Tagebuch: Christoph Sigrist

Im Januar stand ich oft am Grab auf den Friedenhöfen Zürichs. Natürlich habe ich es gewusst, die Zahlen sprachen für sich. Jeden Tag starben rund hundert Personen in der Schweiz an den Folgen von Covid-19. Am Grab wird keine Zahl genannt, sondern ein Name. Jedes Leben ist einzigartig, keine Todesart tödlicher. Wer am Grab steht, steht im Gegenwind. Die Urne liegt auf der Wiese, Gemeinschaftsgrab. Der Sarg entschwindet mit einem Teppich aus weissen Rosen dem Blick der Angehörigen im Boden. Es wird im Leben verschieden geglaubt – «Erde zu Erde» gilt allen Menschen. An der Volksurne wird mit Volksmehr abgestimmt – am Grab endet jeder Volkswille mit der Herrschaft des Todes. Ich höre mich sagen: «Der Herr ist mein Hirte.» Täusche ich mich? Anders, verändert, gehen wir vom Grab in die Welt mit ihrem Alltag zurück. Beginnt am Grab Gottes Wille mit dem Aufstand des Lebens?

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