Eine hörende Kirche

Am letzten Samstag fand in Raron der diesjährige Kongress des Oberwalliser Seelsorgerates statt. Nachdem dieser im letzten Jahr ausfallen musste, war es dem Büro dieses bischöflichen Beratungsgremiums wichtig, nun wieder in Präsenz zu tagen. Die Präsidentin des Seelsorgerates, Brigitte Bürcher, konnte in der Aula des Rarner Schulhauses eine stattliche Anzahl Frauen und Männer begrüssen, die sich in den Pfarreien des Oberwallis und in verschiedenen Dienststellen dieses Rates engagieren. Einen besonderen Willkommensgruss richtete sie an Bischof Jean-Marie Lovey und Generalvikar Richard Lehner. Paul Martone

Antworten auf Päpstliche Fragen

Schwerpunkt des diesjährigen Kongresses war der synodale Weg, auf den Papst Franziskus die katholische Kirche geschickt hat. Wichtig ist es Franziskus, auf die Menschen zu hören, um zu erfahren, wo der Schuh drückt, welche Freuden und Hoffnungen, Sorgen und Fragen die Menschen bewegen und auf die sie von der Kirche Antwort und Unterstützung erwarten. Generalvikar Richard Lehner stellte der Versammlung das Konzept der Synode und auch des synodalen Prozesses vor. Gemäss seinen Ausführungen fanden Synoden immer dann statt, wenn in der Kirche und in der Welt Fragen unter den Nägeln brannten, die von der Kirche beantwortet werden mussten. Solche Versammlungen fanden nicht nur auf der Ebene der Weltkirche statt, sondern regional auch im Bistum Sitten. So etwa 1926 als der junge Bischof Viktor Bieler zu einer Bistumssynode rief, in der sich die anwesenden Priester über verschiedenen Fragen austauschen und den Bischof darin beraten konnten. Es war dies auch dringend notwendig, fand die letzte Synode im Bistum Sitten ja 1626 statt. Bis heute hallt aber vor allem die Synode 72 in vielen bischöflichen Dokumente nach, die in allen Bistümern der Schweiz abgehalten worden ist.

Neu ist, dass unter Papst Franziskus nicht nur die Bischöfe befragt werden, sondern alle Menschen. Generalvikar Lehner stellte am Kongress die zehn Fragen vor, die der Papst der ganzen Welt vorlegte und um Antwort bat. Es sind dies Fragen, die alle Lebensbereiche sowohl der Gläubigen als auch der Fernstehenden betreffen wie etwa jene nach der Art und Weise wie im Bistum Sitten der Dialog gepflegt wird, nach der Verankerung der liturgischen Feiern im alltäglichen Leben, nach der Verantwortung der Getauften die Frohbotschaft im Alltag zu leben und auch über den Umgang mit der Autorität. Nach diesem Einführungsreferat wurden die Teilnehmer des Kongresses in zehn Gruppen eingeteilt, um je eine Frage miteinander zu diskutieren, die anschliessend im Plenum vorgetragen wurde. Alle Antworten werden nun zusammengefasst und fliessen dann in den Bericht des Bischofs und der Bischofskonferenz ein, der nach Rom zuhanden der weltweiten Bischofssynode im Jahr 2023 geschickt wird.

Neue Form für den Seelsorgerat gesucht

In ihrem Jahresbericht konnte sich die Präsidentin Brigitte Bürcher relativ kurzfassen, arbeiteten die meisten Dienststellen des Seelsorgerates im vergangenen Jahr coronabedingt auf Sparflamme, manche trafen sich ein- oder zweimal, andere überhaupt nicht. Aber, so Bürcher, «es herrschte keine Funkstille. Viele Pfarreien und Einzelpersonen gaben sich rege Mühe, mit den Gläubigen über die digitalen Medien in Kontakt zu bleiben. Mit Einfallsreichtum und besonderen Anstrengungen gelang und gelingt das auch heute noch». Die grossen Veränderungen in den vergangenen Jahren sind aber auch am Seelsorgerat nicht spurlos vorbeigegangen. «Seit einiger Zeit überlegt sich der Vorstand, ob der Seelsorgerat in der jetzigen Form noch auf Kurs ist. Seit der Umstrukturierung im Jahr 1993 bis heute sind einige Jahres ins Land gegangen. Die Kirche, die Menschen und die Möglichkeiten haben sich verändert. Gerade die Digitalisierung eröffnet neue Möglichkeiten und trotzdem muss der Mensch im Mittelpunkt stehen. Auch die Medienlandschaft im Oberwallis hat grosse Umbrüche hinter sich. An beiden Sitzungen in diesem Herbst wurde am neuen Prozess gefeilt. Die Kirche darf sich öffnen und ihre Vielfalt ausleben mit verschiedenen Formen von Zusammenarbeit und Feiern. Mit dem erweiterten Vorstand wird anfangs 2022 darüber diskutiert», so Brigitte Bürcher in ihrem Jahresbericht, den sie mit einem herzlichen Dank an alle abschloss, «die sich für die Kirche im Oberwallis einsetzen, egal auf welchem Platz sie stehen. Bleiben Sie der Kirche treu. Sie werden gebraucht».

Das bringt doch nichts!

Zum Abschluss des offiziellen Teiles des Kongresses richtete die Rarner Gemeinderätin Prisca Salzmann-Lochmatter im Namen des Gemeinderates ein paar sympathische Grussworte an die Versammlung. Das anschliessende gemeinsame Mittagessen, das der Pfarreirat von Raron bravurös organisierte und servierte, bot den Teilnehmenden die Möglichkeit sich in ungezwungenen Rahmen weiter über die päpstlichen Fragen zu unterhalten und ihre Erfahrungen in der, im vergangenen Jahr eingeschränkten, Seelsorgearbeit in den Pfarreien auszutauschen.

Den Schlusspunkt des Kongresstages bildete ein Gottesdienst in der Felsenkirche. Diesem stand Bischof Jean-Marie Lovey vor, der auch eine kurze Predigt hielt. Dabei hielt er fest, dass der Weg des synodalen Prozesses ebenso wichtig, wenn nicht sogar wichtiger sei als das Resultat, das dabei herauskommt. Es gehe darum, zuerst aufeinander und dann gemeinsam auf den Heiligen Geist zu hören, um dann zusammen auf diesem Weg vorwärts zu gehen. Wir sollten dabei nicht schon ein Resultat vorwegnehmen bevor wir diesen Weg zu Ende gegangen sind, denn Gottes Wege sind unerforschlich. Sich auf diesen Weg einzulassen sei deshalb ein Abenteuer, an dem alle teilnehmen sollen. Aber, wie Papst Franziskus kritisch anmerkte: «Sind wir bereit das Abenteuer dieses Weges zu leben, oder lehnen wir, aus Angst vor dem Unbekannten, diesen ab mit der Ausrede: ›Das bringt doch nichts!’ oder ›Hier haben wir das immer schon so gemacht!’» Bischof Lovey rief die Anwesenden auf, mit Mut diesen Weg zu gehen, im Vertrauen darauf, dass Christus der Herr der Kirche ist und diese nicht im Stich lässt.

Was bleibt von diesem Kongress in Raron? Sicher einmal die Erfahrung, wie gut es tat, dass sich die verschiedenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Pfarreien des Oberwallis wieder einmal treffen und austauschen konnten. Dann aber auch die Erfahrung, dass die Kirche breit ist, auf die Menschen zu hören und sie ernst zu nehmen. Es ist zu wünschen, dass die beim Kongress spürbare Aufbruchsstimmung anhält und auch in den Pfarreien sein Echo findet, denn die Kirche im Oberwallis und in der gesamten Welt ist immer noch aufgerufen, aufzubrechen, denn wer will, dass die Kirche bleibt, darf nicht wollen, dass sie bleibt, wie sie ist.

KID/Paul Martone

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