Tanzen, Drogen, Spiritualität: Die Goa-Psy-Trance Szene

Daniel* (27) ist in der Goa-Psy-Trance Szene gross geworden. Er fühlt sich «spirituell», wenn er LSD konsumiert. «Religiöse und spirituelle Elemente sind in der Szene allgegenwärtig», sagt die Religionswissenschaftlerin Jana Küchler.

Alice Küng

Seit Daniel* 13 Jahre alt ist, bewegt er sich in der Goa-Psy-Trance Szene. «Ich bin damit aufgewachsen», sagt der Winterthurer. Er besucht regelmässig Festivals, Partys und «Raves», wie die Musikveranstaltungen im Wald bezeichnet werden.

An den Partys läuft ununterbrochen Musik. «Ohne Musik wäre ein Festival kein Festival.» Die Musik sei so laut, dass der Bass körperlich spürbar werde, sagt Daniel.

Szene ist spirituell

Die schnellen Rhythmen erinnerten an rituelle Trommeln aus Afrika oder Südamerika, sagt Jana Küchler. Sie ist Religionswissenschaftlerin und hat ihre Magisterarbeit zum Thema Spiritualität in der Goa-Psy-Trance Szene geschrieben. «Die Szene ist bunt, friedlich und spirituell», sagt die Wissenschaftlerin.

«Religiöse und spirituelle Elemente sind allgegenwärtig», sagt Jana Küchler. Überall seien hinduistische und buddhistische Symbole wie beispielsweise das Om-Zeichen zu sehen. Zudem fänden an den Festivals alternativreligiöse Angebote wie etwa Energiearbeit oder Handauflegen statt.

Vielen Besuchenden seien die religiösen Bezüge aber kaum bewusst. «Religion ist ein offenes und gleichzeitig verstecktes Thema», erklärt Jana Küchler. Daniel kann das bestätigen. «Es gibt Leute, die mit Räucherstäbchen beten.» Daniel betet nicht. «Ich bin weder religiös noch spirituell.»

Tanzen bis zur Ekstase

Zur Musik tanzen die Partygänger einen einfachen Grundschritt. «Das ist unser Urinstinkt», sagt Daniel. Bis zu acht Stunden lang bewegt er sich im Rhythmus der Musik. «Stundenlang Tanzen kann ich aber nur, weil ich die Musik wirklich mag.»

«Wenn ich mich gut fühle, kann ich mich gehen lassen und falle in Trance.»

In Trance schliesse er die Augen und lasse seine Energie und seinen Stress raus. Jana Küchler bezeichnet den Zustand der Ekstase als spirituell.

Drogen und ihr spirituelles Potential

Daniel hingegen spricht von Spiritualität nur im Zusammenhang mit bewusstseinserweiternden Substanzen. «Wenn ich LSD konsumiere, fühle ich mich spirituell.» LSD helfe ihm, Hemmungen abzubauen und in den Trancezustand zu kommen, ihn zu verlängern oder zu verstärken. «Unter Einfluss solcher Drogen ist das Bewusstsein auf eine ganz andere Weise erlebbar», bestätigt Jana Küchler.

Es sei ein offenes Geheimnis, dass Drogen in die Goa-Psy-Trance Szene mit dazu gehören, sagt die Religionswissenschaftlerin. Die Szene ist in den 1970er-Jahren im indischen Bundesstaat Goa entstanden. Auch da war der Drogenkonsum an der Tagesordnung.

«Stundenlang Tanzen kann ich aber nur, weil ich die Musik wirklich mag.»

Drogen und ihre Gefahren

Daniel ist sich der Risiken bewusst. «Drogen sind mit Vorsicht zu geniessen.» Er selbst habe einen guten Umgang damit gefunden. Daniel geht einer geregelten Arbeit nach und konsumiert im Alltag nicht. Es gebe auch Festivals, an denen er auf Drogen verzichte.

Ist der Drogenrausch die Abkürzung zum spirituellen Erlebnis? Hier herrscht Uneinigkeit. «Jeder Mensch reagiert je nach Kontext anders auf eine Substanz», sagt Jana Küchler. Es gebe aber Menschen, die unter Drogen spirituelle Erfahrungen machten.

Drogen und Rituale

In der Religionsgeschichte gibt es zahlreiche Beispiele von Ritualen, bei denen der Konsum von Drogen eine Rolle spielt. Schamanen oder indische Sadhus beispielsweise verwenden Drogen in ihren Ritualen.

«Es fühlt sich an wie Sex oder wenn man verliebt ist.»

Solche Zustände zu erforschen, sei aber schwierig. «Den Menschen fehlt oft die Sprache, Erfahrungen in Trance zu beschreiben», sagt Jana Küchler. Auch Daniel ringt nach Worten, um seine Erlebnisse während der Trance zu beschreiben. «Es fühlt sich an, wie Sex oder wenn man verliebt ist.»

Gemeinschaft und Lebensstil

Religiöse Komponenten fand Küchler in ihrer Forschung in Bezug auf das Verbundenheitsgefühl. «Während des Festivals entsteht eine Gemeinschaft, ein freundliches Miteinander», sagt Jana Küchler. Dem pflichtet Daniel bei. «Man kennt sich innerhalb der Szene, auch international.»

«Es geht um Liebe.»

Für ihn einzigartig an der Goa-Psy-Trance Szene sei der Lebensstil. «Es geht um Liebe.» Oft herrsche ein offener und wertschätzender Umgang miteinander. «Die Leute nehmen einander so, wie sie sind, auch mit Macke.»

*Namen geändert


Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

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