Allianz Gleichwürdig Katholisch: «Wir wollen die klerikale Mauer durchbrechen»

Die «Allianz Gleichwürdig Katholisch» bekommt Konturen. Die Statuten sind verabschiedet, der Trägerverein ist gegründet. Die Aargauer Landeskirche ist nun doch mit an Bord: über die Fachstelle Bildung und Propstei. Und Papst Franziskus’ synodaler Prozess scheint wie gerufen zu kommen.

Raphael Rauch

Wir haben uns zuletzt im Januar über die «Allianz Gleichwürdig Katholisch» unterhalten. Was ist seitdem passiert?

Katharina Jost Graf*: Eine ganze Menge! Wir sind daran, die Finanzierung zu sichern – und haben unsere Organisationsstruktur geklärt. Der Trägerverein des Projekts Allianz Gleichwürdig Katholisch hat sich offiziell konstituiert: Es gibt Statuten und der Vorstand ist gewählt. Der Trägerverein ist vor allem für die Beschaffung der Finanzen zuständig. Die Steuergruppe führt das ganze Projekt.

«Es ist ermutigend, dass Papst Franziskus weltweit einen synodalen Prozess angestossen hat.»

Freuen tut uns auch der Rückenwind für eine synodale Kirche aus Rom. Es ist ermutigend, dass Papst Franziskus weltweit einen synodalen Prozess angestossen hat. Jetzt spürt die Schweizer Kirche nicht nur die Erwartungen der Basis, sondern auch die von Rom. Wir werden sozusagen von oben und unten zur Synodalität herausgefordert.

Es gibt unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie eine synodale Kirche aussehen soll. Der Churer Bischof Joseph Bonnemain versteht darunter etwas anderes als Daniel Kosch von der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ).

Jost Graf: Das ist ja gerade der Zweck eines synodalen Prozesses, verschiedene Positionen auf Augenhöhe zu diskutieren und dann zu wirklich gemeinsamen Ergebnissen zu kommen. Uns ist auch Folgendes wichtig und mit dem Anstoss zur Synodalität durch Papst Franziskus noch viel gewichtiger geworden: Überall auf der Welt ist die Kirche im Aufbruch. Unsere Bischöfe sagen oft: «Das sind Schweizer Probleme, das ist für die Weltkirche nicht vermittelbar.» Über das Fastenopfer bekommen wir aber mit, was in Lateinamerika seit der Amazonas-Synode passiert. Die Menschen dort diskutieren ähnliche Fragen wie wir.

«Nur nett miteinander reden, das reicht definitiv nicht.»

Wie möchten Sie sich ganz konkret in den synodalen Prozess einbringen?

Jost Graf:  Das, was in der Allianz Gleichwürdig Katholisch läuft, nämlich der Austausch von ganz unterschiedlichen Menschen und Gruppen, ist bereits ein synodaler Prozess. Wir sind gerne bereit, diesen Prozess auch mit den Bischöfen zu teilen. Allerdings braucht es unserer Meinung nach für echte Synodalität gelebte Gleichwürdigkeit und Gleichberechtigung, ergebnisoffene Gespräche und auch die Bereitschaft, das Kirchenrecht nach den erarbeiteten Ergebnissen zu ändern. Nur nett miteinander reden, das reicht definitiv nicht.

Schauen wir uns Ihre Allianz genauer an. Wer ist Mitglied des Trägervereins?

Jost Graf: Im Trägerverein können nur juristische Personen mitmachen. Mit dabei sind die Aargauer Fachstelle Bildung und Propstei, Jungwacht Blauring (Jubla), die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) und der Schweizerische Katholische Frauenbund (SKF).

Im Januar haben Sie uns mitgeteilt, dass die Aargauer Landeskirche nicht mitmacht. Nun ist sie über die Fachstelle Bildung und Propstei durch die Hintertür dabei. Wie kam es zu dem Sinneswandel?

Jost Graf: Das ist der Initiative von Susanne Andrea Birke und Claudia Mennen von der Fachstelle Propstei und Bildung zu verdanken, welche in dieser Sache Gespräche mit der Aargauer Landeskirche geführt haben.

Wer gehört der Steuergruppe an?

Jost Graf: Aktuell sind dies Valentin Beck von der Jubla, Claudia Mennen von der Fachstelle Bildung und Propstei, Hans Gisler von der KAB, Franziska Zen Ruffinen vom Catholic Women’s Council, Helena Jeppesen vom Fastenopfer, Karin Klemm von der Junia-Initiative, Herbert Gut als Vertreter des Pastoralraums Luzern, Isabelle Vernet vom Réseau des Femmes en église, Fabienne Roos und ich vom SKF.

Und wer dem Vorstand?

Jost Graf: Im Vorstand des Trägervereins sind die vier Trägerorganisationen vertreten durch Simone Curau-Aepli, Hans Gisler, Claudia Mennen und Valentin Beck. Valentin Beck wird aber bald durch eine andere Jubla-Vertretung abgelöst.

Haben Sie schon eine Geschäftsführerin oder einen Geschäftsführer?

Jost Graf: So schnell sind wir dann auch wieder nicht (lacht). Aber das Anforderungsprofil steht und die Stellenanzeige ist in der Pipeline. Ausschreiben können wir erst, wenn wir genug Gelder gesprochen bekommen. Wir gehen davon aus, dass wir zwischen 60 und 80 Stellenprozente ausschreiben können. Auf den Herbst folgt dann die Anstellung.

Wie sieht Ihre ideale Geschäftsführerin aus?

Jost Graf: Sie muss keine Theologin oder er muss kein Theologe sein. Aber sie oder er muss sich in kirchlichen Strukturen auskennen, gut vernetzt und eine Fachperson in Sachen Campaigning sein. Natürlich muss sie oder er sich auch in der digitalen Welt auskennen.

Was genau macht der Trägerverein, was macht die Steuergruppe?

Jost Graf: Die einzige und wichtige Aufgabe des Trägervereins ist die Beschaffung und Sicherung der Finanzen. Die Steuergruppe ist das Führungsorgan. Sie leitet das ganze Projekt Allianz Gleichwürdig Katholisch und ist auch die vorgesetzte Instanz der Geschäftsstelle. Auch sehr wichtig ist die Projektgemeinschaft. Das sind alle, die sich der Allianz Gleichwürdig Katholisch zugehörig erklären. Die Projektgemeinschaft bringt eigene Projekte ein und bestimmt Ziele und Aktivitäten wesentlich mit.

«Wir leben das, was wir uns für die Kirche als Ganzes wünschen.»

Sind das nicht etwas viele Strukturen für eine junge, kleine Allianz?

Jost Graf: Nein, das finde ich überhaupt nicht. Im Gegenteil finde ich diese sehr organische Struktur sehr spannend und vor allem ermöglicht diese Struktur auch die Gleichwürdigkeit und Gleichberechtigung, die wir ja fordern. Die Allianz Gleichwürdig Katholisch lebt auf diese Weise genau das, was sie auch für die Kirche als Ganzes wünscht.

Sie setzen auf organisches Zusammenarbeiten. Bei der Allianz können auch Menschen und Organisationen mitmachen, ohne Mitglied der Allianz zu sein.

Jost Graf: Es gibt die Mitgliedschaft, wie wir sie von Vereinen kennen, gar nicht. Die Allianz Gleichwürdig Katholisch steht allen offen, die unsere Vision teilen. Einzelpersonen, Organisationen, juristische Personen wie beispielsweise Kirchgemeinden, Initiativen und Gruppierungen können ihre Zugehörigkeit erklären. Es gibt verschiedene Grade der Zugehörigkeit. Das reicht von voller Zugehörigkeit bis zum Gast-Status. Diesen Gast-Status hat beispielsweise Daniel Kosch. Er hat Sympathien für die Allianz. Wir erhalten auch E-Mails von einzelnen Kirchgemeinden, die etwa fragen: «Habt ihr Materialien? Wir würden gerne vor Ort etwas machen.»

War in Ihrer letzten Sitzung das Zehn-Punkte-Papier aus Luzern ein Thema, das der Basler Bischof Felix Gmür ablehnt?

Jost Graf: In der letzten Zusammenkunft der Projektgemeinschaft hat Herbert Gut das Papier «Zehn Schritte zu einer geschwisterlichen Kirche» vorgestellt und es wurde in einer Kleingruppe besprochen.

«Wir können uns unkompliziert im Netz treffen.»

Hat Corona die Gründung der Allianz erschwert oder erleichtert?

Jost Graf: Beides. Es ist erstaunlich, was wir erreicht haben, obwohl wir uns kaum richtig treffen konnten. Ein paar Steuergruppenmitglieder kennen sich nur digital. Von den digitalen Vernetzungsmöglichkeiten haben wir sehr profitiert. Wir können uns unkompliziert im Netz treffen, agil arbeiten – und uns sogar weltweit vernetzen. Ich bin auch überzeugt, dass die digitalen Möglichkeiten die Vernetzung, welche die Allianz anstrebt, wesentlich verstärken werden.

Wie sieht’s mit der schweizweiten Vernetzung aus?

Jost Graf: Wir freuen uns sehr, dass der Gump über den Röstigraben bereits geglückt ist und dass mit Isabelle Vernet vom «Réseau des femmes en Église» eine wichtige Persönlichkeit in der Steuergruppe vertreten ist.

«Die Menschen meisseln an dieser Mauer, indem sie gleichwürdig Kirche sind.»

Was meinen Sie mit Ihrem Slogan «#Gleiche Würde, gleiche Rechte»?

Jost Graf: Der ist ja eigentlich selbsterklärend. Wir wollen gleiche Rechte für alle. Es darf nicht sein, dass allein aufgrund des Geschlechts und einer angeblich nicht gelebten Sexualität einige hochwürdiger sind als andere. Wir wollen die klerikale Mauer, die so vieles verunmöglicht und leider Schlimmes ermöglicht, durchbrechen. An vielen Orten, weltweit und auf vielfältige Weise sind Menschen am Meisseln an dieser Mauer, indem sie gleichwürdig Kirche sind.

* Katharina Jost Graf (57) ist Vizepräsidentin des SKF Schweizerischer Katholischer Frauenbund. Die Theologin arbeitet als Pfarreiseelsorgerin im Pastoralraum Hürntal LU.


«Die neue Allianz eröffnet auch Bischof Felix eine Chance»

Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

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