box zur Kirche der Athletinnen, sagt Alexander Ornella.

«CrossFit» ist anstrengend. Nicht selten erreichen die Athletinnen und Athleten die «dark places» – die dunklen Orte. Das ist dort, wo der Körper nicht mehr kann, aber der Wille ihm dennoch einen weiteren Klimmzug abverlangt, bis er schliesslich nach Luft ringend am Boden liegt. «Diesen Ort suche ich persönlich nicht», sagt Alexander Ornella.

Sport als Passion

Aber diesem dunklen Ort gilt das besondere Interesse des Theologen. Denn der Schmerz der Sportler führe zu einem christlichen Schlüsselkonzept: zu Christus als Leidendem. «Einige christliche ‘CrossFitter’ verknüpften ihre Passion für den Sport mit ihrer Passion für den Glauben, nach dem Motto: ein gestählter Geist in einem gestählten Körper», sagt Alexander Ornella.

So nimmt das Training am Karfreitag der «Faith Rx’d»-Gruppe direkten Bezug zur Ostergeschichte und dem Leiden Jesu. Laut Alexander Ornella kommentierte der Trainings-Leiter die Übungen so: «Nachdem er stundenlang geschlagen wurde, ging Jesus circa 800 Meter weit und trug sein Kreuz, um daran zu sterben. Im Gedenken an alles, was ER für uns getan hat, werden wir dieses zermürbende Training durchstehen.»

Workout als mystische Vereinigung

«Für einige Athleten wird das Karfreitag-Workout zu einer körperlichen Erfahrung des Leidens Christi, die in eine mystische Vereinigung mit ihm führen kann», sagt Alexander Ornella. Die Selbstverursachung von Schmerzen kenne das Christentum seit dem Mittelalter: eine religiöse Praxis, um das Transzendente zu erfahren.

Die meisten «CrossFitter» dürften aber eine andere Motivation als «Faith Rx’d» in den USA haben. Der kritische Blick in den Spiegel und die Lust am Auspowern motiviert zum «CrossFit». Alexander Ornella ist überzeugt: «Was die Athleten aber buchstäblich bei der Stange hält, ist die Erfahrung von Gemeinschaft. CrossFit ist gemeinschafts- und identitätsbildend.»

Alexander Ornella (44) ist Dozent an der Universität Hull, England. Er ist promovierter Theologe und forscht zu Religion, Populärkultur, visueller und materieller Kultur und Technologie. Er interessiert sich auch für die Beziehung zwischen Sport und Religion – insbesondere für die Sportart «CrossFit».


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