Bischof Felix Gmür: «Kirche ist Partei», aber: «Als Pfarrer hätte ich keine orange Fahne aufgehängt»

Die Debatte über die Konzernverantwortungsinitiative (KVI) hat gezeigt: Das politische Engagement von Religionen ist umstritten. Doch Katholiken, Reformierte und Juden lassen sich nicht den Mund verbieten. Sie üben aber auch Selbstkritik: Rita Famos von den Reformierten sah im KVI-Abstimmungskampf einen «methodischen Overkill».

Barbara Ludwig

Die Konzernverantwortungsinitiative (KVI) scheiterte im vergangenen November am Ständemehr. Für Unmut sorgte im Abstimmungskampf das Engagement der Kirchen zugunsten der KVI. Das hat Nachwehen bis heute, wie eine Tagung an der Universität Basel diese Woche zeigte. Die Veranstaltung der Theologischen Fakultät lief unter dem Titel: «Wie politisch soll/darf Religion sein?».

Podium mit Bischof Felix Gmür, Rita Famos und Ralph Lewin

Zu einem Podium eingeladen waren am Dienstag Felix Gmür, Bischof von Basel und Präsident der Schweizer Bischofskonferenz (SBK), Rita Famos, Präsidentin der Evangelischen Kirche Schweiz (EKS), und Ralph Lewin, Präsident des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes (SIG).

Rita Famos stellte in ihrem Eingangsvotum selbstkritisch fest, es sei «uns als Kirche nicht gelungen, unser kirchliches Selbstverständnis» in den öffentlichen Debatten einzubringen. Das holte sie nun nach, indem sie an das Gründungsdokument der Evangelischen Kirchen in Europa erinnerte, die sogenannte Leuenberger Konkordie von 1973.

Einmischung erwünscht

Dort heisst es unter anderem: «Sie (Christen) treten ein für irdische Gerechtigkeit und Frieden zwischen den einzelnen Menschen und den Völkern.» Die oberste Reformierte betonte deshalb: «Es kann für mich nie zur Disposition stehen, ob und dass die evangelisch-reformierten Kirchen sich in den öffentlichen Diskurs um politische Fragen einmischen, die grundlegende ethische Orientierungen berühren.» Dies sei Pflicht.

Famos äusserte sich jedoch auch zur Art und Weise, wie sich Kirche aus ihrer Sicht einmischen sollte. Dabei warb sie für eine «dialogische Methode». «Auch als Christinnen und Christen müssen wir bescheiden bleiben. Wir kennen nicht der Weisheit letzter Schluss.» Wenn der Eindruck entstehe, dass jemandem, der anders denke, der rechte Glaube abgesprochen werde, sei die Form der kirchlichen Positionierung «wohl falsch».

«Methodischer Overkill» im Abstimmungskampf

Dies dürfte eine Anspielung auf innerkirchliche Kontroversen sein. Auch innerhalb der Kirchen war der Umgang mit der KVI umstritten gewesen. In der Podiumsdiskussion nahm Famos denn auch Bezug auf den Abstimmungskampf.

«Ich glaube, die Plakate an den Kirchtürmen waren ein methodischer Overkill», sagte Famos. Kirchen seien Räume des gelebten Glaubens, in denen sich alle Gläubigen einfinden sollen, «ohne dass sie unter einer politischen Parole unten durchgehen müssen».

«Kirche ergreift Partei und sie ist Partei»

Auch Felix Gmür nahm kritisch Bezug auf die Werbemethoden der kirchlichen KVI-Befürworter. «Als Pfarrer hätte ich keine orange Fahne aufgehängt», stellte der Basler Bischof klar. Er hätte ein Podium zum Thema organisiert und die Fahne in den Schaukasten oder im Pfarreiheim aufgehängt.

Zuvor hatte Gmür jedoch klargestellt: «Kirche ergreift Partei und sie ist Partei.» Auch dass sie sich politisch einbringt, sei klar. Der Bischof betonte sowohl den Auftrag des einzelnen Katholiken und Christen, sich in der Politik zu engagieren, als auch das Christentum als Institution.

Option für die Armen

«Das Christentum ist immer Partei für diejenigen, die wir Arme nennen, also für jene, an die niemand denkt», sagte Gmür. Dabei plädierte er stark für die korporative Religionsfreiheit.

Religion dürfe auch keinen Fall ins Private abgeschoben werden. «Gewisse Kreise wollen die Religionen und insbesondere die Kirchen zum Schweigen bringen und uns in die Sakristei verbannen.» Für den Bischof ist das jedoch keine Option.

Juden konzentrieren sich auf für sie relevante Themen

Ralph Lewin, Präsident des SIG, umschrieb die besondere Situation der Juden als kleine Minderheit. In der Vergangenheit habe die jüdische Gemeinschaft fast immer und fast überall eine «Verteidigungspolitik» betreiben müssen. Gegen Diskriminierung, das Recht auf Religionsausübung und die Rechte von Juden.

Heute könne man es sich in der Schweiz zwar leisten, sich auch zu anderen politischen Themen zu äussern.  Trotzdem wolle der SIG nicht zu jeder Volksabstimmung eine Parole herausgeben, sagte Lewin. «Lieber sparen wir unsere Stimme auf, um sie bei für uns wichtigen Themen zu erheben: Wenn es darum geht, die Religionsfreiheit zu verteidigen, zu verhindern, dass eine religiöse oder ethnische Minderheit diskriminiert wird oder bei der Bekämpfung von Hass und Hetze.»


Bischof Felix Gmür wirft KVI-Gegnerinnen «Kirchen-Bashing» vor

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