Film ab in Locarno: Warum die Ökumenische Jury universale Werte würdigt

Heute beginnt das 74. Filmfestival in Locarno. Unter den Zuschauerinnen ist kath.ch-Redaktorin Eva Meienberg. Sie ist zum ersten Mal Mitglied der Ökumenischen Jury. Sie hält nach Filmen Ausschau, die cineastisch herausragend sind – und noch dazu «Perspektiven des Evangeliums vermitteln». Mission possible!

Eva Meienberg

4432 Filme aus 100 Ländern wurden eingegeben. 207 Filme haben es in das Festivalprogramm geschafft. Nach der virtuellen Corona-Ausgabe letztes Jahr findet das Festival unter der neuen Leitung von Giona Nazzaro physisch statt – unter strengen Covid-19-Massnahmen. Die gigantisch grosse Leinwand auf der Piazza Grande steht bereit.

Die Macht der Bilder

Ich werde zum ersten Mal als Mitglied der Ökumenischen Jury dabei sein. «Ökumenische Jury?», fragt meine Nachbarin, als ich ihr freudestrahlend von meiner Teilnahme erzähle. Höchste Zeit, das Jury-Regelwerk genauer zu lesen.

Die Ökumenische Jury ist ein internationales Viererteam von «Interfilm» oder «Signis»-Mitgliedern. Die Organisationen haben sich aus der reformierten und katholischen Filmarbeit gebildet. Denn die Kirchen haben die Macht der bewegten Bilder von Anfang an erkannt und für sich zu nutzen gewusst.

Papst Franziskus liebt den Neorealismus

Die Faszination Kino hält bis heute an. Von Papst Franziskus wissen wir, dass er neorealistische Filme liebt. Und hätte der Churer Bischof Joseph Bonnemain mehr Zeit, würde er wie früher in Barcelona dreimal die Woche ins Kino gehen.

Ich freue mich auf das Jury-Team. Eine Kollegin kenne ich bereits: Pfarrerin Pascale Huber ist Geschäftsführerin der Reformierten Medien – und unsere Nachbarin. kath.ch und ref.ch arbeiten auf demselben Stockwerk in der Zürcher Pfingstweidstrasse.

USA und Frankreich

Und ich freue mich auf zwei Jury-Kollegen, die ich erst heute kennen lerne. Brent Rodriguez-Plate reist aus den USA an. Er hat sich einen Namen gemacht mit Publikationen an der Schnittstelle von Religion und Kunst.

Anne Le Cor stammt aus Frankreich an. Die Gymnasiallehrerin unterrichtet Film, schreibt Filmkritiken und organisiert ein Menschenrechts-Filmfestival in der Provence.

Heute Nachmittag vor dem ersten Filmscreening – so heisst das Filmschauen in Filmkreisen – werden wir uns zum ersten Mal treffen und von da an sehr, sehr viel Zeit miteinander verbringen.

Christliche Verantwortung

Während zehn Tagen visionieren wir 17 Filme des internationalen Wettbewerbs. Das ist viel Film – und besonders intensiv, weil wir jeden Film besprechen werden. Dazu gibt es Kriterien, die von «Interfilm» und «Signis» ausgearbeitet wurden. Sie sollen gewährleisten, dass auch wirklich ökumenisch drin ist, wo ökumenisch draufsteht.

Dazu gehört, dass der Film höchsten künstlerischen Ansprüchen genügt. Es hilft natürlich, dass alle Teilnehmenden filmerfahrene Menschen sind, deren cineastische Augen sich nicht blenden lassen.

Die Filme sollen Perspektiven des Evangeliums vermitteln. Christliche Verantwortung und menschliche Entwicklung sollen auf eine universelle Wirkung und erfinderischen Ausdruck treffen. Puh! Ich freue mich auf die Gespräche mit meinen Jurymitgliedern!

Empfang mit dem Bistum Lugano und EKS-Präsidentin Rita Famos

Der Koffer liegt am Boden. In Locarno gibt es keinen roten Teppich, das Abendkleid muss also nicht mit. Ich hätte eh keines gehabt. Aber ein bisschen chic sollte die Garderobe schon sein, denn zur Aufgabe der Jury gehören auch gesellschaftliche Anlässe.

Am 11. August gibt es den Ökumenischen Empfang im «PalaCinema» in Locarno. Mit dabei: Das Bistum Lugano sowie Rita Famos, Präsidentin der Evangelisch-Reformierten Kirche Schweiz.

«Ein humanistisches, menschliches Anliegen»

Meine Nachbarin ist übrigens nicht die Einzige, die noch nie etwas von einer Ökumenischen Jury gehört hat. «Jurys sind in den letzten Jahren wie Pilze aus dem Boden geschossen», erzählt mir Charles Martig, Direktor des Katholischen Medienzentrums und Jurykoordinator. Beim Publikum seien sie wenig bekannt – aber in der Filmbranche würden sie durchaus wahrgenommen und geschätzt.

Das bestätigt Michael Sennhauser, Filmkritiker bei SRF, und fügt an: «Ich finde die Ökumenischen Jurys ein wichtiges Gegengewicht zu all den anderen Interessengruppen, die Preise vergeben: Das universale Anliegen der Ökumenischen Jury ist tatsächlich ein humanistisches, menschliches. Und damit eine wichtige Komponente im Gesamtbild eines Festivals.»

Live aus Locarno: @evapfel

Ich bin gespannt auf die Filme, auf die Diskussionen, die Partys und Begegnungen mit Bekannten und Unbekannten. Ich halte Sie auf dem Laufenden. Hier auf kath.ch und auf Instagram: @evapfel.


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https://www.kath.ch/newsd/film-ab-in-locarno-warum-die-oekumenische-jury-universale-werte-wuerdigt/